In Prenzlauer Berg gibt es unzählige illegale Ferienwohnungen. Hundert, tausend, viel mehr oder viel weniger? Das Bezirksamt hat keine Ahnung.
Erschütternde Szenen, die Stadtrat Jens-Holger Kirchner (Grüne) da schilderte, jedenfalls für Freunde eines breiten Wohnraumangebots und Gegner illegaler Ferienwohnungen. Während also Kontrolleure des Bezirksamts in der zweiten Etage schauen, ob man es hier eventuell mit einer jener unzähligen illegalen Appartements in Prenzlauer Berg zu tun hat, werden zwei Stockwerke höher die Beweise fortgetragen. Sprich, die Betten mit lauten Getrampel aus der Wohnung geschafft. Der Nachweis, dass in der vierten Etage illegal an Feriengäste vermietet wird, ist so von Amts wegen nicht mehr zu erbringen. Es klingt nach lustigem Räuber-und-Gendarm-Spiel. Doch die Szene hat sich offenbar wirklich so zugetragen hat, und sie zeigt was wenig Lustiges: Der Bezirk zieht beim Kampf gegen illegale Vermietung zumeist den Kürzeren. Und wie jetzt deutlich wird, tappt er auch noch ziemlich im Dunkeln.
In der Bezirkverordnetenversammlung (BVV) am gestrigen Mittwoch antwortete der für Stadtentwicklung zuständige Kirchner auf eine Anfrage des Bezirksverordneten Michail Nelken (Linke); der wollte zunächst wissen, wie viele Ferienwohnungen es im Bezirk überhaupt gebe. „Keine genauen Erkenntnisse“, antwortete Kirchner, und das ist mehr als schmeichelhaft ausgedrückt. Er nannte Schätzungen für den vor allem von illegaler Vermietung betroffenen Prenzlauer Berg – und die gehen weit auseinander. So habe die kommunale Gesellschaft für behutsame Stadterneuerung Schätzungen für Helmholtzplatz abgegeben, demnach soll es hier rund hundert illegale Ferienwohnungen geben. Ein Zusammenschluss der Mietergemeinschaft geht dagegen von 400 bis 500 Wohnungen aus. Und in der Sozialstudie zum Platz ist von 150 bis zu 200 Wohnungen die Rede. Ähnlich differieren die Zahlen am Teutoburger Platz: Hier ist von 60 bis 300 Wohnungen die Rede. Nur zwei Beispiele von vielen, wie Kirchner betonte. „Wir wissen es in der Tat nicht genau.“
Warten auf Landesinitiative
Nelken, der in seiner ein Jahr zurückliegenden Amtszeit als Stadtentwicklungsstadtrat dem Problem der illegalen Ferienwohnungen ebenfalls nicht Herr wurde, wollte von seinem Nachfolger Kirchner wissen, warum er „nichts tue“. Anstatt sich darum zu bemühen, dass in Milieuschutzgebieten keine Wohnungen umgenutzt werde, warte das Amt ab, wie „an einem toten Gleis auf einen Zug“. Kirchner betonte mit Blick auf Wohnungen in Milieuschutzgebieten, dass schlicht keine Genehmigungsanträge gestellt wurden – diese mithin auch nicht abgelehnt werden könnten. Zudem sei es „sehr schwer, Umnutzungen gerichtsfest nachzuweisen“; siehe die Anekdote mit den verschleppten Betten. Und nicht zuletzt braucht es für Kontrollen Personal, und an dem mangelt es im Bezirksamt bekanntlich.
Aber auch die juristischen Voraussetzungen für einen Kampf gegen die illegale Wohnnutzung seien derzeit dürftig. So gebe es kaum Handhabe dagegen, wenn ein Wohneigentümer Wohnungen vermiete, da es sich dann „um Verwaltung eigenen Vermögens“ handle. Auch die Brandschutzordnung, zum Beispiel, entfalte beschränkende Wirkung erst ab 60 Betten. Es gelte weiterhin, darauf zu warten, dass der Senat das angekündigte Gesetz gegen illegale Ferienwohnungen auf den Weg bringe. „Ob dies ein effektives Instrument ist, bleibt abzuwarten“, so Kirchner. Außerdem strebe der Bezirk an, die Erhaltungssatzung für Milieuschutzgebiete so zu ändern, dass Ferienwohnungen leichter kontrollierbar würden.
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