Bezirk sagt klar „Jein“ zur Verdichtung

von Juliane Schader 22. Februar 2011

An der Belforter Straße ist der Bezirk gegen Verdichtung, an der Kastanienallee lässt er zur gleichen Zeit eine Freifläche bebauen.

Was für eine Grundstücks-Vergeudung! Mitten in Prenzlauer Berg, zwischen Kastanienallee und Schönhauser Allee, liegt eine Brache, die als Parkplatz herhalten muss. Über 3000 Quadratmeter versiegelte Fläche, unbebaut, mit Zugang zu den beiden großen Straßen – das Wort „Filetgrundstück“ scheint dafür erfunden worden zu sein. Da scheint es nur konsequent, dass der Bezirk es an den Liegenschaftsfonds abgegeben hat, welcher das Areal nun veräußert. Wohn- und Gewerberäume sollen dort bald entstehen, was gut ist, schließlich ist beides rar und teuer. Der Käufer kann sich auf ein gutes Geschäft freuen.

Oder sich einmal mit Investor Rainer Bahr unterhalten. Bislang bekannt als Bauherr des Kollebelle, hat Bahr es jüngst erneut in die Öffentlichkeit geschafft, weil er auf seinem Grundstück an der Belforter Straße/Ecke Straßburger Straße die drei dort stehenden Zeilenhäuser mit einer Blockrandbebauung verbinden will. Aber nicht darf. Denn der Bezirk setzt gerade alle Hebel in Bewegung, um die Pläne des Grundstückseigentümers noch zu durchkreuzen. Der Prenzlauer Berg sei bereits zu verdichtet, heißt es. Die Freiflächen, die es noch gebe, gelte es zu erhalten.

 

Häuser werden zur Stadthistorie verklärt, um Verdichtung zu verhindern

 

Zuletzt wurde zu diesem Zweck ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches den drei unscheinbaren 50er-Jahre Bauten stadtgeschichtliche Bedeutung attestiert und auf dem Areal schützenswerte Vogelarten entdeckt haben will. Auf Basis dieses Gutachtens will der Bezirk eine Erhaltungssatzung verabschieden, die den geplanten Neubau unmöglich machen würde.

Das Grundstück in der Belforter Straße ist in Privatbesitz. Hier zieht der Bezirk alle Register, um eine Bebauung zu verhindern. Während er einige hundert Meter weiter nördlich das eigene Tafelsilber verhökern lässt, eine bisherige Freifläche zur Bebauung freigibt und das Entstehen von Wohnraum begrüßt, was er zeitgleich in der Belforter Straße verhindern will. Stringentes Handeln sieht anders aus.

Schließlich ist das Anliegen des Bezirksamtes eigentlich ein gutes. Denn natürlich muss man in Prenzlauer Berg, wo schon jetzt eine der höchsten Bevölkerungsdichten Berlins verzeichnet wird, aufpassen, dass nicht eines Tages die einzigen Freiflächen des Ortsteils Verkehrsinseln sind. Aber in einer Stadt, die den Palast der Republik abreißen ließ, drei einfache Zeilenbauten zur Stadthistorie zu erklären, wirkt schon für sich gesehen sehr bemüht. Und geradezu frech, wenn man bedenkt, dass zeitgleich 3000 Quadratmeter eigene Freifläche zur Bebauung freigegeben werden.

 

Bezirk klagt über Mangel an eigenen Grundstücken. Und verkauft dann doch

 

Hinzu kommt, dass der Bezirk in den vergangenen Monaten immer wieder über einen Mangel an eigenen Grundstücken und – das sollte fairer Weise gesagt werden – auch Gebäuden klagte. Allein für die Jugendkultureinrichtungen des Eliashofs, die einer Grundschule weichen mussten, wurde über ein Jahr lang vergeblich nach einem Ausweichquartier aus Bezirksbestand gesucht. Ohne Ergebnis. Fast hatte man den Eindruck, der konsequente Verkauf eigener Immobilien in Zeiten knapper Kassen würde nun bereut. Doch falls das tatsächlich der Fall gewesen sein sollte, hat sich diese Erkenntnis noch nicht bis zum Stadtentwicklungsamt rumgesprochen.

Derzeit arbeitet man im Bezirk an einem Bebauungsplan für das Grundstück in der Kastanienallee 97. Ein kleiner Stadtplatz und ein Durchgang zur Schönhauser Allee sollen darin zusätzlich zur Bebauung mit Wohn- und Gewerbeflächen vorgesehen werden, so Stadtentwicklungsstadtrat Michail Nelken. Das müsse jetzt schon gemacht werden, damit es später für den zukünftigen Bauherrn verbindlich sei, sagt er. Und meint: Damit so ein Aufstand wie an der Belforter Straße nicht nachträglich noch nötig ist. Warum auch immer das Bezirksamt bei dieser Fläche nicht schon vorher auf die gleiche Idee gekommen ist wie jetzt in der Kastanienallee.

Statt eines riesigen Parkplatzes, der sicher ohne Autos eine sehr schöne Grün- und damit Freifläche ergäbe, soll es also einen kleinen Stadtplatz geben. Ein guter Ansatz, aber doch zu klein, um zu vertuschen, wo bei der Abwägung zwischen Einnahmen und Verdichtung die Prioritäten liegen.

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