Das Club-Sterben ist tot, es leben die Clubs!

von Thomas Lindemann 8. Januar 2013

In der einstigen Willner Brauerei schafft eine Gruppe Künstler und Gastronomen ein neues Kreativzentrum mit Platz für Kunst, einen Club, Gastronomie und mehr. Ist das die Rückkehr der Szene?

„Nicht weniger als eine Erscheinung“, mit diesen Worten wurde Prenzlauer Berg einst in der „New York Times“ gefeiert – als kulturelles Zentrum eines neuen, lebendigen Berlins. Das ist fünfzehn Jahre her. Inzwischen hat die Gegend, viel beklagt, bisher immer noch wahr, das meiste von dieser Strahlkraft verloren. Beim großen Clubsterben der vergangenen Jahre wurden alle wichtigen Treffpunkte der Szene – von Knaack über Icon bis zum Klub der Republik - von Mieterhöhungen oder Nachbarn, die über Lärm klagten, vertrieben.

Dass die Kulturbrauerei gerade an, wie der Pankower Grünen-Vorsitzende Cornelius Bechtler es formulierte, einen „Haifisch“ verkauft wurde, nämlich den US-Finanzinvestor Lone Star, hat nur noch Symbolcharakter. Die Anlage war sowieso schon langweilig geworden. Das NBI etwa, nicht nur Club, sondern Heimat für Freak-Veranstaltungen wie die Bunny Lectures, musste dem Neon-Feeling eines Computergeschäftes Platz machen.

Jetzt könnte sich alles noch einmal ändern – an einem anderen, ganz neuen Ort. Eine Gruppe Kreativer aus der Kunst- und Clubszene gründete schon im April ein neues Kreativzentrum: Das WBB, von „Willner Brauerei Berlin“. Ein wenig kann man es sich vorstellen wie eine Art Kulturbrauerei, die noch einmal alles richtig macht. Auch wenn das WBB ein eigenes, anderes Konzept hat.

Zunächst zum Ort: Das Gelände liegt in der Berliner Straße 80-82, also in der nördlichen Verlängerung der Schönhauser Allee, knapp jenseits der Linie Bornholmer-Wisbyer. Also direkt an der Grenze zwischen Prenzlauer Berg und Pankow. Interessant wirkt die Idee, hier einen Kulturstandort zu gründen, unter anderem, weil viele Prenzlauer Berger bereits vor den steigenden Mieten in genau dieses Südende von Pankow geflohen sind. Vielleicht ist ja genau das Publikum schon da, das einst den Kollwitzplatz und die Kastanienallee belebte.

 

Die letzte freie Großfläche wird für den Kulturbetrieb erschlossen

 

„Dies könnte die letzte freie Fläche dieser Gegend sein, die letzte Gelegenheit, dass Kulturschaffende etwas Großartiges am Prenzlauer Berg starten“, sagt Christian Zeller. Er ist einer der fünf Männer und Frauen, die den Kreis von Künstlern, Gastronomieerfahrenen und Handwerkern leiten. „Wir glauben an das Projekt und haben uns regelrecht Geld bei unseren Familien zusammengeliehen, um es machen zu können.“

Ein wenig märchenhaft klingt es auch, was dort entstehen könnte: Tagsüber erklären Führungen den Berlinern das Gebäude der Willner-Brauerei, die 1990 nach 108 Jahren Betrieb schloß. Zwischen den alten Braukesseln nutzt Kunst, etwa mit Projektionen und Licht, die Hallen. Auf der Wiese vor der Tür ist ein „Urban Garden“ entstanden, mit Aktionen für Kinder und Nachbarn. Im Klub der Republik spielen abends Bands oder DJs. Manchmal gibt es ein Freiluftkino und immer eine Pizza aus dem Biergarten. So sieht sie aus, die Vision der Macher.

Das Gelände gehört der Berggruen Holding, die dort ganz andere Pläne hatte, offenbar unter anderem für einen Supermarkt. Nun bekommen die Kreativen für fünf Jahre alles – zur Miete übrigens, ohne jede Förderung. „Kultur von unten“ nennt Zeller das, es ist eine klassische Zwischennutzung. „Wir organisieren alles selbst, wir gehen ein wirtschaftliches Risiko ein. Und wir werden zeigen, dass das funktioniert. Wir machen kein Vergnügungszentrum, sondern einen echt inspirierenden Ort für Kunst und Kultur verschiedenster Art.“

 

Kein zweites Bethanien, eher ein „Creative Lab“

 

Anscheinend wollen die Organisatoren sich stark von anderen Initiativen abgrenzen, die sehr offene Modelle von Partizipation pflegen. Hier darf man kein zweites Bethanien erwarten und keine Bürgerintitative im Stil etwa der „Leute am Teute“. Die Macher nennen das Projekt auch betont nicht gern „Kulturzentrum“, sondern eher „Kreativ-Labor.“ Eine erste Kunstaktion wird gerade vorbereitet. Aus alten Weihnachtsbäumen wird eine Installation aufgebaut – am 19. Januar ist das Ergebnis auf dem WBB-Gelände zu sehen. Das wird die erste Veranstaltung.

Am Dreikönigstag hatte die Initiative deswegen Nachbarn und Freunde eingeladen, ihre Weihnachtsbäume zu bringen – und gleich das Gelände kennenzulernen. Man hörte an diesem Tag immer wieder den Satz: „Das ist Berlin!“. Die neue Nutzung einer alten, schroffen, aber charakteristischen Anlage erinnerte wohl sehr an den Aufbruch, als in Mitte und Prenzlauer Berg in gefühlt jedem leerstehenden Haus eine Kunstaktion oder etwas Ähnliches stattfand.

Tatsächlich war an diesem Probetag auch der eine oder andere Künstler da, um einen ersten Blick auf die Häuser zu werden. Der japanische Video-Jockey, der mit einem selbst erdachten System eine Mini-Kamera die Bilder einfangen lassen will, die von ihm vorher beklebte und gestaltete Schallplatten beim Drehen erzeugten, lachte über die Frage, ob es soetwas in Tokio geben könne: „Natürlich nicht. Soetwas gibt es nur hier.“

Es könnten fünf interessante Jahre werden. Jedenfalls so lange, bis genau diese Initiative die seltsam ruhige Gegend rund um die Thulestraße neu belebt hat, dieses Niemandsland zwischen Prenzlauer Berg und Pankow. Bis die Makler kommen und alles von vorn losgeht.

 

 

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