Im bat-Studiotheater der Ernst-Busch-Schauspielschule hat diese Woche Simon Stephens‘ „Motortown“ Premiere
Simon Stephens Stück „Motortown“ ist auf Anhieb zu einem Klassiker des Gegenwartstheaters geworden. Bald nach seiner Uraufführung 2006 in London fand es den Weg auf zahlreiche deutschsprachige Theaterbühnen (u. a. wurde es von Andrea Breth am Wiener Burgtheater inszeniert) und von dort in die ganze Welt. 2007 wählten es Kritiker in einer Umfrage des Fachblatts „Theater heute“ zum „Besten ausländischen Stück“ – noch vor Yasmina Rezas ähnlich erfolgreichem „Gott des Gemetzels“.
Das Stück des heute 39-jährigen Briten Stephens handelt von dem Irak-Heimkehrer Danny, einem scheinbar ganz normalen, etwas versoffenen, etwas gewalttätigen jungen Briten, der sich des Geldes wegen zur Armee verpflichtet hatte. Nun kehrt er heim und obwohl er sich, anders als seine Kameraden, nicht an Folter und Missbrauch der irakischen Zivilbevölkerung beteiligt hat, ist etwas in ihm kaputt gegangen. Freunde, Bruder und Ex-Geliebte bekommen das zu spüren. Im bat-Studiotheater der Ernst-Busch-Schauspielschule hat „Motortown“ am 2. Dezember Premiere. Es spielen Schüler des 3. Jahrgangs. Regie führt Margarete Schuler.
Ein Vorbild: Büchners „Woyzeck“
Mit „Motortown“ ist der Londoner Vorort Dagenham gemeint, dort gibt es eine große Autofabrik des Ford-Konzerns, die mittlerweile sehr geschrumpft ist. Stephens hat das Stück in nur vier Tagen als Auftragswerk fürs Londoner Royal Court, dieses Kernkraftwerk des britischen Dramas, geschrieben. Als wichtigste Anregung nennt Stephens im Interview mit „Theater heute“ Georg Büchner: „Sein ,Woyzeck‘ ist unauslöschlich in meine Schreibphantasie eingefräst – es hat ja unzählige Stücke und Filme beeinflusst, zuletzt sicher Mike Leighs Film ,Naked‘ und Scorseses ,Taxi Driver‘.“
Das Stück entstand als Reaktion auf Anti-Irakkriegsdemonstrationen in London und auf den Skandal um Folterfotos, die britische Soldaten von ihrem Einsatz mit nach Hause brachten. Wie jeder zurechnungsfähige Mensch hatte Stephens Zweifel am Sinn des Krieges, aber er hatte auch den „Eindruck, dass die Antikriegsaktivsten nur auf der Suche nach schneller Absolution waren. Zu sagen, es ist Bush, es ist Blair, war mir zu simpel.“
Mitgefühl für die Soldaten
Auch als ein Soldat seine Frontfotos bei seinem Londoner Vorort-Drogisten entwickeln lassen wollte und dieser ihn wegen der Folterszenen darauf anzeigte, war Simons von sich selbst irritiert: „Ich verstand nicht, warum ich mehr Mitgefühl für den Soldaten empfand als für die Leute, die ihn verurteilten. Ich erinnere mich, dass Blair die Täter als monströse Beschmutzung der britischen Armee verdammte und das kam mir sehr unehrlich vor – denn diese Soldaten waren kaum 18 und sollten einen Krieg gewinnen, der nicht zu gewinnen ist.“
„Motortown“ hat den ehemaligen Lehrer Simon Stephens (er unterrichtete an einer Schule in Dagenham) und Postpunk-Gitarristen (zwölf Jahre Bassist bei den „Country Teasers“) zu einem Liebling aller deutschen Bühnen gemacht, dessen Stücke zeitweilig hierzulande gespielt wurden, noch bevor sie in England auf die Bühne kamen. Mittlerweile hat sich der Stephens-Hype ein kleines bisschen abgekühlt. Damit ist der richtige Zeitpunkt gekommen, mal wieder einen zweiten Blick auf „Motortown“ zu werfen, das in Berlin – eine dieser typischen Theaterhauptstadtmerkwürdigkeiten – bisher ohnehin nur in der Box des Deutschen Theaters gespielt worden war, die noch kleiner ist als das bat.
Termine: 2., 3. und 4. Dezember, jeweils 20 Uhr. bat-Studiotheater, Belforter Str. 15, Karten: 755 417 777