In der Thulestraße im Süden Pankows werden seit fast 100 Jahren Waffeln hergestellt. Gekauft wird die einstige Bückware auch heute noch vor allem im Osten Deutschlands.
Abnehmen wollen sollte man an als Bewohner der Thulestraße lieber nicht. Zu lecker riecht es nach Kuchen in der Gegend um die Hausnummer 28, wo das Unternehmen Spreewaffel seit 99 Jahren seine Waffeln backt. Mitten im Wohngebiet steht die kleine Fabrik dort, wo der Ortsteil Pankow an Prenzlauer Berg stößt – wer Kreuzkölln mag, würde das Gebiet wohl Prenzelow nennen.
Als der Unternehmensgründer Eduard Reissmann seine Waffel- und Krustadenfabrik dort ansiedelte, hieß die Thulestraße noch Kaiser-Friedrich-Straße und der Süden Pankows entwickelte sich erst langsam zu dem dicht besiedelten Gebiet, das er heute ist. Produziert wurden damals neben Eiswaffeln die sogenannten Krustaden- hübsch geformte Schalen und Tassen aus Waffeln, die man zur Verzierung von festlichen Tafeln nutzte. Zu den Kunden gehörten damals Schifffahrtslinien und Hotels wie das Adlon. Während des zweiten Weltkriegs gab man diesen Teil des Sortiments auf und verblieb bei dem Produkten, die es auch heute noch zu kaufen gibt: süße gefüllte Waffeln und Waffelbrote, die ein Laie wohl als Knäckebrot verbuchen würde.
Nach dem zweiten Weltkrieg und der Teilung blieb das Unternehmen zunächst halbstaatlich, bis es 1972 zur VEB Waffelfabrik Berlin, später VEB Dauerbackwaren Berlin wurde. 1992 folgte die Reprivatisierung unter dem Namen Spreewaffel. Geschäftsführer Hans-Joachim Richter ist der Enkel des einstigen Firmengründers.
Waffeln als Bückware
„In der DDR gehörten unsere Produkte zur Bückware. Besonders die „Berliner Küsse“ – damals im Volksmund auch oft Negerküsse genannt – waren sehr beliebt“, erzählt Marketing-Chefin Karin Michalk-Richter. In Kartons mit 100 Stück habe man die „Berliner Kuss“ genannte Süßigkeit in die Kaufhallen geliefert und dann gar nicht so schnell gucken können, wie sie ausverkauft gewesen sei. „Nach der Wende war der marktwirtschaftliche Druck aber so groß, dass wir die Produktion dieses Sortiments einstellen mussten.“
Man besann sich also auf das Kerngeschäft, die Waffelproduktion, und schaffte es so im Gegensatz zu vielen anderen Lebensmittel-Firmen der DDR, nicht mit der Wiedervereinigung aufgeben zu müssen. „Wir haben uns sehr schnell bemüht, uns den neuen Bedingungen anzupassen“, meint Michalk-Richter. Neben der Sortimentserneuerung habe man auf ansprechendere Verpackungen gesetzt, was erst mit neuer Technik möglich gewesen sei. „Dabei war und ist ein sparsamster Umgang mit allen Ressourcen und kluges kaufmännischen Handeln immer wichtig gewesen, um das Unternehmen und die Arbeitsplätze erhalten zu können.“
Eine kulinarische Vereinigung ist aber nicht gelungen – verkauft werden die Waffeln aus Pankow fast ausschließlich im Osten Deutschlands. „Es ist sehr schwer, es als kleines Unternehmen in die Angebote der Supermärkte deutschlandweit zu schaffen“, sagt Michalk-Richter. Im Westen würden die Waffeln daher nur bei Sonderaktionen in den Regalen landen. Wer aber auf den Geschmack gekommen sei, der würde auch in Bayern via Care-Paket versorgt. „Unsere Knusperbrote verschicken wir kartonweise.“
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Produktionsstandort Wohngebiet
Einst war die Thulestraße ein gemischtes Gebiet mit Wohn- und Produktionsflächen. Heute sind die meisten Unternehmen aus der Gegend verschwunden; Baulücken werden mit teuren Eigentumswohnungs-Komplexen geschlossen. Große Sorgen, dass die kleine Fabrik irgendwann das Schicksal der Clubs von Prenzlauer Berg ereilen und von lärmempfindlichen Neu-Nachbarn vertrieben werden könnte, mag man sich aber nicht machen. „Wir haben viele Maßnahmen ergriffen, um Lärm und Emissionen so gering wie möglich zu halten“, sagt Michalk-Richter. Hin und wieder habe es schon mal Beschwerden aus der Nachbarschaft vor allem wegen des Backgeruchs gegeben, aber die zuständigen Behörden hätten dann mit Prüfungen festgestellt, dass alles im Bereich des Zulässigen liege.
Während andere produzierende Betriebe längst an den Stadtrand gezogen sind, hält man bei Spreewaffel am historischen Standort fest. Die meisten Mitarbeiter seien schon seit 20 Jahren dabei und viele von ihnen aus Pankow, meint Michalk-Richter. „Wir sind ein Pankower Unternehmen und versuchen, die Arbeitsplätze hier zu erhalten.“
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1 Kommentar
War eine schöne Zeit
Gert Jaekel