Fußball auf vier Rädern

von Anja Mia Neumann 15. April 2015

Wie ist das eigentlich so in einem Rollstuhl? Ein Trainer lässt das auf Firmen-Events oder im Schulsport testen. In seinem Verein trainieren ohnehin Fußgänger und Rolli-Fahrer gemeinsam.

Oliver Klar prüft noch einmal die Luft in den Reifen und dann geht’s los: An die zwei Dutzend Kinder und Jugendliche rollen rückwärts. Eben hatten sie ihre Hände noch im Kreis gefasst, nun drehen sie geschickt an ihren Rollstühlen. Es ist Training in der Sporthalle in der Winsstraße. Wheel-Soccer. Fußball auf Rädern.

„Beim Wheel-Soccer geht es darum, einen Pezziball vor sich her zu treiben“, erklärt Klar. Der 35-Jährige ist studierter Sportwissenschaftler und Inklusionskoordinator beim SV Pfefferwerk. Gerade wirft er den grauen, riesigen Ball aufs Spielfeld. „Das geht auch mit Elektrorollstühlen.“

Tatsächlich sind auch einige Kinder in der Halle dabei, die im elektrischen Rollstuhl unterwegs sind. Aber nicht nur das. Auch Fußgänger, also Menschen, die eigentlich laufen können, spielen mit: Geschwister, Freunde, Eltern und wen Rollstuhlsport sonst so interessiert. Wer freiwillig im Rollstuhl sitzt und wer muss: Zu sehen ist das auf den ersten Blick nicht.

 

Klischees: „Kikifax und kein richtiger Sport – alles Käse“

 

Die Rollikids vom Pfeffersport sind so etwas wie die Vorreiter in Berlin. Rund 35 inklusive Sportgruppen hat der Verein, begonnen hat es im Jahr 1996 mit Bewegungsspielen und Kletterparcours. Natürlich geht es in den Gruppen auch um die Integration durch Sport und soziale Interaktion. Denn niemand fühle sich als Außenseiter. „Der Rollstuhl ist ein Element, das alle gleich macht“, erklärt Klar. Regelmäßig hat der Trainer aber gegen Vorurteile zu kämpfen, wie zum Beispiel: Rollstuhlsport diene nur Therapiezwecken.

„Es schwingen schon Klischees mit: Rollstuhlsport ist ja kein richtiger Sport“, sagt Klar. „Das ist alles Kikifax. Und der Sport hat keine Ziele. Aber das ist Käse.“ Über Pfingsten zum Beispiel wird es ein bundesweites Wheel-Soccer-Turnier in der Max-Schmeling-Halle geben.

 

Ehrgeiz und lange Wartelisten

 

Wie ernst Wheel-Soccer genommen werden kann, zeigt auch Alexander. Der 17-Jährige trainiert seit einem Jahr in Klars Gruppe und ist mit Eifer dabei. Gerade übt er das Blocken. Mit einem Kumpel hat er die Aufgabe – erst mal ohne Ball – den Angreifer möglichst auf Abstand zu halten. Abwechselnd wird rückwärts gerollt. Alexander guckt sehr konzentriert und reißt die Arme hoch, als es ihm gelingt, den Gegner auszubremsen.

Rollstuhl-Fußball in Prenzlauer Berg

 

Alexanders Vater ist extra mit ihm aus Lichtenberg in den Winskiez gekommen. Nun sitzt er auf der Turnbank am Spielfeldrand. „Der taut hier richtig auf“, berichtet er über seinen Sohn. Eigentlich sei Alexander eher zurückhaltend. Aber Wheel-Soccer habe seinen Ehrgeiz entfacht. „Wir schlagen hier drei Fliegen mit einer Klappe: Er ist in Bewegung, er ist unter anderen Leuten und der Sport ist gut für sein Selbstbewusstsein.“

Wie viele Vereine in Prenzlauer Berg hat jedoch auch der SV Pfefferwerk mit einer langen Warteliste zu kämpfen: Mehrere 100 Interessierte stünden darauf, meint Klar. „Als Verein kommen wir permanent an unsere Grenzen.“ Die Gründe seien nicht nur die große Nachfrage, sondern auch, dass es zu wenig Hallenzeiten für die Trainingsstunden gebe.

 

Manager fahren Rollstuhl bei einem Firmen-Event

 

Neben dem Wheel-Soccer-Training nutzt Klar den Sport auf Rädern für Kurse und Veranstaltungen. „Rollisport ist für uns auch ein Beitrag zur Sensibilisierung an Schulen“, erklärt Trainer Klar.  Regelmäßig fährt er deshalb mit jeder Menge Rollstühlen im Gepäck zu Schulklassen und lässt sie Platz nehmen.

Für viele zum ersten Mal. „Wir machen Übungen wie Musik-Stopp, am Platz drehen, vorwärts und rückwärts fahren. Und wir spielen Hase-und-Jäger. Es geht nicht darum, große Kunststückchen zu machen.“ Sondern darum, ein Verständnis zu erzeugen – und dabei Spaß zu haben. Kürzlich hat Klar Ähnliches bei einem Firmen-Event gemacht. Mit Managern.

 

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