Rollstuhl, Du kommst hier nicht rein

von Juliane Schader 14. November 2012

Ob Theater, Jugendclub oder Café, oft müssen Rollstuhlfahrer in Pankow leider draußen bleiben. Wenn sie überhaupt bis zum Café kommem, weil die Gehwege in einem so schlechten Zustand sind.

Wer im Bezirk Pankow gerne am öffentlichen Leben teilnehmen möchte, sollte besser nicht auf einen Rollstuhl angewiesen sein. Ob Theater unterm Dach, Wabe, Brotfabrik oder der Standort der Volkshochschule in der Schulstraße, barrierefrei ist keines dieser bezirklichen Angebote. Nicht viel besser sieht es bei den bezirkseigenen Kinder- und Jugendeinrichtungen aus: Nur gut ein Drittel der Häuser ist rollstuhlgerecht, bei einem weiteren Viertel ist zumindest ein Teilbereich auch für Rollstuhlfahrer zugänglich. Das geht aus den Antworten auf zwei kleine Anfragen der Grünen Bezirksverordneten Catrin Fabricius hervor.

„Probleme haben wir vor allem bei den Gebäuden, die uns selbst gehören“, sagt Pankows Kulturstadtrat Torsten Kühne (CDU). Die Pläne, was getan werden müsse, lägen in der Schublade. Doch mal wieder fehle das Geld. „Wir versuchen, Fördertöpfe anzuzapfen – beim Kulturareal Thälmann-Park wurde etwa aktuell Geld aus dem Programm Stadtumbau Ost beantragt“, erklärt der Stadtrat. Aus der eigenen Tasche könne der Bezirk jedoch keine Umbauten bezahlen.

 

Eine Stufe macht den Unterschied

 

Dabei ist es nicht nur der Theaterbesuch, der Menschen mit Rollstuhl oder Rollator im Bezirk schwer gemacht wird. „Ob Arztpraxis, Kino oder Tante-Emma-Laden, Barrierefreiheit ist oft nicht gegeben“, sagt Doris Kelm vom Berliner Zentrum für selbstbestimmtes Leben behinderter Menschen (BZSL), einem Selbsthilfeverein mit Sitz in der Prenzlauer Allee. Ob die Lage in Pankow schlechter sei als in anderen Bezirken, mag sie aber nicht beantworten. Dafür erzählt sie von den Bemühungen des Vereins, den Mauerpark als Anlaufstelle für junge Menschen barrierefrei zu gestalten. Denn ein paar kleine Stufen, die man als Fußgänger kaum wahrnimmt, sind für Rollstuhlfahrer schon ein Ausschlusskriterium. „Aber das haben wir nicht durchbekommen“, meint Kelm.

Wie es im Kiez wirklich aussieht, lässt sich auf Wheelmap gut nachvollziehen – eine Karte im Internet, auf der jeder rollstuhlgerechte Orte eintragen kann. Jeder rote Punkt steht für ein hippes Café, eine Bar oder ein Geschäft, in dem Stufen den Weg versperren – und es gibt ziemlich viele rote Punkte. Allerdings ist der Vorteil von Wheelmap, dass man als Rollstuhlfahrer schon vorher im Internet checken kann, ob eine Kneipe als Treffpunkt in Frage kommt oder nicht. Dann bleibt aber noch der Weg dahin. Und auch da gibt es in Pankow durchaus noch Verbesserungsbedarf.

„Es gibt im Bezirk komplette Häuserblöcke, die für Rollstuhlfahrer nicht zu passieren sind“, meint Johannes Kraft, Vorsitzender der CDU-Fraktion in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Mal fehlen Absenkungen bei Bordsteinen, mal sind die Gehwegplatten völlig kaputt. Seine Fraktion hat nun einen Antrag gestellt, dass zumindest an den intensiv genutzten Straßen und Kreuzungen der Verbesserungsbedarf kartiert wird. „Derzeit reagiert der Bezirk nur auf Beschwerden. Wenn wir wissen, wo die Mängel liegen, können wir selbst Prioritäten setzen“, meint Kraft. Bei seiner nächsten Sitzung wird der Verkehrsausschuss über den Antrag abstimmen.

 

Rollstuhlgerechter Prenzlauer Berg

 

Eine derartige Untätigkeit will Jens-Holger Kirchner nicht auf sich sitzen lassen. Zwar sieht Pankows grüner Stadtrat für Stadtentwicklung durchaus noch Verbesserungsbedarf bei der Barrierefreiheit. Allerdings sei da in den vergangenen Jahren schon viel passiert. „Die U-Bahnhöfe haben Aufzüge und die neuen Tramhaltestellen wie etwa in der Pappelallee haben abgesenkte Bordsteine bekommen“, sagt er. In den Sanierungsgebieten sei zudem bei Arbeiten an Gehwegen immer auf Barrierefreiheit geachtet worden. Gleiches gelte, wenn etwa aufgrund einer Havarie die Straße eh aufgerissen werden müsse. „In vier Fünftel des Bezirks haben wir in einer Datenbank den Bedarf erfasst.“ Nur in Prenzlauer Berg sei darauf verzichtet worden, weil dort im Zuge der Sanierung die Lage viel besser sei als im Rest des Bezirks.

„Die Stadt ist nicht für Rollstuhlfahrer gebaut worden. Aber wir arbeiten systematisch daran, die Lage zu verbessern“, meint Kirchner. Allerdings sei es mit dem Absenken von Bürgersteigen nicht getan – auch an Menschen mit Sehschwäche oder geistiger Behinderung müsste gedacht werden. „Barrierefreiheit ist nicht bloß rollstuhlgerecht“, sagt Kirchner. Auch das habe der Bezirk auf dem Schirm – wenn auch das Geld fehle, alles auf einmal zu verbessern.

 

 

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