Einst war das Planetarium im Thälmann-Park ein Renommier-Objekt der DDR-Führung. Seitdem sind 25 Jahre ins Land gegangen, doch unter dem Sternenhimmel blieb die Zeit stehen.
Die Vorhalle des Planetariums gehört an diesem Vormittag allein der Putzfrau. Geschäftig rennt die Dame mit Eimer und Wischmopp bewaffnet von einer Ecke zur anderen und sorgt dafür, dass der Fußboden strahlt. Früher, als der Komplex an der Prenzlauer Allee mit Kino, Restaurant und Klubräumen noch als Kulturzentrum für den Kiez diente, hätte sie nicht so freie Bahn gehabt. Doch mitterweile hat das Zeiss-Großplanetarium, das vor 25 Jahren anlässlich des 750-Jahr-Feier Berlins errichtet wurde, viel von seinem alten Glanz und damit auch seiner Anziehungskraft für Besucher eingebüßt. Wenn abends keine Veranstaltung ansteht, und auch keine Schulklasse angesagt ist, bleiben seine Räume leer. Nun soll eine Sanierung es zurück auf den alten Erfolgspfad bringen.
Felix Lühning sitzt in seinem kargen Büro, das tief in den Eingeweiden des großen Baus verborgen im ersten Stock liegt. Seit drei Jahren ist er Abteilungsleiter für Astronomie beim Deutschen Technikmuseum, als dessen Außenstelle das Planetarium seit zehn Jahren firmiert. „Technisch betrachtet ist es mittlerweile ein Museum im Museum“, meint er. In einem Vierteljahrhundert ohne Erneuerungen habe sich ein Sanierungsstau von über zwölf Millionen Euro angehäuft. „Man könnte sagen, dass vom einst modernsten Planetarium Deutschlands nur noch das Skelett übrig geblieben ist.“
Erich Honecker eröffnete persönlich
Bei seiner Eröffnung im Oktober 1987 war das Haus noch der Stolz der DDR-Führung. Die SED-Parteispitze nebst Erich Honecker ließ es sich nicht nehmen, persönlich das neue Kulturangebot für den gerade frisch aus dem Boden eines ehemaligen Gaswerks gestampften Ernst-Thälmann-Park zu eröffnen. Hätte sich die DDR die Sache mit dem Zusammenbruch drei Jahre früher überlegt, stände heute an der Prenzlauer Allee vermutlich nur ein weiterer Supermark. Doch das kleine Land, in dem naturwissenschaftliche Bildung einen hohen Stellenwert hatte und Astronomie sogar Schulfach war, fand, dass zu einer neuen Wohnsiedlung für 4000 Menschen neben Schulen und Krippen auch ein Planetarium als Infrastruktur gehören sollte.
Was folgte, war eine kurze Phase des großen Erfolgs. Schnell waren die gezeigten Shows bis auf Monate ausgebucht – schließlich konnte man hier bis zu den Sternen reisen, während man vor der Tür nur bis zur Bornholmer Straße kam. Doch mit der Wende begannen die Probleme. Denn im wiedervereinigten Berlin hatte man plötzlich nicht nur diverse Verwaltungseinrichtungen doppelt, sondern auch ein Planetarium. Viele Jahre war nicht ganz klar, ob neben dem Planetarium am Insulaner in Steglitz das Zeiss-Großplanetarium in Prenzlauer Berg überhaupt erhalten bleiben sollte sollte. „Erst 2002 wurde es offiziell als Außenstandort des Deutschen Technikmuseums zugeordnet und sein Erhalt gesichert“, erzählt Lühning. Abgesehen von dieser organisatorischen Feinheit änderte sich im Haus aber erstmal nichts.
Wenn Lühning heute durch sein Planetarium wandert, begibt er sich damit auch auf eine Zeitreise. Sein Rechenzentrum zieren Platinen, deren Größe heutzutage reine Platzverschwendung ist. Bei seinen altersbeigen Computern, mit denen der Ablauf der verschiedenen astronomischen Shows gesteuert wird, läuft ohne den Informationsträger Diskette gar nichts. Und während andere Planetarien längst multimediale Programme aus der digitalen Konserve abspielen, herrscht Lühning über ein bombastisches Archiv an Dias. Von den Bergen an Geschirr, made in GDR, die als Altlasten des Restaurant-Betriebs im Keller lagern, ganz zu schweigen. Wenn der Leiter um sich herum nicht ein engagiertes Team geschart hätte, das teilweise schon seit der Eröffnung im Planetarium arbeitet, liefe hier längst nichts mehr.
Laser überblenden die Altersschwäche
Doch auch wenn es angesichts der historischen Ausrüstung nicht so klingt: Der Betrieb geht weiter. Meist Freitagabends und am Wochenende laufen die Vorführungen und Themenabende, die sich mit dem Sternenhimmel im Wandel der Jahreszeiten beschäftigen, eine Reise durch die Welt der Planeten antreten oder das Universum auf seine Musikalität überprüfen. Auch für Kinder wird regelmäßig Programm angeboten. Lühning und seine Mitarbeiter geben sich dabei größte Mühe, damit man der Anlage ihre Altersschwäche nicht anmerkt: Vom Sternenprojektor über Laser und Dias bis hin zur Musik werden alle Register gezogen. „Bei aufwendigen Shows werden innerhalb von 45 Minuten bis zu 2000 Dias gezeigt“, so der Leiter. Da vergisst man als Zuschauer leicht, dass auf den abgeschabten blauen Sessel im Vorführungssaal schon Erich Honecker saß.
Dennoch lassen sich gewissen Probleme nicht verleugnen. Denn während die schöne große Kuppel als Leinwand derzeit nur mit dem Sternenprojektor oder einer Kombination aus Dias komplett zu füllen ist, zeigen andere Planetarien längst kuppelfüllende Filme. Aus diesem Grund sei derzeit der Austausch von Shows mit anderen Häusern kaum möglich, so Lühning. Alles, was an der Prenzlauer Allee präsentiert werden soll, muss extra für die Anlage dort konzipiert werden. Die Veranstaltungen werden somit erzwungener Maßen zu Langläufern.
Zudem macht das der Sternenprojektor als Herzstück des Planetariums langsam schlapp. Noch vermag der dreieinhalb Tonnen schwere Koloss an die Kuppel zu projizieren, wie der Sternenhimmel zu den unterschiedlichen Jahreszeiten und aus der Perspektive verschiedener Kontinente aussieht. Doch die Ersatzteile für das Gerät, das auch locker als Requisite für einen Film über iranische Atomphysiker durchgehen würde, werden knapp. Von den zwei riesigen Lampen, die es für den Betrieb braucht, sind nur noch zwölf Exemplare auf Lager. Hergestellt werden sie längst nicht mehr. Darüber hinaus wird es zunehmend zum Problem, dass der Projektor vor über 25 Jahren in Jena und damit in einer Mangelwirtschaft hergestellt wurde. Was damals improvisiert wurde, ist heute ständig kaputt. „Zum Glück sind einige meiner Mitarbeiter schon seit 25 Jahren dabei, die kennen jedes Zahnrad persönlich“, sagt Lühning. Doch langsam stoßen auch sie an ihre Grenzen.
Das Haus braucht mehr als neue Technik
Die Sanierung des Planetariums, für die das Land 12,5 Millionen Euro bereit gestellt hat, kommt somit in letzter Minute. Im kommenden Jahr soll es endlich losgehen. „Etwa die Hälfte des Geldes werden wir für die neue Technik brauchen“, meint Lühning. Die Kataloge für einen neuen Sternenprojektor liegen längst auf seinem Schreibtisch. Ob es am Ende des Tages auch für Feinheiten wie etwa die Erneuerung des eigenen Tonstudios reichen wird, über das das Haus derzeit noch verfügt, wird sich zeigen. Viel wichtiger sei aber, dass der Senat sich im Klaren darüber sein müsse, dass es mit der technischen Sanierung nicht getan sei, erklärt der Leiter: „Wir brauchen auch das entsprechende Personal, wenn wir die neuen Möglichkeiten auch voll ausschöpfen wollen.“
Von den einst über 80 Mitarbeitern, die das Planetarium bei seiner Eröffnung zählte, sind heute noch sechseinhalb Stellen übrig. Der Personalkahlschlag, der in Berlin in allen öffentlichen Einrichtungen mit den nötigen Einsparungen einher ging, hat auch die kulturellen Angebote nicht verschont. Jedoch hat das Land wenig davon, wenn im Planetarium bald kuppelfüllende Filme gezeigt werden können, aber die kreativen Köpfe fehlen, diese auch herzustellen. Zumal auch die Alternative, der Einkauf moderner Shows, teuer ist: Bis zu 1,8 Millionen Dollar werden für eine Dreiviertelstunde Programm fällig. Mindestens ein Jahr lang werden die Sanierungsarbeiten am Haus dauern. Ausreichend Zeit, sich auch Gedanken darüber zu machen, wie es konzeptionell weitergehen soll.
Vom Rande des Universums zum Kiez-Zentrum
Felix Lühning hat da schon einige Ideen. Wenn es nach ihm geht, soll das Planetarium unter der Woche und tagsüber nicht mehr allein der Putzfrau vorbehalten sein, sondern an alte Zeiten mit mehr Durchgangsbetrieb anschließen. „Mit dauerhaften Angeboten im Foyer würde ich gerne auch die Laufkundschaft abfangen“, erzählt er. Im Planetarium in Kopenhagen habe zum Beispiel Lego eine große Vitrine mit einer Marslandschaft gesponsert, durch die Kinder ferngesteuerte Mars-Rover fahren lassen könnten. Etwas Ähnliches könne er sich auch in Berlin vorstellen. Auch den Cafébetrieb möchte Lühning gerne ausweiten, vielleicht einen Biergarten anlegen. „Dafür müssten wir uns allerdings mit dem Bezirk einigen, weil dem Planetarium selbst nur der Boden gehört, auf dem es steht.“ Das Haus soll wieder Anschluss finden an sein Umfeld, so sein Plan. Dass er die neue Gastronomie gerne „Café am Ende des Universums“ nennen möchte, ist da kein Widerspruch.
Zunächst gilt es jetzt aber erstmal, das 25-jährige Jubiläum angemessen zu begehen. Eine Woche Sonderprogramm soll es im Oktober geben; derzeit wird schon an einer Jubiläums-Show gebastelt. Die soll dann mit der alten Technik noch ein wenig laufen, bis Mitte 2013 für die Sanierung die Tore erstmal vollständig geschlossen werden. Den alten Sternenprojektor möchte Lühning nach der Neueröffnung im Foyer ausstellen. Den Rest der Einrichtung kann er direkt an seine Kollegen vom Technikmuseum weiterreichen, oder auf dem Mauerparkflohmarkt anbieten. Original-Stühle aus einem Vorzeige-Objekt der DDR lassen sich dort sicher hervorragend verticken, und ein bisschen zusätzliches Geld kann dem Planetarium in Zukunft sicher nicht schaden.
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