Vattenfall hat mit der Verlegung der Fernwärmeleitungen in der Stargarder Straße begonnen. Gewerbetreibende fühlen sich zu spät informiert und fürchten um ihre Existenz.
Fein aufgestapelt liegen die großen Röhren schon in der Dunckerstraße bereit. Fernwärme sollen sie in die Häuser der Stargarder Straße bringen, nur unter die Erde müssen sie dafür noch gebracht werden. Bis Januar will Vattenfall sich dafür von der Prenzlauer Allee bis zur Schönhauser Allee vorangraben.
„Wir wussten von nichts, informiert hat uns niemand“, sagt Steven Villwock, Geschäftsführer des „Café Lila“, vor dem die Bauarbeiten bereits begonnen haben. „Erst gab es nur ein Parkverbot, dann kamen die Bauarbeiter, seitdem ist unser Umsatz um bis zu 40 Prozent eingebrochen.“ Das kleine Café mache sich natürlich Sorgen um seine Zukunft. „Und wenn ich jetzt aus dem Fenster sehen, ist die Baustelle gerade mal wieder völlig verwaist.“
Die Gewerbetreibenden der Stargarder Straße sind aufgebracht: Zehn Monate wird ihre Straße zur Baustelle, und darüber informiert wurden sie ein paar Tage zuvor per Wurfsendung, die nicht einmal alle Anwohner erreichte.
„Ich habe mein Geschäft hier seit sieben Jahren und erlebe die vierte Baustelle vor meiner Tür“, sagt Marco Hinze, der in seinem Laden „3 Star“ Möbel und Lampen verkauft. Um seinen Umsatz mache er sich zwar keine Sorgen – die Berliner seien schließlich gewöhnt, dass überall immer wieder gebaut werde. „Aber man fragt sich natürlich schon, warum solche Arbeiten nicht besser koordiniert werden.“
Kirchner: Netze sind alt und marode und müssen ausgetauscht werden
Beim Bezirksamt stößt er mit solchen Vorwürfen auf Verständnis. „Natürlich ist es für die Gewerbetreibenden nicht erfreulich, dass so viel gebaut wird, und wir bemühen uns auch, fällige Arbeiten miteinander zu verbinden“, sagt der Stadtrat für öffentliche Ordnung, Jens-Holger Kirchner (Bündnis 90/Die Grünen). Nur seien die Netze nun mal an vielen Stellen marode und müssten ausgetauscht werden, Fernwärmeanschlüsse fehlten. Die Wasserbetriebe und Vattenfall hätten da in den nächsten Jahren noch einiges vor. „Die harten Winter der letzten Jahre verschärfen die Situation noch, da sie das Zeitfenster verkleinern, in dem der Boden nicht gefroren ist und gebaut werden kann.“
Im aktuellen Fall sieht jedoch auch Kirchner Anlass zur Kritik. So habe Vattenfall bereits 2008 angemeldet, dass man im Jahr darauf mit der Verlegung der Fernwärmeleitungen beginnen wolle, und habe den Termin dann immer wieder verschoben. „Als wir im vergangenen Jahr die Straße aufgerissen haben, um die Gehwegvorstreckungen zu bauen, wussten wir noch nicht, dass Vattenfall sein Vorhaben nun wirklich angehen würde.“ So sei es zu den Arbeiten an der Straße in zwei aufeinander folgenden Jahren gekommen.
Auch die Tatsache, dass die Anwohner so kurzfristig informiert wurden, hält Kirchner für problematisch. „Wir haben Vattenfall bereits mehrfach abgemahnt, dass sie vier Wochen im Voraus Bescheid geben sollten“, meint der Stadtrat. Es gebe jedoch keine rechtliche Vorgabe, nach der man das sicher einfordern könne. „Diese Netze gehören zur Daseinsvorsorge, da muss man, etwa im Falle eines Wasserrohrbruchs, sofort handeln können.“
Jedes Jahr bekommen in Berlin bis zu 30.000 Haushalte Fernwärme
Für Vattenfall ist die Baustelle in der Stargarder Straße nur eine von vielen in Berlin. „Jeder Jahr schließen wir in der Stadt 20.000 bis 30.000 Wohneinheiten ans Fernwärmenetz an“, sagt Sprecher Hannes Stefan Hönemann. Seitdem im vergangenen Sommer vor dem Planetarium in der Prenzlauer Allee die Arbeiten begonnen hätten, sei den Prenzlauer Bergern doch klar gewesen, dass weitere Baumaßnahmen folgen würden. „Konkret informieren konnten wir die Anwohner dann erst, als die Genehmigung vorlag.“
Etwa eine Millionen Euro kostet das Verlegen der Fernwärmeleitungen entlang der Stargarder Straße laut Hönemann. Im Laufe der kommenden zehn Monate werde man sich von der Prenzlauer Allee bis zur Schönhauser Allee vorarbeiten, inklusive einer Untertunnelung der Pappelallee, um dort den Tram-Verkehr nicht zu behindern. „Ob wir darüber hinaus noch weitere Verzweigungen in die Seitenstraßen verlegen, hängt von der Nachfrage dort ab. Die Gespräche dazu führen wir gerade.“
Verena Siegels Laden für Geschenkartikel heißt „Bizzi“ und liegt am Ende dieser Bauroute. „Für mich ziehen sich die Arbeiten vor der Tür vermutlich noch bis zum Weihnachtsgeschäft“, meint sie. Dabei werde es auch so immer schwieriger für die vielen kleinen Geschäfte der Straße, nicht zuletzt auch durch die Einführung der Parkraumbewirtschaftung. Wenn man im Kiez flanieren wolle, und in der Stargarder werde gerade gebaut, nehme man halt einfach eine andere Straße. „Für uns Gewerbetreibende ist das fatal.“