Der Bezirk betreibt den Club „Friteim“ in der Sonnenburger Straße. Der soll jetzt zum zentralen Berliner Treffpunkt für Queer-Jugendliche werden. Eine Idee: Die Geschlechtertrennung auf dem Klo überwinden.
Die Idee ist seit einem Jahr auf dem Markt: Berlin braucht ein „queeres Jugendzentrum“. Gemeint ist damit ein Jugendclub, der sich speziell an schwule, lesbische, bi-, trans- und intersexuelle (nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnende) Jugendliche richtet. Eine entsprechende Petition wurde mit mäßigem Erfolg auf den Weg gebracht, Anfragen im Abgeordnetenhaus gestellt, und jüngst wurde im Nachbarbezirk Friedrichshain-Kreuzberg beschlossen, dass man das queere Zentrum haben möchte. Doch nun scheint Prenzlauer Berg das Rennen zu machen: Denn alles deutet darauf hin, dass im kommenden Frühling das Berliner Queer-Zentrum in der Sonnenburger Straße eröffnet. Der Bezirk soll dafür seinen Jugendclub „Friteim“, der dort jetzt noch residiert, an einen Queer-Verein abgeben. So sollen Kosten gespart werden.
Der Club „Friteim“ ist am Dienstag Thema im Jugendhilfeausschuss der Bezirksverordnetenversammlung, die Unterlagen liegen vor. Die Ausschussmitglieder sollen demnach darüber informiert werden, dass bei den vom Bezirk finanzierten Jugendeinrichtungen eine „aufgabenkritische Betrachtung“ vonnöten sei, es müsse Personal gespart werden. Im Blick ist dabei das „Friteim“, hier sind drei vollzeitäquivalenteStellen angesiedelt. Um den Club nicht schließen zu müssen, will das Amt ihn gerne an einen anderen Träger übergeben, der nicht auf bezirkliche Zuschüsse angewiesen ist. Und offenbar ist man sich dabei mit dem Verein lambda::bb einig geworden.
Lambda wurde 1990 am Runden Tisch der Jugend in der ehemaligen DDR gegründet, und ist nach eigenen Angaben mit 800 Mitgliedern „der einzige Jugendverband von und für schwule, lesbische, bi-, trans-, inter- und queere (LSBTIQ) Jugendliche in Berlin und Brandenburg“. Seinen Sitz hat der Verein in Kreuzberg, Ziel ist es, LSBTIQ-Jugendlichen einen „diskriminierungsfreien Raum“ zu bieten. Teil des Konzepts für das queere Zentrum in der Sonnenburger Straße ist unter anderem auch, die Geschlechtertrennung bei den Toiletten aufzuheben. „All Gender welcome“ soll das Motto sein.
Mehr Personal als bisher
Die Geschäftsführerin von Lambda ist für ein Gespräch wegen Urlaubs nicht zu erreichen – die Pläne des Vereins für das „queere Zentrum“ sind den Ausschussunterlagen allerdings beigelegt. Der Finanzplan sieht vor, dass die Senatsverwaltung für Integration und jene für Jugend insgesamt 60.000 Euro jährlich zusteuern – bei der Senatsverwaltung für Bildung allerdings erklärte ein Sprecher auf Anfrage, es gebe keine Förderzusage. Weitere 30.000 Euro kämen laut Konzept von der Initiative Sexuelle Vielfalt, einem Programm des Landes Berlin. 5.500 Euro würde Lambda selbst beisteuern, aus Spenden und Einnahmen aus einem in das Haus integriertem Café. Der Bezirk würde seine Immobilie kostenlos zur Verfügung stellen. Lambda könnte somit einen Geschäftsführer, drei Projektreferenten und drei Honorarkräfte einstellen – das wäre eine deutliche Verbesserung der Personalsituation im Vergleich zum jetzigen Stand im Friteim.
Dass mehr Personal auch mehr Jugendliche erreicht, ist dabei allerdings fraglich. Zwar will der Bezirk laut Beschlussentwurf im Nutzungsvertrag darauf bestehen, dass der neue Club „ausdrücklich allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, unabhängig von Ihrer sexuellen Orientierung, offensteht“ und „neben der verbandlichen Jugendarbeit wenigstens an zwei Wochentagen jeweils 6 Stunden offene Jugendarbeit anzubieten“ ist. Die avisierten Angebote der künftigen Mitarbeiter richtet sich aber, auch sie sind im Entwurf dargelegt, größtenteils an LSBTIQ-Jugendliche. Zum Beispiel soll hier eine Outing-Beratung angeboten werden.
Kündigung für „Friteim“ spätestens im September
Zwar würde in der besten aller Welten wohl ein Queer-Zentrum Anlaufzentrum für alle Jugendliche im Gleim-Kiez sein – allerdings ist gegenwärtig wohl eher davon auszugehen, dass nicht wenige der Gäste, die bisher das Friteim besuchen, mit einem Jugendarbeitskonzept fremdeln, dass das Wort „Herren“ konsequent in Anführungsstriche setzt. Ein Club, der alle Jugendliche im Kiez anspricht, wird damit kaum entstehen; trotzdem zieht sich der Bezirk im Gegenzug ein Stück weiter aus der Jugendarbeit im Gleimviertel zurück. Nach der Abgabe des Friteims wird die Verwaltung in ganz Prenzlauer Berg noch fünf Einrichtungen unterhalten.
Die für das Jugendamt zuständige Stadträtin Christine Keil (Linke) erklärt auf Anfrage, dass „wir den Vorschlag wir ja nicht ganz freiwillig machen“, und verweist auf die Geldnot im Amt. „Mit der Übertragung müssen wir keine Einrichtung schließen und wir erhalten ein neues Angebot für einen lebendigen, vielfältigen Bezirk. Unsere Anforderung an Lambda ist, zusätzlich zur verbandlichen Arbeit offene Jugendarbeit ausdrücklich für alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu leisten. Wir wollen eine inklusive Jugendeinrichtung mit dem Träger entwickeln.“
Der Übertragung des Friteims an Lambda müssen nun zunächst der Jugendhilfeausschuss und dann die Bezirksverordnetenversammlung zustimmen. Im kommenden März soll, so steht es im Konzept, das queere Zentrum eröffnen. Dem Friteim müsste dafür bis Ende September der Mietvertrag gekündigt werden.
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