Im Gleimkiez gibt’s Möbel satt, Anwohner entsorgen den Schrott illegal auf Fußwegen. Die BSR und das Ordnungsamt zu informieren, bringt wenig, zeigt die Erfahrung eines Lesers.
Wege, überflüssiges Gehölz aus der Wohnung zu bekommen, gibt es einige. Effektiv kann eine Anzeige bei Ebay-Kleinanzeigen sein. Anfänger bieten es kostenlos an, was verheerend ist. Was nichts kostet, kann nichts wert sein, das weiß inzwischen auch die letzte Studenten-WG. Auch Möbelspende kann gut funktionieren, allerdings werden die da auch immer fordernder. Und noch ein dritter Tipp: Möbel auf die Straße stellen ist voll assi. Sperrmüll raus bringen ergibt nämlich nur Sinn, wenn gerade Sperrmüllabfuhr ist. Ansonsten sieht es dann aus wie gelegentlich im Gleimviertel, wo sich Regale, Kühlschränke, Matratzen und andere Wertstoffe den Platz auf den Bürgersteigen mit den Passanten teilen. Die ärgern sich, und manch einer beschwert sich gar. Allein: Es ändert offenbar nichts.
Das jedenfalls legt eine aufgebrachte Mail eines Lesers nahe. Der lieber ungenannt bleibende Anwohner schickte Bilder von in Einzelteile zerlegten Schränken, Mikrowellen, Kühlschränken, erschreckend widerlichen Sofateilen, einem Regal, einem Einkaufswagen und von einem Weiß-kein-Mensch. Alles Aufnahmen, wie er dann im Gespräch berichtet, die ihm im Zuge eines gewöhnlichen Spaziergangs durch Gleim- und Gaudystraße gelungen seien. „Das eskaliert hier gerade völlig“, sagt der Mann. Er meint die Müllsituation in seinem Kiez, für die sich offenbar keiner zuständig fühle.
Die Sperrmüll-Spirale kommt in Gang
Vor zwei Monaten, berichtet der Mann, habe er sich wegen des Mülls an die Berliner Stadtreinigung (BSR) gewandt, eine sinnlos auf der Straße liegende Matratze meldete er per Online-Formular. In der Antwort wies ein BSR-ler völlig zutreffend darauf hin, dass man Zeug in einem der 15 BSR-Reyclinghöfe entsorgen kann, was durchaus einleuchtet, handelte es sich um den eigenen Müll. Außerdem schrieb die BSR noch dies: „Die Beseitigung illegaler Ablagerungen gehört nicht zum Umfang der Straßenreinigung und ist kein Bestandteil der Straßenreinigungsentgelte.“ Man könne nur aktiv werden, wenn die Ordnungsämter der Bezirke entsprechendes veranlassen.
Der Mann, sagt er, wandte sich also an die Beschwerdestelle des Bezirksamtes Pankow, und durchaus nahm man dort den Hinweis freundlich auf. Auch beim zweiten und dritten Mal. „Geschehen ist dann aber nicht viel“, außer, dass auf den Straßen immer neue Möbelstücke hinzukamen. An dieser grundsätzlichen Dynamik habe sich bis heute nichts geändert, wie es nun in der jüngsten Mail des Lesers ans Bezirksamts heißt. „Erst liegt da eine Matratze, am nächsten Tag ist schon ein Regal dabei, bald auch ein paar alte Bretter, und am Ende noch ein Beutel mit Hausmüll“, schreibt er. „Müllhaufen auf den Gehwegen sind für Bürger mit wackeligem Rechtsbewusstsein eine faktische Legalisierung, um sich spontan ihres Abfalls zu entledigen.“ Ursächlich seien einerseits die Müllverursacher, aber eben auch eine Verwaltung, die Beschwerden über das Problem zwar vorbildlich verwalte, aber unfähig sei, etwas zu unternehmen. Außer aufmerksame Bürger zur Recherche aufzufordern, welche Hausnummern den konkret betroffen seien.
Viele Müll-Sünder rufen selbst die BSR
Torsten Kühne (CDU), Bezirksstadtrat und zuständig für das Ordnungsamt, will die Vorwürfe so nicht hinnehmen. Ja, sagt er auf Anfrage, sein Ordnungsamt wisse um die Müllproblematik im Gleimkiez, von einer Eskalation könne man aber nicht sprechen. Das Bezirksamt habe die BSR vor einem Monat beauftragt, den Müll abzuholen, in der Regel finde dann auch eine Entsorgung „innerhalb weniger Werktage statt“, so Kühne. Es bestehe „seit Jahren eine außerordentlich gute Zusammenarbeit zwischen dem Ordnungsamt und der BSR, die bei besonderen Beschwerdelagen auch sehr kurzfristig reagiert.“ Auf Nachfrage erklärte der Leser, dass bis jetzt erst an fünf von elf gemeldeten Stellen entsorgt worden sei. „Es ist mir schleierhaft, wie die Abholungen geplant werden. Es handelt sich hier ja um eine Straße und nicht um eine ganze Stadt.“
Dass die BSR nicht auf Hinweise von Anwohnern tätig werde, erklärt Stadtrat Kühne, sei unter anderem in einem Umstand begründet, der – um Himmels Willen! – nicht als Tipp zu verstehen ist, wie man sich seines Mülls auch entledigen kann. So berichtet Kühne, dass es „leider auch Mitbürger zu geben scheint, die ihren Müll auf die Straße stellen und dann eine Meldung über illegale Müllablagerungen abgeben, um den Müll zügig auf Kosten der Allgemeinheit entsorgen zu lassen“. Der einzige Weg, dem entgegen zu wirken, sei eine Personalaufstockung im Ordnungsamt, so Kühnes Forderung.
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