Gewalt gegen Knöllchenschreiber

von Thomas Trappe 22. August 2013

In Prenzlauer Berg werden immer mehr Parkraumüberwacher tätlich angegriffen, einer wurde kürzlich zweimal überfahren. Zudem zeichnet sich ab, dass die Überwachung sich derzeit nicht rechnet.

Der Mann riskierte für die Überführung eines Parksünders sein Leben. Zwei Mal, und nur mit Glück kam er mit einer mehrwöchigen Krankschreibung davon. Tatort Danziger Straße, vergangene Woche. Dem Mitarbeiter der Parkraumüberwachung des Bezirks fällt eine Vignette im Auto eines Anwohners auf, und zwar deshalb, weil sie gefälscht zu sein scheint. Er spricht den Halter des Fahrzeugs an, dieser will sich aber nicht äußern und steigt ins Auto. Als der Mann vom Bezirksamt ihn am Wegfahren hindern will, schert er sich nicht drum. Der Kontrolleur landet auf der Motorhaube, kann sich aber wieder aufrichten. Vorbei ist dann aber immer noch nicht: Ein zweites Mal wird er von dem Auto erfasst, der Fahrer fährt davon. Das Opfer kommt ins Krankenhaus, und ist jetzt für mehrere Wochen krank geschrieben.

„Die Zahl der tätlichen Übergriffe steigt deutlich“, sagt der für das Ordnungsamt und die Parkraumbewirtschaftung zuständige Stadtrat Torsten Kühne (CDU) – der zweifach überfahrene Mitarbeiter ist nur ein Vorfall in der vergangenen Woche. Zu berichten wäre da außerdem von einem Parkraumüberwacher, dem in der Schönhauser ins Gesicht geschlagen wurde, und einem anderen, den ein Fahrradfahrer in den Rücken trat. Eine Woche der Gewalt, die zwar den Rahmen des Üblichen sprengte, so Kühne, aber auch keine krasse Ausnahme darstellt. Es gebe seit Jahren einen Trend zur Aggressivität gegen Mitarbeiter der öffentlichen Verwaltung im Außendienst, seien es Lebensmittelkontrolleure oder Ordnungsamtsmitarbeiter. Besonders betroffen scheinen aber die Kollegen von der Parkraumbewirtschaftung zu sein. „Die sind meist unmittelbar greifbar“, sagt Kühne. Sein Amt will nun Maßnahmen ergreifen, um die Mitarbeiter zu schützen.

 

800.000 Euro Defizit

 

Auf Initiative des Personalrats im Bezirksamt, berichtet der Stadtrat, habe man sich dazu entschlossen, künftig Parkraumbewirtschafter nicht mehr alleine in den Dienst zu schicken, sondern nur noch zu zweit. Die Angestellten wären dann Übergriffen nicht mehr allzu ausgeliefert. „Der Schutz der Mitarbeiter muss Vorrang haben“, sagt Kühne, auch wenn darunter die Effizienz der Kontrollen leiden könnte. Die körperlichen Attacken, „von den verbalen Übergriffen gar nicht zu sprechen“, führten inzwischen zu einem Motivationstief unter den Kontrolleuren, verbunden mit einer hohen Fluktuation im Personalstand. Wer könne, wechsle in andere Verwaltungseinheiten, zumal die Parkraumbewirtschafter in der niedrigsten Besoldungsstufe angesiedelt seien.

Rund 150 Mitarbeiter kümmern sich in Prenzlauer Berg um die Parkraumbewirtschaftung, zuletzt wurden die Parkzonen im Sommer dieses Jahres ausgeweitet und mehr Personal eingestellt. Die zunehmende Gewalt ist ein Problem, ein anderes ist im Bezirk aber ein genauso drängendes: Die Parkraumbewirtschaftung bringt offenbar nicht genug Geld in die Kassen. Sich abzeichnende erhebliche Defizite gegenüber den geplanten Einnahmen für dieses Jahr sind derzeit Thema im Amt und im Verkehrsausschuss der Bezirksverordnetenversammlung. Laut Stadtrat Kühne liegt man derzeit 800.000 Euro unter der Marke, die bis jetzt hätte erreicht werden sollen. Sechs Millionen Euro sind das Jahresziel. 

 

Bewohner sprechen von der „Parkraumstasi“

 

Sinkende Motivation bei den Kontrolleuren könnte eine von vielen Ursachen für den Rückgang der Einnahmen sein, sagt Kühne. Außerdem habe der außergewöhnlich harte Winter dafür gesorgt, dass weniger Knöllchen verteilt werden konnten – dafür müssten oft erst Autoscheiben vom Eis befreit werden, und außerdem seien weniger Autofahrer auf den glatten Straßen unterwegs. Zudem sei der Krankenstand etwas gestiegen, zum einen durch eine Grippewelle im Winter, zum zweiten, weil viele Angestellte in diesem Jahr unbefristete Verträge bekommen hätten, „was die Krankschreibungen nun mal erfahrungsgemäß ansteigen lässt“, so Kühne. 

Wolfram Kempe (Linke), Vorsitzender des Verkehrsausschusses, würde ebenfalls gerne wissen, woher die Defizite aus der Parkraumbewirtschaftung kommen, „vor allem, weil sie der Bezirk ja fest als Ausgaben eingeplant hat, was sowieso äußerst fragwürdig ist“. Kempe verweist darauf, dass eine funktionierende Bewirtschaftung auf regelmäßige Kontrollen angewiesen sei, „alle zwei Stunden sollte jede Straße abgegangen werden“. Stichproben zeigten, dass diese Frequenz  vielerorts nichts gegeben sei. Was die Ursachen für mangelnde Kontrollen sind, „wurde bisher von der Verwaltung nicht schlüssig dargelegt“, meint Kempe. Am Personalmangel liegt es nach seiner Ansicht nicht. Auch Stadtrat Kühne sieht das so. Manche Anwohner sprächen schon von der „Parkraumstasi“ – „ein Indiz für zu lasche Kontrollen ist das nicht gerade“.

 

 

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