Da steht ein Kühlschrank auf der Straße: Nicht für den Sperrmüll, sondern zum Befüllen. Mit Lebensmitteln, die sonst im Müll gelandet wären. Zugreifen darf jeder. An drei Stellen in Prenzlauer Berg.
Es nagt an einem dieses schlechte Gewissen, wenn man weiß: Die zwei Kilo Äpfel im Sonderangebot schaffe ich doch nicht schnell genug zu essen. Oder das frische Baguette von der Party landet morgen im Müll, weil die ganze Familie auf Reisen geht. Wie gut wäre ein Ort, an dem die Lebensmittel deponiert werden können. Und dann statt in der Mülltonne in den Mägen anderer Menschen landen.
Jeder darf zugreifen – ob bedürftig oder nicht
Diesen Ort gibt es. Und das gleich drei Mal in Prenzlauer Berg. In der Dunckerstraße, in der Malmöer Straße und seit neuestem in der Senefelder Straße stehen öffentlich zugängliche Kühlschränke und Schränke. Dort hinein können all jene ihre Lebensmittel legen, die sie sonst wegschmeißen würden. Verschimmeltes und Vergammeltes ist tabu, aber das versteht sich ja von selbst.
Und wer Bedarf an Essbaren hat, darf zugreifen. Ob er bedürftig ist oder einfach gerade Lust auf eine Birne hat. Egal. Es geht nicht in erster Linie darum, Geld zu sparen, sondern darum, Lebensmittel zu retten und der Verschwendung vorzubeugen.
An drei Orten in Prenzlauer Berg stehen sogenannte Fair-Teiler: Kühlschränke und Schränke, in die Ehrenamtliche Lebensmittel legen, die sonst weggeschmissen worden wären. Quelle: www.foodsharing.de
Tanja Raab fährt mit dem Rad vor, auf dem Gepäckträger eine alte Weinkiste voller Äpfel, Pflaumen, Paprika und Kohlrabi. Am Lenker hängen große Tüten. Darin noch mehr frisches Obst und Gemüse: rote Möhren, Salat, Rucola und Fenchel. Die Sachen hat sie gerade von einem Bioladen abgeholt.
Raab ist Foodsaverin. So nennen sich Ehrenamtliche, die über die Foodsharing-Gemeinschaft das Retten von Lebensmitteln professionalisiert haben. Sie fährt meistens abends zu Supermärkten und Bäckereien und holt die Lebensmittel ab, die übrig geblieben sind oder in der Tonne landen würden.
Das ist vorher abgesprochen und wer von den Freiwilligen wann wohin geht, regelt ein strikter Zeitplan. Auch eine Einführung in das Foodsaving – und sharing ist vorgeschrieben. „Für mich ist das ein wichtiger Beitrag in unserer Gesellschaft“, sagt Raab.
Zu klein, zu grün oder eine neue Lieferung
Der neueste FairTeiler – so heißen die Schränke und Kühlschränke im öffentlichen Raum – steht vor dem MachMit-Kindermuseum in der Senefelder Straße. Auf Engagement der Mitarbeiterin Sina Maatsch, die selbst ehrenamtlich Foodsaverin ist. Die 27-Jährige ist überrascht, wie gut die neue Lebensmittel-Verteil-Station schon nach wenigen Tagen angenommen wurde. „Oft kommt nachmittags Nachschub und wenn ich Feierabend habe, ist schon viel wieder weg.“ Meistens nimmt sie sich selbst noch etwas mit auf dem Nachhauseweg.
Und was ist nun dran an den Paprikaschoten, Salatköpfen und Pflaumen, dass sie aussortiert wurden? Raab weiß es auch nicht und beißt in einen Apfel. „Da sehe ich kein Problem. Vielleicht ist er zu grün oder zu klein und war deshalb Ladenhüter. Oder es ist schlicht eine neue Lieferung gekommen und die alte musste Platz machen.“ Die Supermärkte und Bäckereien seien jedenfalls oft froh, wenn Foodsaver die Ware abholten.