Veranstaltungshalle, Tonstudio, Kneipe und Museum, das alles plant Jens Reule für die alte Schneider-Brauerei. Klingt nach Berlin der 1990er, dabei steht die Gentrifizierung längst vor der Tür.
Sein Büro in einer alten Brauerei zu haben hat viele Vorteile. Etwa, dass man seinen Oldtimer gleich in der Eingangshalle parken kann, und das Klavier, das Fahrrad und das historische Röntgengerät auch. Zumindest hat Jens Reule es so gemacht. Seit 16 Jahren betreibt der Toningenieur seine Ufo Sound Studios in der ehemaligen Schneider-Brauerei, die im Hinterhof versteckt zwischen Greifswalder Straße und Am Friedrichshain liegt. 2006 hat er das alte Gebäude dann gekauft, um es zur Medien-Brauerei auszubauen – mit Tonstudio, Live-Recording-Halle und Museum. Für letzteres ist auch ein Großteil der historischen Gegenstände gedacht. Dass sie noch sorgsam gestapelt gleich hinter der Eingangstür links liegen, ist ein Zeichen, dass Reule noch einen weiten Weg vor sich hat.
Wie all die anderen Brauereien der einstigen Bierhochburg Prenzlauer Berg stammt auch die Schneider-Brauerei aus dem 19. Jahrhundert. Im angrenzenden Schweizer Garten konnte das dort gebraute Lagerbier gleich verkostet werden. Zudem gehörte noch ein kleiner Vergnügungspark zur Anlage, die nach der Zerstörung der Brauerei im zweiten Weltkrieg ihren Betrieb einstellen musste. Auf dem Gelände des ehemaligen Biergartens stehen heute weiße Townhouses, und auch der südliche Teil des Brauereigebäudes ist mittlerweile saniert und zu Lofts umgebaut.
Außen Ruine, innen Zentralheizung
Nur der Bereich, der Reule gehört, sieht von außen immer noch aus wie eine Ruine: Der Giebel ist eingestürzt, der einst gelbe Backstein von einer grauen Patina überdeckt. Erst wenn man durch das schwere brauen Eisentor ins Innere tritt, erkennt man, dass es doch nicht durch die Decke regnet und der Wind durch die Fenster pfeifft. Statt dessen wird ordentlich geheizt im großen Hauptraum, der mit provisorischen Wänden in Eingangsbereich, Büros und Tonstudio eingeteilt ist. „Das Dach ist längst abgedichtet, und seit letztem Jahr haben wir auch endlich die Genehmigung für weitere Umbauten“, erklärt Reule. Allerdings sei sein Ziel eben nicht die völlige Instandsetzung und Rekonstruktion. „Denkmalschutz bedeutet für mich nicht, die Spuren der Geschichte wegzusanieren, sondern auch sie zu erhalten.“
2500 Quadratmeter Gebäudefläche und noch einmal 3000 als Hoffläche ist die Anlage insgesamt groß. Derzeit wird überall gewerkelt; bald schon soll die Veranstaltungshalle fertig sein, in der Konzerte live mitgeschnitten werden können. Einwände, dass ein solches Vorhaben im mittlerweile Lärm-empfindlichen Prenzlauer Berg vielleicht auch Probleme mit sich bringen könnte, beantwortet Reule routiniert mit „Ich erhalte hier das kreative Berlin, damit es nicht völlig zu einer reinen Wohnstadt verkommt.“
Das ist Reules Mission: Er will das Berlin der 1990er Jahre bewahren, als in leeren Industriebauten statt Lofts noch improvisierte Kulturzentren entstanden. Seine neuen Nachbarn in den teuren Neubauten empfindet er als spießig, den Prenzlauer Berg längst nicht mehr so spannend wie früher einmal. „Die Kleinstadt, vor der ich geflohen bin, hat mich eingeholt.“ Statt aufzugeben und wegzuziehen hat er sich aber in den Kopf gesetzt, einen Gegenpol zu bilden. „Ich finde es wichtig, Kunst und Kultur auch im Stadtzentrum zu erhalten. Auch wenn im Konflikt mit der aktuell betriebenen Politik der Verdichtung steht“, meint er.
Neubau versus Denkmalschutz
Dieser Konflikt hat Reule gemeinsam mit einem Nachbarn zuletzt sogar vor Gericht getrieben. Auf der rechten Seite der Zufahrt zur Brauerei von der Greifswalder Straße aus, wo heute ein Parkplatz ist, würde ein Investor gerne ein fünfgeschossiges Wohnhaus errichten. Der Bezirk hatte den Bau bereits genehmigt, doch das Verwaltungsgericht hat ihn im vergangenen Jahr nach Reules Klage aus Gründen des Denkmalschutzes vorerst gestoppt. „Ein Neubau würde nicht nur die Sichtachse auf die Brauerei von der Greifswalder Straße aus zerstören, sondern auch den historischen Eiskeller auf dem Gelände“, meint er. Der Bezirk wiederum hat Beschwerde eingelegt. Die endgültige Entscheidung vom Oberverwaltungsgericht steht noch aus.
Unbeeindruckt davon gehen die Arbeiter an der Schneider-Brauerei weiter. Auf dem flachen Dach zwischen den verbliebenen Giebel-Pfeilern würde Reule gerne eine Bar einrichten. In den Kellergewöblen, in denen heute noch Feldbetten und fluoriszierende Wände von der Nutzung als Bunker zeugen, soll das Museum entstehen. Schon heute werden dort Führungen angeboten. Und auch der Bürotrakt mit seinen improvisierten Wänden soll umgestaltet werden. Wie viel das kostet? Wann alles fertig sein soll? Da zuckt Reule nur mit den Schultern. Er hat zwar große Pläne, aber eilig hat er es nicht.
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