Und was machst Du so? In unserer Interview-Reihe schauen wir den Arbeitern der Gegenwart kurz über die Schulter. Heute Ingo Wuntke, Möbel-Gestalter in seinem Atelier „Stilgut“ im Pfefferberg.
Nichts bleibt, wie es war, schon gar nicht in Berlin und erst Recht nicht in Prenzlauer Berg. Es wird gebaut, gezimmert, abgerissen und verputzt, gebastelt, geplant und verworfen, was das Zeug hält. Und es wird auch gebacken, repariert, gedrechselt, poliert, geschrieben, gelötet, geschweißt und geschnippelt. Eine Momentaufnahme über den Arbeitsstand der Dinge.
Heute mit Ingo Wuntke, 44, Möbelgestalter in seinem Atelier „Stilgut“ im Kunsthaus Meinblau, Pfefferberg
Woran arbeiten Sie gerade?
Das ist ein alter Chippendale Sessel, den ich geschenkt bekommen habe und der mir total am Herzen liegt. Ich habe ihn komplett entkernt und will ihn jetzt umgestalten. Meine Idee ist, den Sessel mit einem Buchregal zu kombinieren. Von vorne soll er dann wie ein Chippendale Sessel aussehen: wuchtig, kaffeebraunes Leder, dicke Polster. Aber an den Außenseiten will ich ein kleines Buchregal integrieren, so dass man nur über die Lehne zum Buch greifen muss. Mein Konzept ist, alte Möbel zu recyclen und in einen neuen Zustand zu bringen. Dahinter steckt der Gedanke, etwas Neues zu schaffen, aber gleichzeitig nachhaltig zu arbeiten. Manchmal finde ich die Stücke, an denen ich arbeite einfach auf der Straße oder sonstwo, wie zum Beispiel den alten Holzsessel, den ich bei einer Party auf einem Dach in Friedrichshain gefunden hatte.
Und für wen machen Sie das?
Der Käufer ist noch unbekannt. Ich verkaufe meine Möbel immer wieder auf dem Öko-Markt am Kollwitzplatz, oder die Käufer werden über meine Internetseite auf mich aufmerksam. Nebenbei übernehme ich aber auch ganz normale Polsteraufträge. Hier steht zum Beispiel ein Sofa, dass in einer neuen Farbe bezogen werden soll, weil die Besitzer umgezogen sind.
Und wann soll der Sessel fertig sein?
Ich denke, neben den anderen Aufträgen brauche ich für den Chippendale-Sessel circa drei Wochen.
Irgendwelche Schwierigkeiten?
Also der Sessel war im Grunde total fertig, deswegen musst ich ihn auch komplett entkernen. Jetzt muss ich das Gestell etwas umarbeiten, um Sessel und Buchregal kombinieren zu können. Wie ich das genau mache, weiß ich noch nicht, aber da mache ich mir eigentlich keine Sorgen, das entwickelt sich schon mit der Zeit.
Worüber freuen Sie sich am meisten, wenn es fertig ist?
Wenn ich ein Stück fertig bearbeitet haben, ist es für mich das Schönste, wenn ich die Früchte meiner Arbeit direkt sehen kann. Mir fällt es oft auch total schwer, mich dann von einem Stück wieder zu trennen, sie wachsen einem irgendwie ans Herz.
KURZBIOGRAPHIE: Ingo Wuntke, Jahrgang 1968, ist geborener Neuköllner. Hier in Berlin hat er auch seine Ausbildung zum Raumausstatter und Polsterer gemacht. Anschließend hat er angefangen, Agrarwissenschaften zu studieren. Er wollte dazu beitragen, die Welt zu verbessern, hat dann aber gemerkt, dass er dafür eigentlich schon alle Fertigkeiten hat. Seitdem liegt sein Schwerpunkt darauf, alten Möbeln eine neue Funktion zu geben. Recycling mit anschließender Metamorphose, nennt er es. Er hat aber auch schon eigene Möbelstücke entworfen. Den „Faulenzer“ zum Beispiel oder „Kojak“ ein Sitzsack, in den man endlich mal nicht so weit einsinkt, dass man die Knie direkt unterm Kinn hat.
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