Das Karree zwischen Sredzkistraße/Kollwitzplatz, Rykestraße und Wasserturm ist die Kuchen-Ecke von Prenzlauer Berg. Die Stimmung zwischen Patisseuren, Konditoren und Chocolatiers ist eher zartbitter.
Die Kursteilnehmerin zeigte großes Interesse. Espresso-Tropfen mit Knusper-Perlen, aha. Waldperle-Holunderblüten-Kakaobohne, so geht das also. Passionsfrucht-Safran-Praline – interessant.
Patissier Guido Fuhrmann, 40, Inhaber der Werkstatt der Süße in der Husemannstraße, veranstaltet regelmäßig Kurse. Hier bekommen interessierte Bürger samstags für 90 Euro Teilnahmegebühr Einblicke in die traditionelle Herstellung edler Pralinés und Gebäck aus Valrhona-Kuvertüre. Die genauen Rezepturen verrät Fuhrmann nicht. Eindrücke über Kreationen der Werkstatt der Süße bekommt man schon.
Von denen, so zeigt sich, konnte die besagte Kursteilnehmerin nicht genug erfahren. „Die kenn ich irgendwo her“, schwante es Fuhrmann. Dann die Erkenntnis: Die benachbarte Albrechts Patisserie hatte ihm, so glaubte er, eine „Kuchen-Spionin“ vorbei geschickt.
Konkurrenz gibt es, aber man spuckt sich nicht in den Teig
„Eine meiner Mitarbeiterinnen hat einmal privat und ohne mir vorher davon zu erzählen bei einem Kurs der Werkstatt der Süße mitgemacht, weil sie sich dafür interessiert“, erklärt Albrechts-Chefin Stephanie Albrecht. „Während des Kurses hat sie dann erzählt, wo sie arbeitet, weil über andere Patisserien in Berlin geredet wurde. Und da wollte sie nicht einfach schweigend zuhören und ausspionieren, was man in der Werkstatt der Süße von uns hält.“
Fuhrmann, ehemaliger Pastry Chef des Ritz-Carlton Hotel Berlin, nimmt das mit Interesse zur Kenntnis. „Normalerweise spucken wir uns nicht in den Teig. Aber Konkurrenz lässt sich eben nicht verleugnen.“ Denn unweit des Kollwitzplatzes ballt sich das Dolce-Vita-Business. Allein Albrechts unterhält neben dem Café eine Kuchenverkaufsstelle und ein paar Schritte weiter die Patisserie, neben der wiederum ein Schokoladenladen aufragt. Rund um die klassischen Groß-Cafés Sowohl als auch und Anna Blume an der Ecke Sredzkistraße/Kollwitzstraße, in denen sonntags Familienväter um schaumleichte Orangen-Schoko-Mousse-Würfel oder Opéra-Schnitten anstehen, siedelten sich diverse Patisserien und Chocolatiers an.
„So klein und sooo teuer?“
Ihr Sortiment zielt auf ästhetische Bedürfnisse wohlhabender junger Mitbürger, die der Schwiegermutter statt Schwarzwälderkirsch lieber designte Schoko-Dome, Nu-Ki-Törtchen, Éclairs, Himbeer-Tarte oder Erdbeer-Tiramisu kredenzen. Diese verpacken Albrechts-Chefin Stephanie Albrecht und Guido Fuhrmann gern in zickigen Schachteln, so dass der Eindruck entsteht, man hätte alles eben in einer Pariser Art-Deco-Patisserie erstanden.
„So klein und sooo teuer?“ Guido Fuhrmann kennt das. „Soll ja nicht für jeden Tag sein. Da geht doch sonst der Reiz verloren“. Das Waldheidelbeer-Ganash darf schon was kosten. Drei kräftige Happen, 3,40 Euro verfuttert. Fuhrmann hält sich prüfend ein Stückchen Tiramisu unter die Nase. Für Neues ist er offen, aber die Schokoladen-Senf-Bergkäse-Kreationen, mit denen die Firma Zotter wirbt, gehen ihm dann doch zu weit. Tasmanischer Teufelspfeffer darf es aber schon mal sein.
Aromen und Geschmacksverstärker sind verpönt
Stephanie Albrecht, die französische Konditoreikunst in der Pâtisserie de Montmartre und in der Boulangerie Pâtisserie Dossemont in Paris kennenlernte, mag es auch lieber klassisch. Fertigmischungen, Aromen und Geschmacksverstärker sind im Süßen Eck von Prenzlauer Berg ohnehin verpönt.
Was Werkstatt der Süße und Albrechts Patisserie wirklich unterscheidet, ist das Geschäftsprinzip. Während sich Fuhrmann mit seinem „coolen kleenen Laden“ zufriedengibt, setzt Albrecht mit ihren Filialen auf Expansion. Angst vor einem Verdrängungswettbewerb hat sie nicht. „Ich habe es noch nie an den Umsätzen gemerkt, wenn eine andere Konditorei, Kuchenmanufaktur oder Patisserie aufgemacht hat. Ich sehe nur ab und zu, wenn ein Laden auch wieder dicht macht. Wettbewerb ist gut und gibt uns immer wieder Ansporn, an uns zu arbeiten und hoffentlich besser zu werden.“
Beim Marketing verlassen sich Albrechts und Werkstatt der Süße auf Mund-zu-Mund-Propaganda. Wenn es irgendwo etwas Gutes gibt, spricht sich das im dicht besiedelten Prenzlauer Berg schnell rum.
Für Missklänge sorgte bei Fuhrmann allerdings eine Marketing-Aktion von Chocolate Style. Das Berliner Start-up-Unternehmen – Spezialität: beschriftete Schokolade – bietet seine Kreationen seit Juni nicht mehr nur im Internet, sondern auch in einem kleinen Laden an. Der befindet sich, wie könnte es anders sein, im „Süßen Eck“. Genauer gesagt in der Husemannstraße, schräg gegenüber der Werkstatt der Süße. „Die haben nicht mal Hallo gesagt“, klagt Guido Fuhrmann, während er gerade ein Schokomoussetörtchen mit Heidelbeer-Streusel-Überzug vollendet. Statt dessen schalteten sie eine Anzeige für Chocolate Styl“ im Bewertungsportal Qype – die verzierte eine Zeit lang zum Ärger von Guido Fuhrmann den Eintrag der Werkstatt der Süße. „Sonderbare Begrüßung“, findet der Torten-Mann.