Bäckermeister backen nicht auf

von Ute Zauft 20. September 2011

Nirgendwo sonst in Berlin gibt es so viele Bäcker, die noch selbst Hand an ihre Brote legen. Künstlich aufgeblasen wird hier nichts, und die Schrippen liegen kompakt in der Hand. 

UPDATE 21.1.2016: Die Bäckerei Siebert in der Schönfließer Straße, die (auch koschere) Bäckerei Kädtler in der Danziger Straße und Beumer & Lutum mit zwei Filialen in der Hufeland- und der Winsstraße sind im Rahmen der Grünen Woche mit der  „Goldenen Brezel“  ausgezeichnet worden. Mit diesem Qualitätszertifikat werden „meistergeführte Innungsbetriebe“ geehrt, die unter anderem eine traditionelle Herstellung garantieren. Sprich: Noch selbst backen. 

Bei zwei der ausgezeichneten Prenzlauer Berger Bäcker waren wir vor einiger Zeit schon einmal zu Besuch. Wir haben den Beitrag und die Liste aller Bäcker, die hier noch selbst backen, aktualisiert. 

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Samstag Morgen in der Schönfließer Straße: Die Schlange vor der Bäckerei Siebert reicht fast bis zur nächsten Straßenecke. Geduldiges Warten, manche kennen sich und nutzen die Zeit für einen Plausch. „Wo bleiben die Schrippen?“, ruft eine der Verkäuferinnen im engen Laden Richtung Backstube. Dort ist zu diesem Zeitpunkt schon wieder etwas Ruhe eingekehrt. Seit Mitternacht haben die Bäcker hier rund 10.000 Brötchen auf die Bleche geknallt und in den Ofen schoben.

Lars Siebert ist blass – Zeichen des nächtlichen Arbeitens – aber gut gelaunt. Er führt die Bäckerei in vierter Generation. „Mein Urgroßvater kommt aus Schönfließ, und als hier in der Schönfließer Straße die ersten Mietshäuser gebaut wurden, sagte er sich: Hier will ich bleiben, das erinnert mich an zu Hause.“ 1906 war das, seitdem hat der Familienbetrieb seinen Standort nicht gewechselt und Lars Siebert erhebt damit den Anspruch, die älteste Bäckerei Berlins zu sein. „Sogar kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges, als hier vor der Haustür Straßenkämpfe tobten, wurde weiter verkauft“, erzählt der Bäckermeister. Aus Angst vor Querschlägern allerdings über das vergitterte Fenster zum Hinterhof. „Da passten dann nur halbe Brote durch.“

Zeit statt Backtriebmittel

Backen ist Handwerk, das allerdings längst nicht mehr von allen betrieben wird, die Brötchen oder Brote über ihre Theke reichen. ‚Selbst backende Bäcker‘ sind diejenigen etwas umständlich zu nennen, die am frühen Morgen in der eigenen Backstube stehen und sich über den Teig für ihre Brötchen, Brote und Kuchen beugen. Drei Stunden ruht bei Lars Siebert der Teig für die Brötchen, der Brotteig wird schon am Tag zuvor angesetzt. Kompakt liegt die 50-Gramm-Schrippe in der Hand, künstlich aufgeblasen wurde hier nichts. ‚Bräunungstudios‘ nennen Back-Insider dagegen etwas abfällig diejenigen Backwarenanbieter, die in ihre Öfen einfach vorgebackene Brötchen schieben.

„Wir wissen, was drin ist“, sagt Lars Siebert und lässt eine Horde frischer Schrippen vom Blech in die Kiste prasseln. Und das sei im Grunde eben Mehl, Wasser und Salz. Seine Brote kommen ohne Zusätze, wie Farb- oder Konservierungsstoffe, Emulgatoren oder sonstiges aus. Und sein Erfolg beruht darauf, dass die Kunden ihm vertrauen. Prenzlauer Berg sei im Vergleich zu anderen Bezirken Berlins relativ gut aufgestellt, sagt er. „Hier gibt es rund 15 backende Bäcker, wir sind damit der stärkste Kiez. In ganz Berlin sind es rund 150.“

Koschere Brötchen ziehen auch Veganer an

Auch bei Stefan Kädtler kommt nichts in Brot, Brötchen oder Kuchen, was da nicht unbedingt rein muss.  Zugleich setzt der 42-Jährige auf Innovation, neueste Entwicklung aus seiner Backstube in der Danziger Straße: die Johannisbeer-Quarktasche. „Wenn ich eine neue Idee habe, kommt eine Art Prototyp in den Laden und bleibt nur im Sortiment, wenn er auch angenommen wird“, so der 42-Jährige Bäckermeister. 60 Kuchensorten sind so über die Jahre  zusammengekommen, die natürlich nicht immer alle gleichzeitig im Angebot sind. „Je nach Saison!“  Dazu kommen rund 20 Brotsorten, und pro Tag gehen bei ihm rund 2.500 Brötchen über den Ladentisch.

Kädtlers Spezialgebiet sind allerdings koschere Brötchen, Brote und Kuchen. Das heißt : Alle Brötchen und Brote sind unter Verzicht auf nicht natürliche Inhaltsstoffe, Quellmehle und Rohstoffe tierischen Ursprungs gebacken, mit Ausnahme von Eiern. 2001 war einer der Rabbiner der jüdischen Gemeinde zu Berlin auf ihn zugekommen, weil in Berlin seit 1945 keine koscheren Brötchen mehr gebacken wurden. Seitdem wird die Bäckerei einmal im Jahr als koscher lizensiert und dreimal in der Woche der Backprozess kontrolliert. Das Besondere: Alle koscheren Waren, bei denen auch auf Eier verzichtet wird, sind auch für Veganer geeignet, also all diejenigen, die aus ethischen Gründen auf jegliche tierische Produkte verzichten wollen. „Bei rund fünfzig Prozent unserer Kuchen kommen wir ohne Eier und Milch aus.“ Das hat sich inzwischen rumgesprochen: Einmal im Jahr verschickt Stefan Kädtler seinen veganen Christstollen sogar nach Südafrika.

 

Hier wird nicht nachgebräunt, sondern frisch gebacken (Ergänzungen bitte an: redaktion@prenzlauerberg-nachrichten.de):

Backanstalt Berlin, Schivelbeinerstr. 48

Bekarei, Dunckerstr. 23

Bäckerei Beumer & Lutum, Hufelandstr. 9 und Winsstr. 34

Bäckerei Blank, Kuglerstr. 100

Bäckerei Hacker, Stargarder Str. 69

Bäckerei Kädtler, Danziger Str. 135

Konditorei Krautzig, Schönhauser Allee 126

Bäckerei Kroll, Kuglerstr. 65

Bäckerei Lau, Pasteurstr. 32

Manufacture Délicate, Rykestr. 7

Bäckerei Ralf Rajemann, Pappelallee 85

Bäckerei Siebert, Schönfließer Str. 12

Bäckerei Wolfgang Werner junior, Greifswalder Str. 225

Bäckerei Zessin, Zionskirchstr. 52

 (Stand: Januar 2016)

 

Hinweis: Dieser Artikel erschien zuerst 2011. Wir haben ihn überarbeitet und aktualisiert. Mitarbeit: Kristina Auer. 

 

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