Verschleppungstaktik und wenig fachliche Kompetenz, das waren die Vorwürfe, denen sich der Pankower Stadtrat Michail Nelken bei der Tagung der Bezirksverordnetenversammlung am gestrigen Mittwoch stellen musste.
Michail Nelken hatte gestern keinen guten Tag. Nicht nur vor seinen anderen Stadtrats-Kollegen und der gesamten Bezirksverordnetenversammlung (BVV), auch „vor der versammelten Weltpresse“, wie er selbst spöttisch meinte, wurde ihm eine Missbilligung ausgesprochen. Mit 31 Ja-, 14 Nein-Stimmen und 5 Enthaltungen beschloss die BVV einen entsprechenden Antrag der SPD-Fraktion.
Anlass für die Missbilligung war die Lage der Jugendkulturangebote wie der Murkelbühne oder der Klangschmiede, die bislang noch im Eliashof in der Senefelder Straße untergebracht sind. Da dort im Sommer eine neue Grundschule sowie die Musikschule eingezogen sind, wurde den Einrichtungen zum Ende des Jahres gekündigt – mit der Zusage des Bezirksamtes, sie bei der Suche nach einem neuen Standort im Prenzlauer Berg zu unterstützen.
„Seit Ende 2008 beschäftigen wir uns mit dem Thema, doch bis heute ist kein Ersatzstandort gefunden“, sagte Sabine Röhrbein von der SPD-Fraktion. Statt dessen habe Nelken ein Problem nach dem anderen vorgetragen, aber nie Lösungsvorschläge. „Die Gemengelage ist sicher nicht einfach, aber zwei Jahre des Zögerns und Zauderns schaden dem Bezirk“.
Im Juli 2009 hatte sich die SPD-Fraktion noch enthalten, als die Grünen eine Missbilligung Nelkens beantragt hatte, da er sich geweigert habe, einen Haushalt aufzustellen. „Das sollte ein Wink für den Bezirksstadtrat sein, doch diesen hat er offensichtlich nicht verstanden“, meinte Röhrbein. Vielmehr hätten sich weiterhin unsachgemäße Maßnahmen und Fehleinschätzungen durch die zum Verantwortungsbereich des Bezirksstadtrats gehörenden Abteilungen gehäuft. „Die Lage im Eliashof ist nun der Tropfen, der das Fass zum überlaufen bringt.“
Noch deutlicher wurde Grünen-Politikerin Stefanie Remlinger, als sie Nelken als Totengräber der Kultur in Pankow bezeichnete. „Es ist die letzte Sitzung der BVV in diesem Jahr, und wir haben nicht einmal mehr eine Vorlage zur Murkelbühne, über die wir verfügen könnten“, sagte sie. „Herr Nelken, sie sind akut versetzungsgefährdet.“
Diesen Vorwürfen setzte der Bezirksstadtrat eine etwas holprige Verteidigungsrede entgegen. „Unser Immobilienbestand ist beschränkt, und wir haben alle Möglichkeiten durchgespielt, um den Wünschen der Kultureinrichtungen nachzukommen.“ Es seien halt immer wieder neue Probleme aufgetaucht, um deren Lösung er sich stets bemüht habe. So habe er etwa bewusst die ehemalige Musikschule in der Pappelallee der Murkelbühne als Ausweichquartier abgeboten, obwohl diese eigentlich abgerissen werden sollte. „Aber warum sollte man ein Gebäude abreißen, wenn wir Räume brauchen?“, so Nelken. „Ich habe das bewusst gemacht. Dafür können sie mich missbilligen.“
Eine Aufforderung, der die BVV dann auch nachkam. Außer einem Imageschaden hat diese Rüge jedoch keine Folgen für den Stadtrat.
Doch der Gegenwind kam an diesem Abend nicht nur von der SPD und den Grünen. Auch die eigene Partei lockte Nelken mit einer mündlichen Anfrage zum Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts zum Neubau an der Kollwitzstraße 42 aus der Reserve. Dieses hatte eine durch den Bezirk erteilte Baugenehmigung für Quer- und Seitenflügel des Gebäudes für illegal erklärt, da die bisherige Freifläche stadtplanerische Bedeutung habe und nicht einfach zugebaut werden könne.
„Das Gericht hat keine Versäumnisse des Verfahrens gerügt, also haben wir uns nichts vorzuwerfen“, meinte Nelken. Zwar müsse sich das Bezirksamt nun mit seiner Genehmigungspraxis auseinandersetzten. „Aber was das konkret zur Folge hat, müssen wir in Ruhe ausdiskutieren.“
Zudem habe die Entscheidung des Gerichts nicht, wie fälschlich berichtet, einen sofortigen Rückbau zur Folge. „Es bedeutet lediglich, dass der Bauherr derzeit nicht weiterbauen darf, da es Zweifel am rechtlichen Bestand der Baugenehmigung gibt.“ Diesen Widerspruch gelte es nun zu klären. „Das wird ein langer Prozess, bis sich entscheidet, ob ein Rückbau überhaupt erforderlich ist.“
Über vier Stunden tagte die BBV am Mittwochabend, nicht zuletzt aufgrund der ausführlichen Diskussion um die Missbilligung Nelkens. Dennoch konnten nicht alle Punkte der fünf Seiten langen Tagesordnung abgearbeitet werden, sodass der letzten Sitzung in diesem Jahr in zwei Wochen noch eine allerletzte folgen wird.