Freikirchler veranstalten auf dem Kollwitzplatz mit Kindern Bibelkunde. Die Eltern wissen nichts davon.
Die Kinder sind äußerst begeistert. Jede Woche gibt es eine andere Leckerei, und einiges an Spielzeug. Inzwischen hat es sich herumgesprochen bei den Grundschülern vom Kollwitzplatz, bei der jüngsten Veranstaltung waren dann auch entsprechend viele da. Nur: Die Eltern finden das wahrscheinlich gar nicht gut. Sie wissen nämlich nichts von den Veranstaltungen, schon gar nicht, dass dort ein freikirchlicher Verein Bibelkunde veranstaltet.
Eine Leserin, Mutter zweier Kinder, wandte sich nun an die Redaktion. Sie bekam vor wenigen Tagen mit, dass ihr neunjähriger Sohn seit neuestem regelmäßig auf dem Kollwitzplatz Kontakt zu Männern und Frauen hat, die dem Lichtblick e.V. angehören, einer nach eigener Auskunft evangelischen Freikirche. Angesprochen wurden die Kinder laut der Mutter auf dem Abenteuerspielplatz, sie bekamen von als Tomaten und Orangen verkleideten Christen Flyer in die Hand gedrückt.
Als der Sohn das Flugblatt mit nach Hause brachte, machte die Ankündigung, dass es jeden Mittwoch halb fünf für Kinder ein Fest mit Bibelgeschichten und Spielzeug gebe, die Mutter hellhörig. Und als sie dann las, dass Teilnehmern auf dem Blatt Schokolade und Spielzeug versprochen wurde, fragte sie beim Sohn nach. Und erfuhr, dass er außerdem gebeten wurde, seine Adresse anzugeben.
Alle Kinder wissen Bescheid
Die Mutter, sie möchte ihren Namen lieber nicht in der Zeitung lesen, findet das „alles sehr suspekt“. Auch ein Besuch auf dem Spielplatz brachte ihr keine Beruhigung. Vielmehr erfuhr sie, dass fast alle Spielkameraden ihres Sohnes von den regelmäßigen Bibelstunden und vor allem der Schokoladenquelle wissen. „Aber sämtliche Eltern, mit denen ich gesprochen habe, sind nicht informiert“. Die Mutter habe daraufhin die Mitglieder des Lichtblick e.V. zur Rede gestellt. Und erfahren, dass die Namensangaben ja freiwillig seien. „Freiwilligkeit ist aber nun nicht unbedingt ein relevantes Kriterium bei Kindern“, meint die Mutter.
Den Grund für die Schokoladenschenkungen erfuhr sie nicht. „Sollte es soziale Gründe geben, würde man nicht am Kollwitzplatz verteilen. Hier gibt es sicher viel, aber keinen Schokoladenmangel.“ Die Mutter ist sich deshalb sicher: „Da wird missioniert.“
Laut der Selbstdarstellung von Lichtblick e.V. richtet sich der Verein vor allem an Kinder aus sozialen Brennpunkten, denen neue Perspektiven eröffnet werden sollen, christliche, wie sich leicht erahnen lässt. Josef Prenninger ist der Vorsitzende des Vereins. Er bestätigt auf Anfrage, dass es Adressabfragen bei den Kindern gibt, betont aber ebenfalls die Freiwilligkeit. Es ginge dabei alleine darum, organisatorische Erleichterungen zu schaffen. Soll heißen: Die Kinder sollen schriftlich von den kommenden Lichtblick-Veranstaltungen informiert werden. „Den Eltern wollen wir damit die zeitliche Koordination erleichtern.“ Die Schokolade sei im Übrigen ein „kleines Dankeschön für die Kinder“.
Prenninger erklärte zudem, dass die regelmäßigen Kinderfeste beim Ordnungsamt angemeldet seien, genauso äußerten sich die Vereinsmitglieder gegenüber der Mutter. Beim Pankower Ordnungsamt hört sich das anders an. Dessen Leiter Wolfram Blaffert sagt, „meines Wissens nach ist nichts dergleichen genehmigt“. Er rät der Mutter und anderen besorgten Eltern, sich an das Ordnungsamt zu wenden.
Missionierer wie „Pilze aus dem Boden“
Die Leserin fand jetzt erst mal woanders Informationen: Bei der Leitstelle für Sektenfragen der Senatsverwaltung für Bildung. Dort gibt die Pressestelle zwar keine offizielle Auskunft – doch die Mutter erhielt per Brief vor wenigen Tagen eine eindeutige Antwort. Am Kollwitzplatz gehe es offensichtlich um Missionierung, das Verfahren erinnere an das anderer evangelikaler Gemeinschaften, schrieb ihr ein Experte. Vor allem im Ostteil der Stadt schössen in letzter Zeit evangelikale Missionierer „wie Pilze aus dem Boden“. Grundsätzlich sei aber das religiöse Werben zulässig.
Die Mutter will sich jetzt umhören, wie die anderen Eltern zu den Aktionen von Lichtblick stehen. Und sich dann gegebenenfalls beim Ordnungsamt beschweren.
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