Die Ausstellung „d‘accord“ in der Neonchocolate Gallery will nicht andächtig bestaunt, sondern bei Musik und Flaschenbier gefeiert werden.
Ein brodelnder Quell der Kreativität, ein El Dorado für Galeristen, geniale Nachwuchstalente und forsche Kunstmäzene – das alles ist die Kunstszene in Prenzlauer Berg derzeit mit Sicherheit nicht. Die ernstzunehmenden Galerien im Kiez lassen sich an einer Hand abzählen, und jeder, der schon vor dem Abschluss seines letzten Einjahresvertrags hier wohnte, weiß, dass das mal anders war.
Reflexhaftes Gejammer hilft da wenig, eine neue Galerie zu eröffnen schon eher. Oliver Thoben und Uwe Neu haben das vor rund anderthalb Jahren gemacht, seither gibt es die Neonchocolate Gallery in der Lychener Straße 23. Lückenbüßer, so könnte man ihre Galerie böswillig nennen; einsam auf weiter Flur, fast konkurrenzlos buhlen sie um die Überbleibsel einer ehemals lebendigen Szene. Doch die riesige Menschentraube, die sich an Samstagabenden während der Vernissagen oft auf dem Bürgersteig vor der Galerie bildet, zeugt von der ungeheuren Anziehungskraft, die der Lückenbüßer auf die Überbleibsel ausübt. All diese gut gelaunten, originell gekleideten Menschen können doch nicht irren – oder sind sie etwa nur hier, weil nichts anderes mehr da ist?
Kunstwerke zum Anfassen
Drinnen gibt es ein DJ-Pult, eine Bar und Kunstwerke, die man auch mal anfassen darf; die Künstler stehen unprätentiös herum und trinken ihr Bier aus der Flasche. „D‘accord“ heißt die aktuelle Gemeinschaftsausstellung von 13 jungen Künstlern aus dem In- und Ausland. Kuratiert wurde sie vom Kreuzberger Künstlerduo „44flavours“ alias Julio Rölle und Sebastian Bagge. Ein kleiner Film auf www.neonchocolate.de vermittelt einen groben Eindruck davon, wie es bei der Vernissage war. Und wie denkbar unterschiedlich die hier gezeigten Medien, Stile und Arbeitsweisen sind: Von klassisch anmutenden Ölgemälden über Typografie und Fotografie bis hin zu Graphik-Design und Installationen.
Die UdK-Studentin Emeli Theander aus Schweden etwa malt gespenstische Freaks in Öl auf Leinwand, die Holzinstallationen von Clemens Behr sehen wie Origamischmetterlinge aus. Die Künstlergruppe G117 aus Halle zeigt Videos und übermalte Fotos zweier Männer, die sich als kopulierende Schweinchen verkleidet haben. Eine winzige Plastikskulptur von Sebastian Haslauer ist nach einem alten, ortstypischen Wortwitz benannt: „Parentslauer Berg.“ Eine rote Mini-Rutsche ist da zu sehen und ein paar lustige Fliegenpilzchen auf einem Hügel in Quietschfarben, eine Glasglocke schirmt das mit Hilfe von Ü-Ei-Spielzeugteilen gefertigte Plastikidyll gegen den Rest der Welt ab. Wie vielsagend.
Freunde, Kollegen, Nachbarn
Ästhetisch gibt es zwar keinen zwingenden Grund, all diese Arbeiten gemeinsam auszustellen. Doch die Ausstellung heißt „d‘accord“ – also „einverstanden“ –, weil sich trotz der eklektischen Zusammenstellung ein gemeinsamer Nenner fand: „Die Schnittmenge der verschiedenen Positionen sind wir“, sagt Kurator Rölle. Die beteiligten Künstler seien ganz einfach Freunde, Kollegen oder Nachbarn der Kuratoren.
Das passt zum Galeriekonzept, denn auch deren Betreiber Uwe Neu und Oliver Thoben haben eher den Feierabendspaß im Blick als konkrete ästhetische Fragen oder die Profitabilität ihres Unternehmens. Dass die Werke der jungen, zumeist unbekannten Künstler, für die sie sich interessieren, sonderlich viel abwerfen, erwarten sie jedenfalls nicht. Sie finanzieren sich über die Getränkeverkäufe und ihre „angewandten“ Jobs als freiberufliche Grafikdesigner.
Keine Lust auf Schnittchen
Eine „Wohlfühl-Galerie“ – darum gehe es ihnen, so Thoben; um einen Raum, in den man einfach gerne geht. Die Preise der Kunstwerke sind erschwinglich: „2 Euro per paper“ steht neben einer Arbeit von „Cindy sucht Kurt“, man kann sich einfach eins der bedrucktem Din-A4-Papiere abpflücken. Mit Kunst, die kritisch aneckt oder provoziert, haben Thoben und Neu offensichtlich eher wenig am Hut, auf andächtiges Bestaunen auratischer Oeuvres, auf Schnittchen- und Prosecco-Empfänge schon gleich gar keine Lust. In raschem Wechsel lassen sie eine Schau auf die nächste folgen, schon am 8. Oktober ist die nächste Vernissage. „Neonchocolate“ ist, kurz gesagt, die Weigerung, Schnellebigkeit in Kunstdingen als etwas negativ Besetztes zu verstehen. Wir vermuten deshalb, dass Thoben und Neu auch die Frage „Ist das Kunst oder kann das weg?“ mit einem fröhlichen „Egal!“ beantworten würden – warum sollte man die Sache ernster nehmen als nötig.
Ist das flachpfeifig? Es ist immerhin ein Raum für junge Kunst. Und ein sympathisches, selbstironisches Spiel. Spielerisch ist übrigens auch der Name „Neonchocolate“ entstanden – es handelt sich um ein per Browser Game erzeugtes Zufallsprodukt. Oliver Thoben hofft nun jedenfalls, dass der Erfolg seines Kunstraums bald auch wieder andere Galeristen in den Kiez zieht. Da schließen wir uns glatt an.
„d‘accord“, noch bis 6. 10. in der Neonchocolate Gallery, Lychener Straße 23, geöffnet mittwochs und donnerstags von 17 bis 20 Uhr.