Bis heute hat Bundesjustizminister Marco Buschmann zwei mietrechtliche Änderungen nicht umgesetzt, die Bestandteil des Koalitionsvertrags sind. Eine Hausgemeinschaft in der Kastanienallee setzt sich dagegen nun mit einem offenen Brief zur Wehr.
Immer wieder kommt es am Prenzlauer Berg mit seinem bekannt schwierigen Wohnungsmarkt zu Mietkämpfen. Jetzt haben sich auch die Bewohner*innen des Hauses in der Kastanienallee 10 zu Wort gemeldet und einen offenen Brief an Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) verfasst.
Gegenstand sind zwei mietrechtliche Reformen, die die Ampelkoalition bei ihrem Antritt 2021 auf Betreiben der SPD vereinbart hat: Erstens soll die Mietpreisbremse bis 2029 verlängert werden, die ansonsten 2025 ausläuft. Diese gesetzliche Regelung sorgt dafür, dass Mieten bei neuen Mietverträgen höchstens zehn Prozent über ortsüblichen Vergleichsmieten liegen dürfen; Neubauten und sanierte Gebäude sind allerdings ausgenommen.
Und zweitens soll die sogenannte Kappungsgrenze abgesenkt werden. Das bedeutet, dass Mieten in angespannten Wohnungsmärkten innerhalb von drei Jahren nur noch um maximal elf statt fünfzehn Prozent erhöht werden dürfen. Seitdem sind zwei Jahre vergangen – doch obwohl beide Reformen im Koalitionsvertrag stehen, sind sie noch immer nicht umgesetzt.
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Politisches Druckmittel?
Im Gegenteil: Buschmann, in dessen Ressort die Änderungen fallen, scheint sie regelrecht zu blockieren. Dabei gilt es im politischen Berlin derzeit als offenes Geheimnis, dass er das nicht nur aus FDP-üblichen Vorbehalten gegenüber gesetzlichen Eingriffen in Marktprozesse tut, sondern auch, um ein Druckmittel gegen Innenministerin Nancy Faser (SPD) zu haben. Die will nämlich die Vorratsspeicherung verschärfen, um Sexualstraftäter*innen im Netz leichter identifizieren zu können, was Buschmann vehement ablehnt.
Unter Mieter*innen ist derweil der Unmut über die Untätigkeit des Ministers gewachsen – so auch in der Kastanienallee 10. „Wir würden gerne wieder Vertrauen in Ihre Arbeit als Justizminister haben und fordern Sie hiermit eindringlich auf, Ihrer Pflicht nachzukommen und endlich den notwendigen Gesetzentwurf zu erstellen und zur Abstimmung vorzulegen“, heißt es daher in dem offenen Brief, den die Hausgemeinschaft Anfang Dezember verschickt hat.
Konkreter Anlass sind dabei die letzten sowie die bevorstehenden Mieterhöhungen im Haus. Dessen Bindungsvertrag läuft demnächst aus. Damit fällt ab Frühjahr aber auch die Mietobergrenze weg, die hier bislang galt, weil die Modernisierung vom Land Berlin subventioniert wurde. Dass die Koalitionsvereinbarungen noch nicht umgesetzt sind, wird den Bewohner*innen nun noch zusätzliche Kosten verursachen. Es sei daher „frustrierend und enttäuschend“, heißt es in dem offenen Brief weiter, „dass wir uns im Hinblick auf die Entwicklung unserer Mietkosten auf die Vereinbarungen der Koalition […] verlassen haben.“
Kostenspirale und Hilfsangebote
Allerdings geht es den Verfasser*innen nicht nur um ihre eigene Situation. „Dass die Kappungsgrenze nicht gesenkt wird, lässt ja auch den Mietspiegel immer weiter steigen“, sagt Marco Klingspohn, der das Schreiben mitinitiiert hat. „Außerdem handelt es sich um eine Spirale nach oben. Wenn Mieten jetzt um fünfzehn statt um elf Prozent teurer werden, bezieht sich die nächste Steigerung wieder auf diese höhere Berechnungsgrundlage, und so weiter.“
Darüber hinaus liegen dem offenen Brief zwei weitere Motive zu Grunde. Zum einen wollen die Mieter*innen konkret auf die beiden ausstehenden Reformen verweisen, ohne dies mit der Diskussion anderer mietrechtlicher Vorschläge zu vermischen. „Wir haben bewusst darauf verzichtet, zum Beispiel auf Indexmieten oder den Mietendeckel einzugehen. Wir wollen einfach, dass erst einmal erfüllt wird, was schon zugesagt ist“, erläutert Klingspohn weiter.
Immer wieder Proteste
Und zum anderen geht es ihnen darum, genau jetzt den öffentlichen Druck auf Buschmann zu erhöhen, damit die Änderungen überhaupt noch umgesetzt werden. Denn Tom Sello, der ebenfalls Mieter in der Kastanienallee 10 ist und als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und Berliner Beauftragter zur Aufarbeitung der SED-Diktatur die Mechanismen des Politikbetriebs genau kennt, weiß: „Wenn bestimmte Punkte, die in einem Koalitionsvertrag festgelegt sind, bis zur Mitte der Legislatur nicht angefasst worden sind, kann man ziemlich sicher sein, dass sie unter den Tisch fallen.“
Immerhin: Alleine sind die Verfasser*innen mit diesen Anliegen mittlerweile nicht mehr. So protestierte am 08. Dezember etwa die Kampagne Mietenstopp vor dem Justizministerium unter dem Motto „Tut es – jetzt!“ gegen die Reformblockade. Dabei bauten 20 Jurist*innen eine „Gesetzesschmiede“ auf und erklärten: „Es müssen zwei Zahlen ausgetauscht werden. Offenbar benötigt das Justiziministerium dafür Unterstützung: Wir helfen gerne!“ Angenommen hat Buschmann die Hilfe allerdings noch nicht.
Titelbild: Tom Sello (links) und Marco Klingspohn haben einen offenen Brief an Justiziminister Buschmann geschrieben / Foto: Sebastian Kirsch