Dass weniger manchmal mehr ist, gilt auch für die Mahd städtischer Grünflächen. Die Pankower Grünen fordern, dass das sogenannte „Verkehrsbegleitgrün“ im Bezirk seltener gemäht wird. Doch im Bezirksamt gibt es Bedenken.
Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Umweltschutz & Nachhaltigkeit“
„Verkehrsbegleitgrün“: So bezeichnet die Amtssprache die Rasenstückchen und Pflanzen, die ihre meist ärmliche Existenz auf Verkehrsinseln, Seiten- oder Mittelstreifen von Straßen oder auch entlang von Trambahnschienen fristen. Schon das Wort selbst sagt dabei viel über den Zeitgeist aus, dem es einst entsprungen sein muss: Grün als schlichte Begleitung – eine bessere Metapher für den mittlerweile vielfach als verhängnisvoll erkannten Versuch, Naturprozesse und ‚menschliche‘ Technik nach dem Schema Hinter- und Vordergrund zu modellieren, dürfte sich wohl kaum finden.
In Zeiten von Klimakatastrophe und Artensterben lässt sich jedenfalls kaum noch überhören, was hier das Problem ist: Das zur Begleitung degradierte Grün macht sich mittlerweile in großem Maßstab und mit zunehmender Renitenz bemerkbar.
Kein Wunder also, dass auch der Stellenwert städtischen ‚Verkehrsbegleitgrüns’ in den vergangenen Jahren neu verhandelt wurde. Der Bezirk Pankow macht da keine Ausnahme: Bereits im letzten Sommer berichtete der Tagesspiegel über hiesige Anwohner*innen-Beschwerden wegen kleingehäckselter und infolgedessen verdorrter Grünstreifen im Stadtraum, zum Beispiel auf dem bis auf die Stummel abgemähten Mittelstreifen der Schönhauser Allee in Richtung Senefelderplatz.
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Warum seltener mähen?
Im Verlauf des vergangenen Jahres richteten mehrere Bezirksverordnete der Grünen und der FDP verschiedene Anfragen zur Mähpraxis an das Bezirksamt. In einem Antrag fordern die Grünen das Bezirksamt außerdem auf, dafür zu sorgen, „dass die Grünstreifen an Straßenbahnschienen und auch das Straßenbegleitgrün in den Frühlings- und Sommermonaten mit mehr Berücksichtigung der Biodiversität und der Anpassung an Hitzeperioden reduziert gemäht werden, solange die Pflicht zur Verkehrssicherung hierdurch nicht beeinträchtigt wird.“
Aber welche Vorteile hat es eigentlich, das Begleitgrün seltener zu mähen? Ein dichterer Bewuchs selbst kleiner Grünflächen hat einen kühlenden Effekt und ist somit relevant für das Stadtklima. Auch die Artenvielfalt im Stadtraum ließe sich steigern, wenn seltener oder auch gezielter gemäht würde, so wie es bei Parks und größeren Wiesen zum Teil auch schon der Fall ist.
Andere Bezirke sind einen Schritt weiter
In anderen Berliner Bezirken ist das längst gängige Praxis: Mitte führt derzeit ein Pilotprojekt durch, bei dem die Grünstreifen nur zweimal im Jahr gemäht werden. Pankow tut dies bis zu dreimal. Doch wird eine Mahd vor Mai ausgelassen, können Wildblumenwiesen wachsen, die für die Biodiversität ausschlaggebend sind. In Neukölln wiederum wird an manchen Stellen sogar nur einmal jährlich gemäht; in Treptow-Köpenick wird bereits seit 2019 neben Parks und größeren Wiesen auch das ‚Vekehrsgrün‘ zum Teil nach dem Prinzip der schonenden, da zeitversetzten Staffelmahd bearbeitet. Und auch Steglitz-Zehlendorf und Tempelhof-Schöneberg haben entsprechende Versuche gestartet.
Warum also sollte in Pankow nicht möglich sein, was andernorts funktioniert? Bezirksstadträtin Manuela Anders-Granitzki führt in ihrer Antwort an die Verordneten in erster Linie die Verkehrssicherheit an. Diese habe „oberste Priorität“ und dürfe nicht durch zu engen oder zu hohen Pflanzenwuchs gefährdet werden. „Wir versuchen konkrete Fälle für Sichthindernisse zu vermeiden“, erläuterte sie auf Nachfrage der Prenzlauer Berg Nachrichten. „Sollte der Bewuchs aufgrund der Witterung oder vorherrschenden nährstoffreichen Böden schneller als von den Kollegen prognostiziert voranschreiten, werden wir eingreifen, bzw. unsere Firmen informieren. Das betrifft zumeist Ein- und Ausfahrten, bzw. Überfahrten bei Mittelstreifen.“
Dreimal mähen ist günstiger?
Allerdings wird diese Priorität ausdrücklich auch von denjenigen Bezirken unterstrichen, die bereits eine andere Pflege der Grünflächen praktizieren oder ihr Vorgehen gerade umstellen. Bei der von Anders-Granitzki genannten maximal erlaubten Pflanzenhöhe von 75 Zentimetern handelt es sich außerdem lediglich um eine Empfehlung für Hauptverkehrsstraßen, die also keineswegs auf alle Fälle von ‚Begleitgrün‘ anzuwenden ist.
Aber auch die Kosten spielen eine Rolle. „Die Firmen kalkulieren zumeist nach Schnittmasse, die gemäht und beräumt wird. Also der erste Schnitt ist der teuerste und der Dritte der günstigste. Andere Firmen geben Durchschnittspreise ab. Dabei spielen immer die Anzahl der notwendigen Fahrten sowie der Abtransport des Mahdgutes eine Rolle. Bis auf eine Ausnahme war eine zweischürige Mahd immer teurer, als eine dreischürige“, antwortet Anders-Granitzki den Prenzlauer Berg Nachrichten.
Mehr Biodiversität
Eine Staffelmahd zu beauftragen, steht für das Bezirksamt nicht zur Debatte. Diese sei auf den meisten Straßenbegleitgrünflächen nicht sinnvoll, da sich dort sowieso nur wenige Insekten aufhielten. Tatsächlich dürfte nach aktuellen Erkenntnissen aber das Gegenteil der Fall sein: Gerade die vielen kleinen Grünflächen haben ein hohes Potenzial, die Artenvielfalt zu vermehren, da sie Käfern und Schmetterlingen Wanderungen erlauben.
Entsprechend heißt es in der bereits 2012 von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt herausgegebenen „Berliner Strategie zur Biologischen Vielfalt“: „‘Grün am Straßenrand’ […] leistet […] auch wichtige Beiträge zur Erhaltung und Förderung der biologischen Vielfalt. So übernehmen schon heute begrünte Verkehrsräume wichtige Biotopverbundfunktionen.“ Um die Biodiversität in Prenzlauer Berg zu erhöhen, wäre es also das Beste, einfach mal ein bisschen Gras über die Sache wachsen zu lassen.
Titelbild: Neben und zwischen den Gleisen auf der Bornholmer Straße wachsen Gras und Wildblumen / Foto: Sebastian Kirsch