Das Netzwerk der Wärme, Mehrweg“böcher“ im Bötzowkiez und eine mutige Geschichte aus dem Zweiten Weltkrieg: Das gibt es in unserem Newsletter zum Nachlesen.
Der 9. November ist ein brisantes Datum in der deutschen Geschichte. 1918 wurde im Nachkriegsdeutschland an dem Datum die Republik ausgerufen, 1938 zerstörten die Nationalsozialisten Synagogen und Geschäfte jüdischer Mitbürger*innen, 1989 fiel die Berliner Mauer. Wie verhält man sich an diesem Tag, der über die Jahrzehnte von so viel Freude und Leid, Euphorie und Verzweiflung geprägt war? Wir haben anlässlich des Gedenktags eine Geschichte aufgeschrieben, die viele Jahre unbekannt war, weil alle Beteiligten bis zu ihrem Tod darüber geschwiegen haben: Während des Zweiten Weltkriegs versteckten Mitarbeiter der Herz-Jesu-Kirchengemeinde in der Fehrbelliner Straße unabhängig voneinander zwei jüdische Männer in den Kellerräumen – ohne dass sie von dem jeweils anderen wussten. Mein Kollege Peter Schulz hat die mutige Tat vor Ort recherchiert und aufgeschrieben für unseren
Text der Woche
- Judenverfolgung: Während des Zweiten Weltkrieges müssen die Juden Karl Müller und Erich Wolff untertauchen. Unabhängig voneinander werden sie im Keller der Herz-Jesu-Kirche in der Fehrbelliner Straße versteckt. Eine Geschichte von stillem Mut und Fürsorge.
Was sonst noch los war
- Literatur: Seit 26 Jahren führt Ingo Držečnik den Elfenbein Verlag, seit 20 Jahren aus seiner Wohnung in Prenzlauer Berg. Jetzt ist er für den Berliner Verlagspreis nominiert.
Kiezfoto der Woche
Aus dem Bezirk
Wärmenetzwerk: Die Temperaturen sinken, die Energie- und Lebenshaltungskosten steigen: Viele Berliner*innen wissen nicht, wie sie durch den Winter kommen sollen. Vor Kurzem hat der Berliner Senat zusammen mit dem Verein Karuna und etlichen Unterstützer*innen das „Netzwerk der Wärme“ ins Leben gerufen. Als Teil des Entlastungspakets, das mit insgesamt elf Millionen Euro gefördert wird, vereint es Orte der Begegnung und des Austauschs, der Selbsthilfe und Beratung. Bibliotheken verlängern ihre Öffnungszeiten oder öffnen auch am Sonntag, Nachbarschaftstreffs, Stadtteilzentren, Kirchen und Kantinen bieten Raum für all jene, die Hilfe brauchen oder in Zeiten der Krise einfach nicht alleine sein möchten. Auf einer Übersichtskarte sind alle teilnehmenden Institutionen verzeichnet. Gleichzeitig startet die Aktion „Suppe mit Sinn“: 30 Restaurants im Stadtgebiet machen mit und spenden bis zum 31. März 2023 bei jeder Bestellung einen Euro an die Berliner Tafel. Der Verein nutzt das Geld für die Ausstattung von Suppenküchen, Nachtcafés und Wärmestuben.
Mehrwegbecher: Überquellende Mülleimer und vermüllte Grünanlagen sehen nicht schön aus und schaden auch der Umwelt. Eine Lösung sind Mehrwegbecher, die man, wie der Name schon verrät, immer wieder nutzen kann. Und macht es nicht noch mehr Spaß, wenn diese aus dem eigenen Kiez kommen? Der Verein ProKiez hat deshalb das Projekt „Mehrwegböcher“ ins Leben gerufen: Ab dem 3. Dezember bekommt ihr den auswaschbaren „Böcher“ mit der aufgedruckten Skyline der Bötzowstraße gegen Pfand in verschiedenen Cafés des Bötzowkiez. Das ist echter Lokalpatriotismus – aber auf die nachhaltige Art.
Sperrmüll: Wohin mit der alten Matratze, dem Schreibtisch, dem ein Bein fehlt oder dem kaputten Regal? Wer kein Auto hat, um den angefallenen Sperrmüll zum Recyclinghof in der Behmstraße zu bringen, dem kommt die BSR mit den Sperrmülltagen im Kiez entgegen: Am 11. November steht das Mobil am Arnswalder Platz, am 18. November am Carl-von-Ossietzky-Gymnasium im Florakiez und am 25. November am Teutoburger Platz und zwar jeweils von 13 bis 17.30 Uhr. Angenommen werden Möbel, Teppiche, Matratzen, Schrott, Hölzer aus dem Wohninnenbereich sowie Elektrogeräte und Alttextilien – nicht angenommen hingegen werden Bauabfälle, Gussbadewannen, Autoreifen, Batterien, Schadstoffe wie Öle, Lacke und Farben.
Fußgängertunnel: Die schummrige Unterführung an der Greifswalder Straße, die das Bezirksamt ursprünglich füllen und verschließen lassen wollte, wird doch saniert – und auch der Fußgängertunnel an der Schönhauser Allee bekommt eine umfangreiche Überarbeitung: Wie die Berliner Morgenpost berichtet, soll ein Neubau den in den 1960er Jahren gebauten Korridor zwischen S-Bahn-Gleisen und U-Bahn-Station ersetzen. Die darüber liegende, ziemlich in die Jahre gekommene Brücke lässt der Senat in den kommenden Jahren abbrechen und neu bauen, im Zuge dessen kann auch der Tunnel nicht in seinem jetzigen Zustand erhalten bleiben. Auch ein paar Schritte weiter kommt bald eine Brücke zu Fall: Die Fußgängerüberführung zwischen Dänenstraße und Kopenhagener Straße wird durch eine breitere Version ersetzt, die ausreichend Platz für Fußgänger- und Radverkehr lässt.
Bildungsprojekte: Wie jedes Jahr können sich auch 2022 Bildungsprojekte, die zusammen mit Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen im Bezirk Pankow durchgeführt werden, für eine Förderung aus dem Projektfonds Kulturelle Bildung bewerben. Bis zu 5.000 Euro können Pankower Kitas, Schulen oder Einrichtungen der Jugendarbeit erhalten, die im Verbund mit Kultureinrichtungen oder freien Künstler*innen arbeiten. Einsendeschluss der Bewerbungsunterlagen ist der 15. Dezember, die Projekte sollen frühestens am 1. Februar 2023 beginnen. Weitere Informationen gibt es hier.
Polizeimeldungen
- Haftstrafe: Der Mann, der im Herbst 2020 bei einem über eine Datingplattform arrangierten Treffen einen anderen Mann erst sedierte, ihn mit einem Schnitt durch die Kehle tötete und anschließend dessen Genitalien abtrennte und aß, muss lebenslang ins Gefängnis. Er hatte die Leiche später zerstückelt und an verschiedenen Orten in Pankow abgelegt. Der Bundesgerichtshof bestätigte damit das Urteil, das das Landgericht Berlin vor zehn Monaten über den Angeklagten verhängt hatte. Dieser war danach in Revision gegangen.
Tipps & Termine
- 12.11.: Prenzlauer Berginale goes Sauna: Noch bis zum 22. November zeigt das Saunabad in der Rykestraße – nach den Aufgüssen um 17 und 20 Uh – Filme aus sechs Jahren des Kiezfilmfestivals. Am kommenden Samstag laufen kurze Dokufilme aus DDR-Zeiten über die Kohlenhändler, Gaswerkarbeiter und Standesmitarbeiter*innen in Prenzlauer Berg. Der Eintritt für 2,5 Stunden kostet 20 Euro, für vier Stunden 22 Euro.
- 13.11.: Wicki Kalaitzi und Joanna Lewicka haben mit „Stiefmutter Heimat. Meine Mutter das gestohlene Kind“ einen Theaterabend über Vergangenheitsbewältigung und Heimat geschaffen. Das Theater unterm Dach zeigt die Produktion am Sonntag um 20 Uhr, Karten kosten 15 Euro und 10 Euro ermäßigt.
- 15.-20.11.: In sechs Wettbewerben und diversen Spezialprogrammen setzen sich Filmschaffende im Interfilm-Festival mit den zeitgenössischen Themen, Krisen und Problemen auseinander – und zwar in Kurzfilmen. Spielorte sind u.a. das Colosseum, das Zeiss-Großplanetarium, das Pfefferberg Theater und das Unterfilm Clubkino in der Saarbrücker Straße. Tickets gibt es ab 9 Euro.
Das habt ihr vielleicht verpasst
- Schulsanierung: Das Gymnasium am Europasportpark ähnelt einer Ruine, doch eine Sanierung bleibt vorerst aus. Nun möchte der Bezirk die Schule notdürftig flicken.
- Neubauprojekt: Auf einem Parkplatz in der Eldenaer Straße will ein Investor zwei pyramidenförmige Hochhäuser bauen – und bekommt Gegenwind von einer Anwohnerinitiative.
Zitat der Woche
„Herr Wolff, der Krieg ist aus, die Nazis sind weg! Sie sind frei, Sie können machen, was Sie wollen“
waren die Worte, die Erich Wolff von russischen Soldaten hörte. Da hatte er sich bereits rund 970 Tage vor den Nationalsozialisten im Keller der Herz-Jesu-Kirche versteckt. Wolff überlebte den Krieg als einer der wenigen Juden in Deutschland.
Ich schließe an dieser Stelle für heute. Wenn ihr Fragen, Anregungen oder Themenideen habt, dürft ihr uns wie immer gerne eine Mail schreiben. Wir lesen uns!
Eure Julia Schmitz
Titelbild: Kürzlich neu verlegte Stolpersteine vor dem Haus in der Choriner Straße 12
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