Schornsteinfeger

Zurück zum Kohleofen

von Katharina Angus 17. August 2022

Seit zwölf Jahren ist Schornsteinfeger Hagen Baacke auf den Dächern Prenzlauer Bergs unterwegs. Die Angst vor einem kalten Winter durch Gasknappheit beschäftigt auch ihn. Wir sprachen mit ihm über illegalen Ofeneinbau, Notschornsteine und leere Kohlelager.


Herr Baacke, welche Aufgaben gehören zu ihrem Beruf?

Hagen Baacke: Das Schornsteinfegen im klassischen Sinne, was die Entnahme von Rußresten bezeichnet, macht nur etwa zehn bis fünfzehn Prozent der Aufgaben aus. Große Bedeutung haben Emissionsschutzmessungen, die an die Bezirke weitergegeben werden. Nur so kann die Politik die Energiewende planen. Ebenfalls wichtig ist die Kontrolle von Gasheizungen: arbeiten sie effizient genug für ihr Baujahr, überschreiten sie das Kohlenstoffmonoxidlimit nicht, haben sie genug Unterdruck? Auch um Brandschutz in der Gastronomie kümmern wir uns, indem wir beispielsweise Dunstabzugssysteme überprüfen. Und wir regeln den Neueinbau von Öfen und Kaminen.

 

Wie hat sich im Laufe der Jahre Ihr beruflicher Alltag verändert?

Baacke: Vor allem gab es Verschärfungen in den Bestimmungen für feste Brennstoffe. Im Jahr 2016 hat die Bundesemissionsschutzverordnung bestimmte Messwerte für Staub eingeführt, die bei der Verbrennung eingehalten werden müssen. Dadurch haben sich die Ansprüche an Kamin- und allgemein Holzöfen erhöht. Es sind nicht mehr alle Kaminöfen durch den TÜV und auf den Markt gekommen.

 

Konnten in Folge dessen auch einige ältere Öfen nicht länger genutzt werden?

Baacke: Das traf insbesondere auf Zusatzfeuerstellen zu, die an bereits bestehende Öfen angeschlossen waren.

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Erreichen Sie Zurzeit, im Zusammenhang mit der Energiekrise, verstärkt Anfragen für neue Öfen?

Baacke: Ja, das ist bundesweit der Fall. Früher hatten wir ca. fünf Kaminöfeninstallationen pro Halbjahr, in den letzten Monaten kommen wir auf ca. fünf bis sechs Anfragen die Woche.

 

Machen Sie sich Sorgen, dass Menschen, die keine Erfahrung im Umgang mit Öfen haben, sich jetzt daran versuchen und möglicherweise gefährliche Fehler dabei machen?

Baacke: Ja, natürlich. Ich bin einem Kehrbezirk in Prenzlauer Berg zugeteilt. Siebzig bis achtzig Prozent der Gebäude dort sind Altbau. Manche Bewohner*innen informieren uns nicht, bevor sie ihren Ofen anschließen, die suchen einfach nach einem Loch in der Wand, das nach oben führt. Speziell im Altbau ist es wahrscheinlich, dass der dazugehörige Schornstein bereits belegt ist. Schließt man dennoch den eigenen Ofen an, wird es gefährlich, weil der Rauch nicht abziehen kann.

 

Was ist, wenn in der Wohnung bereits ein Ofen steht? Kann man einfach mit dem Heizen beginnen?

Baacke: Entscheidend ist, ob der jeweilige Ofen im Feuerstättenbescheid des Hauses geführt wird. Dieser Bescheid ist über die Hausverwaltung, bzw. die Eigentümer*innen einsehbar. Ist mein Schornstein dort verzeichnet, kann ich davon ausgehen, dass er auch auf dem Belegungsplan der Schornsteine erfasst ist, das bedeutet, dass der Schornsteinfeger weiß, wo der Ofen angeschlossen ist und es dadurch nicht zu Doppelbelegungen kommt. Taucht der Ofen nicht im Bescheid auf, kann es sein, dass der Schornstein dafür, beispielsweise im Zuge eines Dachbodenausbaus, längst abgerissen wurde. Benutzt man ihn trotzdem, kann es zu Rauchvergiftungen und anderen Gefahrensituationen kommen.

 

Was muss man noch beachten, falls der Ofen endlich sachgemäß angeschlossen ist?

Baacke: Bei der Abnahme des Ofens macht jeder Schornsteinfeger eine verpflichtende Brennstoffberatung, bei der dem Kunden erklärt wird, wie der jeweilige Ofen zu befeuern ist. Wenn man noch nie einen Ofen befeuert hat, gibt es schon Einiges zu lernen. Es macht auch einen Unterschied, ob man beispielsweise seinen Ofen im Mehrfamilienhaus an einen 120 Jahre alten Schornstein anschließt, der mehrfach gezogen sein kann, oder man im Einfamilienhaus einen modernen Edelstahlabzug hat.

 

Die Schornsteinfegerinnung Berlin diskutiert dieser Tage, ob man das Prinzip des „Notschornsteins“ wieder einführen könnte. Was ist das?

Baacke: In den Neunziger Jahren wurden im Zuge der des massenhaften Gasheizungseinbaus, vor allem im Ostteil der Stadt, viele Öfen abgerissen. Das Gesetz sah aber vor, dass pro Wohnung ein Ofen stehen blieb, um im Fall einer Gasknappheit eine alternative Heizmöglichkeit zu gewährleisten. Dieser Ofen wurde regelmäßig vom Schornsteinfeger kontrolliert, um ihn betriebsbereit zu halten. Ende der Neunziger Jahre häuften sich die Beschwerden. Man wollte auch den letzten Kachelofen der Wohnungen entfernen können, weil er nicht zum modernen Wohnungsinterieur passte oder zu viel Platz stahl. Das Gesetz wurde gekippt. Heute haben diejenigen, die dennoch ihren Ofen stehen ließen, gute Karten.

 

Und die Schornsteinfegerinnung will das Gesetz zum Erhalt eines Ofens bzw. Schornsteins pro Wohnung wieder zurückbringen?

Baacke: Da der rechtliche Rahmen dafür schon mal geschaffen war, müsste man das Gesetz quasi bloß wieder in Kraft treten lassen. Im Moment rennen wir Schornsteinfeger die ganze Zeit Vorbescheinigungen für Öfen hinterher, damit diese nicht ohne Absprache einfach angeschlossen werden. Sie Schornsteinfegerinnung möchte diesen Prozess vereinfachen und jeder Wohnung wieder einen garantierten Schornstein zuweisen.

 

Was fällt Ihnen bei den Anfragen auf, die Sie erreichen?

Baacke: Zurzeit merkt man, dass sich vermehrt Berliner*innen um Öfen bemühen, die aus Angst handeln und nicht aus Vorliebe für die Ofenheizung. Die wollen sich auf einen möglichen Gasausfall vorbereiten. Dafür ist jeder Ofen recht. Plötzlich geht es nicht mehr darum, welcher Kamin am schönsten in die Wohnung passt. Jetzt nehmen die Leute alles, was noch verfügbar ist. Das ist nicht vergleichbar mit den Anfragen der Vergangenheit, die eher aus einem Bedürfnis nach Nostalgie und Wohlfühlatmosphäre kamen. Solche Motive sind der puren Zweckmäßigkeit gewichen.

 

Lohnt sich Ihrer Meinung nach der Aufwand des Ofeneinbaus, um Heizkosten zu sparen?

Baacke: Das kommt darauf an. Wenn ein Ofen vorhanden ist und das Gas wird wirklich abgestellt, dann ist kein Aufwand zu gering, um die Wohnung warm zu kriegen. Wenn ich auf der anderen Seite extra einen Ofen einbaue, die Gaszufuhr bestehen bleibt und ich meinen Ofen über die Notversorgung hinaus nicht nutzen will, wäre das Geldverschwendung.

 

Wie beurteilen Sie die Kohle-Situation?

Baacke: Es gibt in Deutschland nur noch wenige Kohlebriketthändler, die sich nun mit zahlreichen Lieferungswünschen konfrontiert sehen. Den Sommer über produzieren sie Kohlebriketts für die Übergangszeit und den Winter, wenn nur noch aus den Beständen vertrieben wird. Sind diese Bestände leer gekauft, wird es lange dauern, neue Briketts herzustellen. Früher hatte das Thema Kohle eine andere Relevanz, als sie noch von 80-89% der Haushalte genutzt wurde. Heute besitzen ca. 5% der Haushalte einen aktiven Kohleofen. Die Hanger, in denen die Kohle lagert, sind für dieses Jahr bereits leer.

 

Was wünschen Sie sich für den Winter?

Baacke: Ich wünsche mir, dass wir nicht dasselbe erleben, wie mit dem Klopapier zu Pandemiezeiten. Ich möchte bei meinen Besuchen in Wohnungen keine illegal eingebauten Öfen sehen und auch keine vorsorglich gehorteten Kohleberge im Wohnzimmer.

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