Krieg

Über Krieg reden

von Christina Heuschen 29. März 2022

Der Angriff auf die Ukraine geht auch an Kindern in Pankow nicht unbemerkt vorbei. Wie gehen die Schulen damit um?


Eigentlich standen Fächer wie Mathe und Deutsch auf dem Stundenplan in Pankows Schulen. Der Schulalltag nach den Lockdowns sollte wieder starten. Doch seit dem 24. Februar sieht das anders aus: Seit vier Wochen sprechen die Schüler*innen mit Lehrkräften über den Krieg in der Ukraine; erneut kommen geflüchtete Kinder von heute auf morgen in die Klassen, Lehrpläne werden über den Haufen geworfen.

„Die Kinder haben großen Austauschbedarf dazu“, sagt Thorsten Falkenberg. Der Lehrer an der HasenGrund-Schule berichtet, dass Schüler*innen deshalb regelmäßig Gelegenheit haben, Fragen zu stellen, wenn sie etwas nicht verstehen. Die meisten Schulen haben unmittelbar nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 mit ihren Klassen über das Thema gesprochen. Viele Schulen nutzen dafür den Klassenrat, Lehrer*innen und Erzieher*innen geben aber auch Zeiten ihres Unterrichts dafür frei – je nach Gesprächsbedarf der Schüler*innen. Und das geschieht auch in den ersten und zweiten Klassen, sagt die Vorsitzende des Pankower Bezirksselternausschusses (BEA) Katja Ahrens.

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Der Krieg schürt Ängste

Viele der Schüler*innen kennen den Krieg nur aus Erzählungen. Doch die konstante Berichterstattung und die Diskussionen der Erwachsenen – all das schürt Ängste. „Im ersten Moment ging es zunächst darum, den Kindern bestehende Ängste zu nehmen. Anschließend haben einige Schulen sich inhaltlich intensiver mit dem Krieg befasst, wobei das sehr von den Schulen selbst abhängt“, sagt Ahrens.

Das schulpsychologische und inklusionspädagogische Beratungs- und Unterstützungszentrum (SIBUZ) Pankow und die Senatsverwaltung für Bildung hätten sehr schnell reagiert und Material zum Thema zusammengestellt. Tatsächlich stand den Schulen bereits Ende Februar Material zur Verfügung, die Eltern erhielten nur kurze Zeit später, Anfang März, einen Brief. Auch der BEA Pankow habe eine erste Materialsammlung für Eltern erarbeitet. „Wir wollten Eltern einen ersten Anhaltspunkt geben, wie das Thema Ukraine-Krieg zuhause angegangen werden kann“, erzählt Ahrens.

In den letzten Wochen haben Schüler*innen auch ihre eigenen Aktionen gestartet. In manchen Schulen sammelten sie bei Kuchenverkäufen Spenden oder Hilfsgüter. Andere gestalteten Plakate. Sie hängen oft an den Fenstern der Klassenzimmer oder, wie in der Grundschule am Kollwitzplatz, am Schulzaun. Häufig sind darauf Friedenstauben oder die blau-gelbe Flagge der Ukraine zu sehen, auf manchen steht in verschiedenen Sprachen das Wort „Frieden“.

 

Mathe, Deutsch und Englisch sind zweitrangig

Insgesamt sei die Hilfsbereitschaft groß, sagt Ahrens. Besonders wichtig sei es aber nun, sich um geflüchtete Kinder zu kümmern. „Die Kinder, die hier bei uns ankommen, haben viel durchgemacht, das sie ihr Leben lang wohl nur schwerlich vergessen werden. Darum halten wir es für wichtig, eine gute Ankommenssituation zu schaffen. Das bedeutet, zur Ruhe kommen zu können, aber eben auch einen etwas strukturierten Tagesablauf wiederzugeben. Dabei ist es eigentlich zweitrangig, ob gleich Mathe, Deutsch und Englisch unterrichtet wird“, findet Ahrens.

Christoph Wälz von der Bezirksleitung Pankow der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft sagt, dass dies mit großem Engagement geschehe. „Nach zwei Jahren Corona können die Kolleg*innen eigentlich nicht mehr. Dennoch stehen sie jetzt vor einer riesigen neuen Herausforderung, die sie trotzdem anpacken.“

Das Bildungssystem werde auch jetzt wieder an allen Ecken und Enden improvisieren. In Pankow hätten an mehreren Schulen die Schulleiter*innen die Initiative ergriffen und geflüchtete Lehrkräfte mit Deutschkenntnissen eingestellt, damit diese spontan gebildete Willkommensklassne mit ukrainischen Schüler*innen unterrichten können.

 

Dauerhafte Strukturen nötig

Dass es bei der Improvisation nicht bleiben kann, darin sind sich Wälz und Ahrens einig. Es bedarf an Räumlichkeiten und geschultes Personal. „Wir brauchen mehr multiprofessionelle Teams, sodass sich nicht nur eine Lehrkraft um eine Gruppe kümmert; sondern feste Teams aus Erzieher*innen, Lehrkräften, Sozialarbeiter*innen, die eine Lerngruppe unterstützen und den Kindern in so einer Situation die Unterstützung geben können, die sie brauchen“, fordert Wälz. Der gestiegene Betreuungsbedarf müsse von Anfang an mitbedacht werden, sagt Ahrens. So werde später niemand überrascht.

„Letztendlich müssen wir dauerhafte Strukturen aufbauen“, sagt Wälz. Es könne nicht sein, dass immer wieder spontan neue Strukturen geschaffen werden, um in einer Situation wie jetzt auch handlungsfähig zu sein. Dafür solle die Senatsverwaltung „Deutsch als Zweitsprache“ als Schulfach anerkennen und Weiterbildungen anbieten. Nur so sei eine wirkliche Integration an den Schulen möglich. Willkommensklassen könnten letztendlich auch nur eine Übergangslösung sein.

 

Titelfoto: Julia Schmitz

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