Um sich Corona-Leugner*innen entgegenzustellen, treffen sich jeden Montag zahlreiche Nachbar*innen vor der Gethsemanekirche. Nun haben sie eine „Demokratie-Erklärung“ formuliert. Und auch die BVV bezieht eine klare Position.
„Vieles fehlt uns in der Pandemie: Menschen, die wir an das Virus verloren haben. Der persönliche Kontakt zu Freunden und Familie. Noch mehr gesellschaftlicher Zusammenhalt in der Krise. Deshalb wollen wir als Anwohner*innen des Gethsemanekiezes in Prenzlauer Berg ein Zeichen setzen: für Gemeinsinn und demokratische Werte. In unserem Kiez. In unserem Berlin. In unserem ganzen Land“, heißt es auf der Homepage der „Initiative Gethsemanekiez“.
Seit Mitte Dezember versammeln sich jeden Montagabend Anwohner*innen vor der Kirche in der Stargarder Straße, um ein Zeichen zu setzen: Sie wehren sich gegen die Vereinnahmung des geschichtsträchtigen Ortes durch Corona-Skeptiker*innen, die sich hier regelmäßig zu Demonstrationen treffen. Im Herbst 1989 wurde das Gotteshaus zu einem der zentralen Orte der „Friedlichen Revolution” gegen das DDR-Regime; heute wähnen sich die Leugner*innen, die ihren Protest schönfärbend als “Spaziergang” bezeichnen, selbst in einer Diktatur
100 Erstunterzeichner*innen
„Uns bereitet es große Sorgen, dass umherziehende Protestler*innen eine angebliche „Corona-Diktatur“ herbeizureden versuchen. Wir verurteilen diese Verharmlosung von Diktaturen und die Verhöhnung ihrer Opfer“, heißt es seitens der Initiative. Es sei an der Zeit, dass die große Mehrheit der Gesellschaft aktiv werde und für den Zusammenhalt eintrete, beteuern sie. Deshalb haben sie jetzt eine „Demokratie-Erklärung“ veröffentlicht, die sich gegen Verschwörungserzählungen und die fehlende Abgrenzung von Corona-Protestler*innen gegenüber Rechtsextremist*innen und Antisemit*innen richtet. Am Montagabend wurde sie im Beisein von Bürgerrechtlerin Marianne Birthler und Stadtentwicklungssenator Andreas Geisel (SPD) öffentlich vorgestellt.
100 Menschen aus Politik, Kultur und Gesellschaft haben die Petition bereits unterschrieben, darunter Moderatorin Marion Brasch, Volksbühnenintendant René Pollesch, Bezirksstadträtin Rona Tietje (SPD), Kultursenator Klaus Lederer (Linke), Pankows FDP-Vorsitzende Daniela Kluckert und der Generalmusikdirektor der Staatsoper, Daniel Barenboim.
Bezirksverordnete stimmen zu
Auch in der Pankower Bezirksverordnetenversammlung (BVV) soll diesbezüglich diese Woche eine klare Position bezogen werden. Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen haben, unter Mitzeichnung der FDP-Fraktion, den Antrag „Kein Platz für Verschwörungserzählungen und Neonazis in unserem Bezirk“ gestellt. Dieser bezieht sich nicht nur auf die „Montagsspaziergänge“ vor der Gethsemanekirche, sondern auch auf die meist unangemeldeten Versammlung vor den Rathäusern in Pankow und Weißensee sowie in Karow.
„Die BVV Pankow fordert alle Teilnehmenden auf, sich nicht mit Rechtsextremist*innen gemein zu machen. Wer die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung ablehnt, kann dies im Dialog mit der Politik jederzeit und frei zum Ausdruck bringen. Wo Einschüchterung, den Faschismus relativierende Äußerungen und die Teilnahme organisierter rechtsextremer Gruppen offensichtlich sind, ist kein Platz für Dialog“, heißt es als Begründung. Am Mittwochabend wurde über den Antrag abgestimmt, nicht ohne Diskussion: Die CDU lehnte ab mit der Begründung, den Dialog fördern zu wollen. Und auch die AfD-Fraktion stimmte nicht zu.
Titelbild: Katharina Angus
2 Kommentare
„und bekennen uns zu der weltoffenen und freiheitlich-demokratischen Grundordnung in unserem Land…“. Genau das machen Andersdenkende wie Kritiker von Maßnahmen auch. Sie fordern genau das ein, was verloren gegangen ist: Diskurs, freie Meinung, Recht auf Selbstbestimmung…
Leider, auch wenn man in Gutmenschenkreisen es nicht gerne hören möchte, erinnert mich das alles an ’89. Auch damals hatten die Andersdenkenden Probleme mit dem Regime und wurden stigmatisiert. Den Verblendeten, durch den Imperialismus beeinflussten Konterrevolutionären konnte man nur mit den harten Mitteln des Staates entgegen treten . So die Beurteilung der Proteste der damals Herrschenden. Kritik am System wurde nicht zugelassen. Ich dachte, da wären wir in der parlamentarischen Demokratie im 21. Jahrhundert schon weiter. Offensichtlich eine Fehleinschätzung. Andersdenkende werden stigmatisiert und in die rechte Ecke gestellt . Dass sich radikale Gruppen mit einreihen und auch teilweise die Initiative übernehmen ist bedauerlich, aber wohl schwer zu verhindern. Es ist bedauerlich, dass man seitens der einstigen Bürgerrechtler die eigenen Ideale von damals völlig ausblendet. Die Freiheit der Andersdenkenden nach Rosa Luxemburg muss dann doch wohl anders gemeint sein. Ich möchte in diesem Zusammenhang ausdrücklich betonen, dass ich weder AfD-Sympathisant noch Corona-Leugner bin. Nur ein normaler Mensch mit gesundem Menschenverstand und einer eigenen Meinung. Die zu vertreten wird inzwischen immer schwerer und der soziale Frieden steht auf dem Spiel. Kann das ein ernsthaftes Ziel der uns Regierenden sein…?