Carl Legien

Die Sache mit der Authentizität

von Julia Schmitz 7. Januar 2022

In der Wohnstadt Carl Legien schaut das Bezirksamt streng auf die Einhaltung des Denkmalschutz – zumindest bei Bäumen. Was andere Bereiche angeht, scheint es den Begriff flexibler zu definieren.


„Kein Baum ist illegal“? So betitelte der Bezirksverordnete Axel Lüssow (Grüne) seine Kleine Anfrage, die sich um die Bäume in der Carl-Legien-Siedlung dreht. Beziehungsweise um die nicht vorhandenen Bäume. Wir erinnern uns: Das Straßen- und Grünflächenamt hatte in der Gubitzstraße zwei Bäume gefällt, Anwohner*innen pflanzten daraufhin zwei neue – und bekamen stante pede Post vom Bezirksamt, das sie aufforderte, die schmalbrüstigen Pflänzchen wieder zu entfernen. Begründung: In der ursprünglichen Gestaltung der Siedlung seien keine Bäume in den Vorgärten vorgesehen gewesen; und weil die unter Denkmalschutz stehe und seit 2008 sogar zum UNESCO Weltkulturerbe gehört, dürfe man nicht eigenmächtig eingreifen.

Dass das Bezirksamt Pankow allerdings eine durchaus dehnbare Definition von Denkmalschutz hat, zeigt nun die Antwort auf besagte Kleine Anfrage des Grünen-Politikers. Denn sicherlich besaßen in den 1920er und 1930er Jahren, als die Siedlung entstand, nicht so viele Menschen ein Privatfahrzeug wie heute – doch Parkplätze gibt es trotzdem mittlerweile viele. Zumindest deutlich mehr als Bäume.

 

Autos selbstverständlich, Bäume nicht?

Das Berliner Denkmalschutzgesetz schreibe vor, das authentische Erscheinungsbild der Carl-Legien-Siedlung zu erhalten; dort, wo dies nicht der Fall sei, sei das Erscheinungsbild langfristig wiederherzustellen, hatte Manuela Anders-Granitzki (CDU), seit kurzem Stadträtin mit Zuständigkeit unter anderem für das Straßen- und Grünflächenamt, Ende November gesagt.

Müsste man die Stellplätze für Fahrzeuge also nicht – Denkmalschutz! – streng genommen auch entfernen? Davon will Rona Tietje, Stadträtin für Stadtentwicklung, nichts wissen: „Das Bezirksamt beabsichtigt nicht, Bereiche in der Wohnstadt Carl Legien auf die bauzeitliche Situation zurückzuführen. Da es heute, anders als in den 1920er Jahren, selbstverständlich ist, dass private Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenraum (und nicht in Garagen) abgestellt werden, beabsichtigt das Bezirksamt nicht, die Parkplätze im Straßenraum zu entfernen.“ Autos sind also selbstverständlich, Bäume im Vorgarten hingegen nicht?

Immerhin lässt sich die Politik auf einen Dialog mit den Anwohner*innen ein, die eine „Zukunftswerkstatt“ gründen wollen: Angesichts des gänzlich fehlenden Bestandes an Straßenbäumen im Bereich der Gubitzstraße zwischen Erich-Weinert- und Georg-Blank-Straße unterstütze man dieses Engagement, heißt es seitens des Bezirksamts. Eine Neu- oder Umgestaltung in der Wohnstadt Carl Legien sei allerdings nicht geplant.

 

Titelbild: Julia Schmitz


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