Eine Posse um zwei kleine Bäumchen und leidenschaftlicher Einsatz für einen Fußgängertunnel: Die Woche in Prenzlauer Beg zum Nachlesen in unserem Newsletter.
Erinnert ihr euch noch an das Kinderspiel „Bäumchen, wechsel dich“? Das wird offensichtlich gerade auch in der denkmalgeschützten Carl Legien-Siedlung gespielt, allerdings ungewollt: Weil das Pankower Straßen- und Grünflächenamt dort in einem der Vorgarten Bäume gefällt hatte, pflanzte eine Anwohner*innen-Initiative kurzerhand zwei neue. Keine große Sache, möchte man denken, doch der Amtsschimmel wieherte sofort – und drohte den Bewohner*innen mit einer Strafe von bis zu 10.000 Euro, sollten sie die beiden Bäume nicht binnen zwei Wochen wieder entfernen. Was dahinter steckt und wieso die Pflanzen nun eine Gnadenfrist bekommen haben, hat meine Kollegin Christina Heuschen aufgeschrieben für den
Text der Woche
- Bäume: Weil eine Kiezinitiative in der Carl Legien-Siedlung zwei Bäume im Vorgarten pflanzte, droht ihnen nun ein hohes Bußgeld. Grund ist angeblich der Denkmalschutz.
Was sonst noch los war
- Leute im Kiez: Wie kann Migration neu erzählt werden? In der Initiative „Zwischen den Polen“ kommen Menschen zusammen, deren Eltern aus Polen nach Deutschland ausgewandert sind. Ein Besuch. #mitglieder
Kiezfoto der Woche
Aus dem Bezirk
- Greifswalder Straße: Fußgängertunnel gehören nicht zu den schönsten Orten der Stadt, oft sind sie verschmutzt und riechen zweifelhaft. Doch haben sie ihre Aufgabe: Menschen sicher auf die andere Seite von stark befahrenen Straßen zu bringen. Im Falle der Unterführung an der S-Bahn Station Greifswalder Straße sind es täglich tausende Menschen, die auf diesem Weg zur Haltestelle der Tram M4 gelangen. Doch die soll demnächst verlegt werden, ungefähr 30 Meter stadteinwärts unter die S-Bahn-Gleise. Der Fußgängertunnel soll im Anschluss zugeschüttet und ein Fußgängerüberweg auf der Straße eingerichtet werden. Die Querung durch den Tunnel sei für viele Nutzer*innen unattraktiv, da nicht barrierefrei, begründete die zuständige Senatsverkehrsverwaltung das Vorhaben bereits 2017. Doch gegen die Pläne regt sich jetzt Protest: Eine Petition fordert, den Tunnel zu erhalten und zu sanieren. „Eine Verlegung der Tram-Haltestelle weg vom S-Bahnhof, die geplante Tunnelschließung und das Ersetzen durch einen weiteren Fußgängerüberweg verlängern Umsteigewege und –zeiten. Sie verursachen Menschenmengen an Gleisen und Straßen, die im Berufsverkehr eilig und gleichzeitig queren müssen“, begründet Initiator Christoph von Friedeburg seine Forderung. Dadurch sei auch die Unfallgefahr erhöht. Unterstützung bekommt er dabei von dem Abgeordneten Tino Schopf (SPD): „Mir ist schleierhaft, wie sich der Senat bei dieser Sachlage weiterhin so uneinsichtig angesichts der drohenden Probleme zeigen kann. Natürlich steht außer Frage, dass der Fußgängertunnel keinen Schönheitspreis gewinnen wird. Aber statt ihn zu schließen, sollte ihn die Senatsverwaltung lieber sanieren und attraktiver gestalten.“ Rund 100 Menschen haben die Petition bisher unterschrieben.
- Lebensmittelspende: „Bring Food, get a Glühwein“ lautet das Motto, mit dem der Verein Strassenfeger am Freitag ab 17 Uhr in den Kiezladen in der Oderberger Straße 12 einlädt. In dem Haus, das die Eigentümerin 1999 für die nächsten 50 Jahre an den Verein übergab, können insgesamt 18 Wohnungen zu sozialverträglichen Preisen vermietet werden – bevorzugt an Menschen aus der Notunterkunft in der Storkower Straße. Die wird ganzjährig betrieben, Bedürftige bekommen hier täglich eine warme Mahlzeit. Um dies weiter gewährleisten zu können, werden Lebensmittel benötigt, u.a. Reis und Nudeln, Honig, Zucker und Öl, aber auch frisches Obst und Gemüse. Wer am Freitag Lebensmittel in die Oderberger Straße bringt, erhält als Dankeschön einen Glühwein
Filmtipp
Wie hätte es in Pankow ausgesehen, wäre die Mauer nicht gefallen? Gábor Altorjay hat das Gedankenexperiment 1983 in einen skurrilen Film übertragen: „Pankow 95“ spielt im Januar 1995 in der Nervenklinik des Bezirkskrankenhauses Pankow. Die Deutsche Einheit hat nicht stattgefunden, auf der Mauer vor dem Krankenhaus prangt der Satz „30 Jahre Mauer – wir werden langsam sauer“ und aus der verarmten BRD fliehen massenweise Arbeitslose in die DDR. In seiner Zelle wartet Johann Wolfgang Amadeus Zart (gespielt von Udo Kier) darauf, wieder freigelassen zu werden; eigentlich erforscht er musikalische Massenphänomene bei Jugendlichen, wurde aber fälschlicherweise des Mordes bezichtigt. Die Pfleger*innen rund um den resoluten Arzt Dr. Frisch (Dieter Thomas Heck) drangsalieren die Insassen, die nur eins wollen: raus.
38 Jahre nach Erscheinen des Films ist dieser nun in der restaurierten Fassung zu sehen. Wir haben Regisseur Gábor Altorjay gefragt: Ahnte er zum Zeitpunkt der Dreharbeiten – die in der Bundesrepublik stattfanden – dass die Mauer irgendwann fallen würde? „Ich ging 1982, als ich den Film geschrieben habe, davon aus, dass die DDR ewig besteht – und von der Zukunft dieser ‚ewigen‘ DDR handelt ‚Pankow 95‘. Von einem Umbruch spürte ich damals nicht das geringste. Es erfüllt mich mit Genugtuung, dass meine Horrorvision nicht zur Wirklichkeit wurde und das Regime der DDR gescheitert ist und die BRD nicht zum Armenhaus wurde“, sagt der 75-Jährige.
Für ihn besitzt der Film auch im Jahr 2021 noch Aktualität: „Er hat erstaunlich dokumentarische Elemente, vom Schlangestehen bis zur Rolle von Serotonin und der Flucht aus Honkong – aber aktuell ist es eine starke Botschaft an die Leugner der Absurdität der so genannten Deutschen Demokratischen Republik. Hass und Verschwörung sind zentrale Bestandteile der Geschichte – ein Thema unserer Tage.“
„Pankow 95“ läuft ab dem 27. November im Lichtblick Kino auf der Kastanienallee.
Du willst mehr über Lokalpolitik, Verkehrswende und Leute im Kiez lesen – oder über etwas ganz anderes? Mach mit bei unserer kleinen Umfrage und verrate uns, welche Themen dich interessieren!
Kriminelles & Unschönes
- Messerangriff: In der Nacht zu Samstag wurde im Park am Arnimplatz ein 19-jähriger Mann von einem 20-jährigen Mann mit dem Messer verletzt, nachdem er versucht hatte, einen Streit zwischen dem Angreifer und einer anderen Person zu schlichten. Der Angreifer konnte zunächst flüchten, wurde aber am Parkausgang von Polizeikräften festgenommen. Der Verletzte wurde in ein Krankenhaus gebracht.
Tipps & Termine
- Immer: Wie schwer ist eigentlich der Mond, kann die Sonne explodieren und wo endet ein schwarzes Loch? Die Stiftung Planetarium Berlin hat unter dem Titel „Abgespaced – Der Weltraum von A bis Z“ einen Podcast für Kinder gestartet, alle zwei Wochen wird eine neue, von Kinderreporter*innen produzierte Folge auf Youtube veröffentlicht.
- 27.11.: Vorkaufsrecht, Eigenbedarfskündigungen, Leerstand – was bedeutet das eigentlich? Bei dem offenen Kieztreffen im Acud Theater in der Veteranenstraße kommen Mieter*innen und Hausgemeinschaften zusammen, um sich über die Lage im Bezirk auszutauschen und zu vernetzen. Der Eintritt ist frei, es gilt die 2G-Regel. Beginn ist um 17 Uhr.
- 2.12.: Der Lucia Weihnachtsmarkt in der Kulturbrauerei ist eröffnet und hat an den Donnerstagen vor Weihnachten jeweils einen Chor auf die Frannz Wintergartenbühne geladen. In der kommenden Woche singt der Feature Chor Berlin, bei dem professionelle Sänger mit ambitionierten Laien gemeinsam trälern. Intoniert werden Songs aus den Bereichen Indie-Pop, Singer-Songwriter und Folk. Eintritt frei, Beginn ist um 19 Uhr.
Das habt ihr vielleicht verpasst
- Klimastraße: Die Hagenauer Straße sollte schon länger grüner werden. Doch bisher stehen nur zwei Bäume in der Straße. Wie geht es mit dem Projekt „Klimastraße“ voran?
- Mietwohnungen: Mit Balkon und Parkplatz für das Lastenrad: Eigentlich sollten auf der Berliner Straße knapp 100 Eigentumswohnungen entstehen. Am Donnerstag wurde nun der Grundstein gelegt – allerdings für Mietwohnungen. Wie kommt das?
Zitat der Woche
„Grundsätzlich begrüßen wir bürgerschaftliches Engagement für den Klimaschutz, sofern es im Einklang mit geltendem Recht steht“
sagt die neu gewählte Bezirkstadträtin Manuela Andres-Granitzki (CDU).
Es muss also alles seine Ordnung haben in Kiezhausen! Vorerst dürfen die Bäumchen in der Gaubitzstraße also stehen bleiben. Ich werde mich hingegen jetzt hinsetzen, auf mein Sofa nämlich, und Feierabend machen. Ein gutes Wochenende euch allen!
Eure Julia
und die ganze Redaktion
Titelbild: Julia Schmitz
Dir gefällt, was wir machen? Hinter den Prenzlauer Berg Nachrichten steckt kein großes Medienunternehmen, sondern ein Team aus freien Journalist*innen mit großer Leidenschaft für Lokaljournalismus. Damit wir auch in Zukunft unabhängig und werbefrei aus den Kiezen berichten können, brauchen wir deine Hilfe: Unterstütze uns jetzt mit deiner Mitgliedschaft und erhalte Zugang zu allen Artikeln, den wöchentlichen Newsletter sowie den monatlichen Sondernewsletter zu einem Schwerpunktthema!