Wer will für unseren Kiez in den Bundestag? Wir haben die Direktkandidat*innen für Prenzlauer Berg und Prenzlauer Berg Ost zum Gespräch an einen Ort ihrer Wahl gebeten. Teil 3: Die Linke*.
Am 26. September werden auch in Prenzlauer Berg die Kreuze für die Bundestagswahl gemacht. Aber wer steht eigentlich zur Wahl in unserem Stadtteil? In den kommenden Wochen stellen wir die jeweiligen Kandidat*innen der verschiedenen Parteien vor – alle bekommen dabei die gleichen Fragen gestellt.
Für Teil 3 unserer Interview-Reihe haben wir uns mit den beiden Bundestagsanwärtern der Linkspartei getroffen, aus zeitlichen Gründen allerdings nicht zusammen. Warum Udo Wolf (Wahlkreis Pankow) die Kletterwand im Mauerpark und Pascal Meiser (Wahlkreis Prenzlauer Berg Ost) die Kiezkneipe Uebereck als Treffpunkt gewählt hat und welche politischen Ziele die Beiden verfolgen, haben sie uns im Gespräch verraten.
Dies ist ein Text aus unserem Schwerpunkt
Wahljahr 2021
Warum wollen Sie in den Bundestag?
Udo Wolf: Weil ich nach zwanzig Jahren im Abgeordnetenhaus eine neue Herausforderung suche. Und weil mein Freund Stefan Liebich, der diesen Wahlkreis dreimal hintereinander gewonnen hat und jetzt aufhört, mich gefragt hat, ob ich mir vorstellen kann, sein Nachfolger zu werden. Ich war in meiner politischen Laufbahn schon häufiger Vor- und Nachgänger von ihm und deswegen ist das jetzt einfach konsequent.
Pascal Meiser: Ich will die Arbeit fortsetzen, die ich vor vier Jahren begonnen habe! Ich möchte mich weiter für bezahlbare Mieten einsetzen, für anständige Löhne und Arbeitsbedingungen für alle Menschen. Weiterhin möchte ich für konsequenten Klimaschutz sorgen, der aber so ausgestaltet ist, dass er nicht zu Lasten derer geht, die eh schon jeden Cent zweimal umdrehen müssen.
Warum sollen die Bürger*innen ausgerechnet Sie wählen?
Pascal Meiser: Ich glaube, dass der Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg Prenzlauer Berg Ost mit der Wahl eines linken Direktkandidaten ein Ausrufezeichen setzen kann. Sie wissen, dass sie mit mir jemanden wählen, der bereit ist, sich mit den großen Immobilienkonzernen anzulegen. Und dass ich nicht nur davon rede, das Land sozialer zu machen, sondern auch konsequent dafür kämpfen werde. Als Linkspartei sind wir unbestechlich und unbeeinflussbar durch die großen Konzerne, deshalb kann man uns vertrauen.
Udo Wolf: Ich habe die politische Erfahrung als ehemaliger Fraktionsvorsitzender im Berliner Abgeordnetenhaus. Dadurch habe ich sowohl die Probleme der Landesebene und der Pankower Bezirkspolitik auf dem Schirm. Das möchte ich in den Bundestag einbringen. Insbesondere will ich dort aber auch das Thema Bürger- und Menschenrechte vertreten – das mir gerade in Zeiten der Pandemie und deren Folgen von besonderer Bedeutung erscheint.
Welches Thema in ihrem Wahlkreis liegt Ihnen besonders am Herzen?
Udo Wolf: Aktuell geht es mir besonders darum, das Thema soziale Gerechtigkeit mit der Klimanotlage in Verbindung zu bringen. Das zeigt sich ganz deutlich in einer Reihe von Nachverdichtungsvorhaben, auch im Bezirk Pankow. Wenn man sich den Schwarzplan von Prenzlauer Berg anschaut – auf dem nur die Gebäude eingezeichnet sind – gibt es hier nur noch ganz wenige grüne Flächen. Da müssen wir schauen, dass der benötigte und noch zu bauende und bezahlbare Wohnraum nicht zu Lasten der noch vorhandenen Grünflächen geht. Es geht um Begrünung der Innenhöfe, außerdem müssen Kleingärten und Parks erhalten bleiben und davor geschützt werden, dass sie durch Übernutzung kaputt gehen.
Pascal Meiser: Das drängendste Problem von Prenzlauer Berg aus meiner Sicht sind die weiter explodierenden Mieten. Ich glaube, dass der Berliner Mietendeckel ein guter Ansatz war; es ist äußerst bedauerlich, dass er durch CDU, CSU und FDP vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall gebracht wurde. Jetzt muss dringend ein bundesweites Gesetz geschaffen werden, damit Städte wie Berlin, in denen der Mietmarkt extrem angespannt ist, die Mieten deckeln können. Natürlich gibt es auch andere wichtige Themen: Zum Beispiel müssen wir dafür sorgen, dass Arbeit nicht mehr so billig ist. Wir fordern einen Mindestlohn von 13 Euro – von unter 10 Euro kann niemand seine Familie durchbringen und es droht die Altersarmut. Darüber hinaus muss die gesetzliche Rentenversicherung gestärkt werden; denn vor allem im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg Prenzlauer Berg Ost hat die Altersarmut stark zugenommen und wird dies auch in den nächsten Jahren noch tun.
Wie wollen Sie das konkret umsetzen?
Udo Wolf: Die Vorhaben der Nachverdichtung gehören meiner Meinung nach alle auf den Prüfstand. Wohnungsbau sollte dort entstehen, wo es ökologisch vertretbar ist. Es gibt zum Beispiel eine ganze Reihe an diesbezüglich nicht so interessanten Brachen in der Stadt, die genutzt werden könnten. Bevor das geschieht, muss aber erst ein Verkehrskonzept vorliegen, damit die neuen Stadtquartiere auch an die Innenstadt angeschlossen sind.
Pascal Meiser: Den Berliner Mietendeckel kann man relativ problemlos übernehmen und auf Bundesebene in ein Gesetz gießen, auch mit Spielraum für die einzelnen Kommunen. Ein einfaches Gesetz reicht auch, um den Mindestlohn anzuheben.
Was muss in Prenzlauer Berg dringend verbessert werden?
Pascal Meiser: Neben dem Thema bezahlbarer Wohnraum ist im Wahlkreis aus meiner Sicht das Thema Ausbau der klimaneutralen Verkehrsinfrastruktur ganz zentral – mit Blick auf Prenzlauer Berg insbesondere die Radinfrastruktur. Wenn man sich anschaut, wie sehr der Radverkehr gewachsen ist und wir auch noch mehr Leute ermutigen wollen, Rad zu fahren, dann muss diesbezüglich ausgebaut werden. Das wird zwar nicht vom Bund entschieden, sondern über die Landes- und Bezirksebene umgesetzt; aber ich setze mich auch gegenüber diesen Ebenen dafür ein, dass es hier zu guten Lösungen kommt.
Udo Wolf: Zum Beispiel den Ausbau der Schulen mit Belüftungsanlagen. Auch die Konzepte jener Schulen, die jetzt neugebaut werden, müssen auf ihr Pandemiesicherheit überprüft werden. Das Thema Digitalisierung ist natürlich ebenfalls extrem wichtig – nicht nur die Digitalisierung der Schulen, sondern auch der Verwaltung. Noch immer haben wir dort nicht die baulichen Vorraussetzungen für eine Digitalisierung, da muss dringend nachgearbeitet werden. Hier gibt es eine wichtige Verbindung zwischen Landes- und Bundespolitik: Die Bundespolitik muss die Mittel zur Verfügung stellen, die Landespolitik muss das Organisatorische schnellstmöglich auf den Weg bringen und es mit dem Bezirksamt in die Umsetzung bringen. Wichtig ist natürlich auch die Verkehrspolitik: Wie kommen Pendler*innen in die Stadt? Die großen Straßen in Pankow sind allesamt überlastet, man muss viel stärker auf den Ausbau des ÖPNV setzen. Außerdem brauchen wir ein intelligentes Verkehrskonzept für die „letzte Meile“, damit die Menschen tatsächlich auch auf das Auto verzichten können.
Was verbindet Sie persönlich mit Prenzlauer Berg?
Udo Wolf: Hier habe ich die Liebe meines Lebens gefunden! Es ist ein wunderschöner Stadtteil in seiner ganzen Vielfältigkeit. Ich hätte mir gewünscht, dass die Segregationsprozesse früher ernst genommen worden wären und man die Vertreibung von Alteingesessenen Mieter*innen frühzeitig gestoppt hätte. Jetzt ist es aber so, wie es ist. Die neu Zugezogenen haben jetzt auch erkannt, denke ich, dass sie selbst nicht davor gefeit sind, ebenfalls verdrängt zu werden – wenn man nicht politisch gegensteuert.
Pascal Meiser: Ich bin seit über 20 Jahren bekennender Kreuzberger, bin dem Stadtteil aber einmal fremdgegangen und habe für ein Dreivierteljahr in Prenzlauer Berg gewohnt. Auch wenn es mich danach wieder nach Kreuzberg verschlagen hat – ich habe seitdem ein extrem positives emotionales Verhältnis zu Prenzlauer Berg. Vieles von dem, was damals Prenzlauer Berg ausgemacht hat, ist leider arg ramponiert worden. Zu der Zeit waren die Mieten noch bezahlbar, auch für Leute mit kleinem Geldbeutel. Es gab unglaublich viele tolle Eckkneipen und kleine Clubs, das war pulsierendes Leben. Viele davon gibt es nicht mehr, was ich sehr traurig finde. Manches ist aber auch geblieben und ich tue alles dafür, dass diese Orte erhalten bleiben. Zum Beispiel, indem ich mich für ein Gewerbemietrecht zum Schutz des Kleingewerbes einsetze
Warum haben Sie diesen Ort für unser Gespräch gewählt?
Pascal Meiser: Das Uebereck ist eine dieser urigen Kneipen, die ich unglaublich schätze und von denen ich möchte, dass sie erhalten bleiben. Für mich machen sie den Charakter eines solchen Stadtteils aus. In den letzten anderthalb Jahren während der Pandemie war es mir immer besonders wichtig mich auch im Bundestag dafür einzusetzen, dass der Gastronomie unbürokratisch geholfen wird. Ich hatte große Sorgen, dass nach dem Lockdown die Hälfte der Läden nicht mehr aufmachen kann.
Udo Wolf: Hier an der Kletterwand im Mauerpark habe ich vor ungefähr 13 Jahren das Klettern gelernt, und zwar das Vorstiegsklettern. Den Leuten vom Deutschen Alpenverein, die mir das damals beigebracht haben, habe ich zu verdanken, dass ich jetzt im Sommer in den Dolomiten an echten Felsen klettern kann.
Was machen Sie, wenn Ihnen Berlin mal so richtig auf den Zeiger geht?
Udo Wolf: Dann fahre ich in die Berge! Noch lieber als Klettern gehe ich Ski-Bergsteigen. Man schnallt sich synthetische Felle unter die Skier und steigt damit auf Berge, gerne auch auf Gletscher. Dann fährt man wieder runter. Das ist großartig, weil man beim Aufstieg über vieles nachdenken kann, bei der Abfahrt hat man dann Adrenalin pur.
Pascal Meiser: Das mag überraschend klingen, weil Berlin vielen auf den Zeiger geht, aber: so richtig geht mir das allerdings nie so. Das schöne ist ja, dass Berlin so viele Seiten hat und man sich das raussuchen kann, was man gerade braucht. Aber wenn ich mal abschalten möchte von dem ganzen Politikkram, mache ich Sport. Ich spiele noch immer aktiv Fußball in der Altliga, wie das so schön heißt, wenn man über 40 ist.
Titelbilder: Pascal Meiser (links) und Udo Wolf (rechts) kandidieren für den Bundestag / Fotos: Julia Schmitz
*Disclaimer: Die Reihenfolge, in der wir die Parteien vorstellen, ist keine Wertung von unserer Seite und auch nicht auf die Stimmzahlen bei der vergangenen Wahl bezogen. Sie ergibt sich schlicht aus den Zeitpunkten, zu denen wir die beiden Kandidat*innen vor Ort treffen konnten.
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