Als Pankows jüngster Politiker wurde Paul Schlüter (Linke) 2016 in die BVV gewählt. Nach fünf Jahren ist längst nicht Schluss mit Politik. Im September könnte Schlüter sogar ins Abgeordnetenhaus einziehen.
Schwarze Röhrenjeans in modischer Knöchellänge, tailliertes Hemd, aufrechter Gang – ein stylischer junger Mann fällt auf dem Bezirksamtsgelände in der Fröbelstraße auf. Neben den uniformierten Ordnungsamtsmitarbeitenden, die von hier aus ihren Dienst in Prenzlauer Berg antreten, sind an diesem warmen Nachmittag fast nur Familien mit kleinen Kindern zwischen den Backsteingebäuden unterwegs. Bei dem Wetter wird der Gang zum Amt nur angetreten, wenn es wirklich dringend ist.
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Wahljahr 2021
Für Paul Schlüter sind die Sitzungs- und Büroräume der Fröbelstraße in den letzten fünf Jahren zum zweiten Wohnzimmern geworden. Zwischen Arbeit in den Ausschüssen, Fraktionssitzungen und BVV-Tagungen verbringt der 23-Jährige dort einen Großteil seiner Nachmittage und Abende – oder verbrachte sie dort bis zum Beginn der Pandemie. Inzwischen finden die Sitzungen digital statt. Sogar die große BVV-Tagung, die seit Januar auf Youtube gestreamed wird – ein Meilenstein in der Digitalisierung der Lokalpolitik. Weniger zu tun hat Schlüter dadurch nicht. „In einer normalen Tagungswoche gehen meine Arbeitstage Montag bis Donnerstag von 9 bis 22 Uhr.“ Politiker sein, das muss man wollen.
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Aus der Schule in den Landesvorstand
Sitzungsvorbereitung, Arbeitsgruppen, Protokolle erstellen, Anträge schreiben und Anfragen einreichen – all das bewältigt Schlüter neben seinem Studium des Verwaltungsrechts. Nebenbei jobbte er bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung und ist inzwischen Mitarbeiter im Abgeordnetenhaus. Die Mitglieder der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) bekommen zwar eine Aufwandsentschädigung für ihre Arbeit, Berufspolitiker*innen sind sie aber nicht.
Als Paul Schlüter 2016 mit nur 19 Jahren in die BVV gewählt wurde, ging er noch zur Schule und wohnte bei seinen Eltern. Fünf Jahre später ist der Pankower fest im politischen Leben der Hauptstadt angekommen: Neben seiner BVV-Tätigkeit sitzt er im Bezirksvorstand und seit November auch im Landesvorstand der Berliner Linken. Das sei hoffentlich ein Ausdruck dessen, dass man seinen Job „zumindest ganz vernünftig“ mache, sagt Schlüter. Von vielen Altersgenoss*innen ist er immer noch nicht umgeben. Das wird wohl auch nach den Wahlen im September so bleiben. „Ich habe mit Erschrecken festgestellt, dass es eine Kandidatin gibt bei der CDU, die jünger ist als ich“, witzelt Schlüter. „Ansonsten bin ich mal wieder der Jüngste.“
Zweites Standbein als DJ Paul Paillette
Schlüter hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Interessen junger Menschen zu vertreten – die Kinder- und Jugendpolitik ist sein Herzensthema. Sein größter Erfolg in den letzten fünf Jahren? Dass die Beratung für Mädchen und junge Frauen im Bezirk ausgebaut wurde, etwa im Mädchenclub tivolotte in der Berliner Straße. Wäre Schlüter Bezirksbürgermeister und könnte alles machen, was er wollte, dann würde er alle Spielplätze in Pankow komplett sanieren. Beteiligung ist ein weiteres wichtiges Thema für den 23-Jährigen. „Kinder gründen ja keine Bürgerinitiativen“, sagt Schlüter. Umso wichtiger sei es, sie nach ihren Wünschen und Meinungen zu fragen.
Als ob die Politik nicht schon genug Zeit in Anspruch nähme, hat sich Schlüter nebenher mal eben ein zweites Standbein als DJ in der queeren Partyszene aufgebaut. Angefangen habe das eher zufällig, erzählt er. Er habe früher in der Flax Bar in der Chodowieckistraße Karaoke moderiert und sich immer über die schlechte Musik, die zu Beginn lief, geärgert. „Da dachte ich mir, das kannst du besser“, erzählt Schlüter. Auch hier scheint das Multitalent seinen Job vernünftig gemacht zu haben. Bald legte Schlüter als DJ Paul Paillette in legendären Szeneclubs wie dem Schwuz oder der Bar zum schmutzigen Hobby auf, tourte für CSD-Partys durch ganz Deutschland – bis die Pandemie kam.
Direktkandidat zur Abgeordnetenhauswahl
DJ-Dasein, Studium, Lokalpolitik – wie schafft man das alles? Schlüter scheint es selber nicht genau zu wissen. „Es gab im Jahr 2019 kein einziges Wochenende in den Monaten Juni, Juli und August, an dem ich zu Hause war – da habe ich immer in irgendeiner anderen Stadt aufgelegt“, sagt der Lokalpolitiker und zuckt mit den Schultern. Eine mögliche Erklärung: Herausforderungen habe er schon immer gemocht. Und das Auflegen sei eben auch ein guter Ausgleich zur politischen Arbeit.
Müde wirkt Schlüter jedenfalls kein bisschen. Im Gegenteil, er hat große Pläne: Im September kandidiert er als Direktkandidat in Weißensee für das Abgeordnetenhaus. Die Chancen stehen nicht schlecht: 2016 landete die Linke im Wahlkreis auf Platz 2 mit nur 0,7 Prozentpunkten hinter der SPD. „Nichts, was man nicht mit guter Laune, gutem Wahlkampf und guten Inhalten hinbekommen könnte“, sagt Schlüter und man merkt ihm an, wie viel Lust er auf den Job hätte. Die Karriere als DJ Paul Paillette müsste er dann aber wohl an den Nagel hängen, meint er. „Der tanzende Landtagsabgeordnete – also ich weiß nicht.“
Klappt es mit dem Direktmandat nicht, will sich Schlüter aber genauso leidenschaftlich fünf weitere Jahre in der BVV einbringen und daran arbeiten, Pankow familienfreundlicher zu machen. Der Einzug in das Bezirksgremium ist ihm mit Listenplatz neun so gut wie sicher. „Aber jetzt freue ich mich erstmal auf Wahlkampf!“ Schlüter sagt das so, als gehe es um die nächste CSD-Party: „Ich liebe Walkampf, ich bin eine totale Wahlkampf-Maus.“ Schließlich sei er stolz darauf, was seine Partei in den letzten fünf Jahren geleistet habe. Diese Erfolge wolle er auch unter die Leute bringen.
Titelbild: Kristina Auer
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