Corona

„Die Stimmung ist angestrengt“

von Katharina Angus 2. November 2020

Berlinweit steigen die Infektionszahlen und der besorgte Blick richtet sich auf die Kliniken. Doch wie geht es eigentlich den Hausärzten in dieser Zeit?


Dr. Silke Weck ist Fachärztin für Innere Medizin und arbeitet in der Praxis „Die Hausärzte“ in der Stargarder Straße. Mit dem Ausbruch der Corona-Pandemie musste auch sie ihre Arbeit an die neue Situation anpassen. Wir haben mit ihr darüber gesprochen.

 

Frau Dr. Weck, wie ist die Stimmung bei Ihnen in der Praxis angesichts der steigenden Covid19-Infektionszahlen?

Die Stimmung ist angestrengt. Die Mitarbeiter sind erschöpft, weil die Frequentierung durch die Patienten natürlich ungleich höher ist als zu früheren Zeiten. Wir sind manchmal fassungslos über die Ansteckungswege und oft auch hilflos angesichts der begrenzten Kapazitäten und der großen Nachfragen. Die meisten, bei denen hier eine Covid19-Infektion nachgewiesen wird, sind junge Menschen zwischen 25 und 40 Jahren. Sie sind größtenteils sehr unbekümmert und haben überhaupt keine Angst vor dem Virus. Das ist schade, denn es bedeutet, dass die älteren Menschen sich stärker einschränken müssen.

 

Gibt es Erkenntnisse, die Sie aus dem Frühjahr gewonnen haben und die Ihre Arbeit und beeinflussen?

Wir haben eine Infekt-Sprechstunde eingerichtet. Im Frühjahr mussten wir die Praxis übergangsweise komplett schließen und haben nur noch Infekt-Patienten behandelt. Jetzt haben wir die Sprechstunden getrennt. Das bedeutet, unsere chronisch kranken Patienten oder die Patienten, die ein Anliegen haben, das nicht die Atemwege betrifft, werden hier in der Stargarder Straße behandelt, die anderen in der Eberswalder Straße. Im September hatten wir noch Corona-Tests in der Praxis durchgeführt, konnten das Prozedere aber aufgrund der großen Nachfrage nicht mehr organisieren. Zum einen, weil sich die Mieter im Haus beschwerten, zum anderen, weil wir nur begrenzte räumliche Möglichkeiten zur Verfügung haben. Der Wartebereich der Infekt-Sprechstunde befindet sich im Freien in einem Zelt und die Patienten können einzeln zur Sprechstunde eintreten, sodass die Ansteckungsgefahr so gut es geht minimiert wird.

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Stellen Sie bei den Patient*innen insgesamt fest, dass die Besorgnis größer oder kleiner ist, als im Frühjahr?

Leider schleicht sich allgemein die Nachlässigkeit ein, die Patienten sind deutlich weniger besorgt als im Frühjahr. Wenn, dann sind es eher die Älteren, so ab 55 Jahren, die sich Gedanken machen.

 

Wie steht es um die Nachfrage und Versorgung mit der Grippeschutzimpfung?

Die Nachfrage ist sehr viel höher als in den letzten Jahren. Bei uns wurde sie schon immer stark nachgefragt, weil wir auch dafür sind, sich gegen die Grippe impfen zu lassen, egal, ob Corona oder nicht. In diesem Jahr gilt das natürlich besonders und wir haben auch mehr Dosen geordert, aber die werden sicherlich nicht bis Februar oder Anfang März ausreichen.

 

Können Sie uns etwas über die Kooperation mit den Gesundheitsämtern erzählen?
Unser Hauptansprechpartner ist das Gesundheitsamt Pankow. Das ist eigentlich eine gute Zusammenarbeit. Sie sind für uns erreichbar und gerade im Hinblick auf das Errichten der Test-Außenstelle stehen wir im Austausch.

 

Wie sollte Ihrer Meinung nach der Senat auf die verschärfte Situation reagieren?

Auf jeden Fall mit besserer Aufklärung der Bevölkerung über die Quarantäne-Regeln und einem Abbau der Bürokratie. Ich muss schon nur für die Abrechnung der Patienten fast eine Kraft abstellen. Ich würde mir sehr wünschen, dass dieser Aufwand minimiert wird, vor allem, wenn man neue Maßnahmen ergreift. Wenn wie jetzt die Gesundheitsämter in Einzelfällen die Kontakt Nachverfolgung aufgeben, weil sie es nicht mehr schaffen, was ich auch verstehe, müssen wir einen beträchtlichen Teil der Arbeit übernehmen, insbesondere was die Beratung und Aufklärung der Patienten angeht. Das ist sehr zeitaufwendig. Machbarkeit sollte mit den Hausärzten besprochen werden. Man müsste sich besser abstimmen, denn wir sind auch an unserer Kapazitätsgrenze angekommen.

 

Tauschen sich die Hausarztpraxen im Prenzlauer Berg über die Situation aus?
Wir sind auf jeden Fall im Austausch. Die Lage ist überall ähnlich, obwohl der Prenzlauer Berg sich bei den Infektionszahlen berlinweit ja noch im unteren Drittel befindet. Doch die Sprechstunden sind voll, die Menschen warten und nicht alle kommen dran. Ich hoffe, dass mehr Hausärzte in Zukunft auch Infekt-Sprechstunden anbieten.

 

Interview: Katharina Angus

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