Wahlkampf

Born in the U.S.A.: Wahlkampf mitten in Prenzlauer Berg

von Redaktion der Prenzlauer Berg Nachrichten 22. Oktober 2020

Rund 3000 US-Amerikaner leben in Pankow. Um auch sie zum Wählen zu bewegen, helfen die „Democrats Abroad“ mit ihrer Plattform „Vote from Abroad“. Wir haben sie getroffen.


An einem Samstag Ende September, zwischen Obstständen, Käsetheken und Secondhand Kleidung, ganz am Ende des Kollwitzmarktes, befindet sich ein eher unscheinbarer Stand. „Vote from Abroad“ steht auf dem blau-weißen Banner, der um den Tisch gehängt wurde.  Er gehört zu Constance Chucholowski, die mit ihrem breiten kalifornischen Lächeln und zusammen mit ihren Kollegen wie fast jedes Wochenende in Prenzlauer Berg Wahlkampf macht. Und zwar für die anstehenden Wahlen des US-Präsidenten Anfang November. Denn allein in Berlin leben 22 000 wahlberechtigte US-Bürger, rund 3000 davon im Bezirk Pankow. „Corona macht alles schwerer, aber nicht unmöglich“, sagt Chuchulowski. 

Die 29-Jährige ist Kiez Captain für den Prenzlauer Berg innerhalb der Democrats Abroad Berlin, einer Organisation der Demokratischen Partei für US-amerikanische Bürger*innen, die im Ausland leben.

Geboren ist sie in Freiburg, aufgewachsen in den USA und hat zuletzt in Madison in der Nähe von Milwaukee im Bundesstaat Wisconsin gelebt. Dort zählt auch ihre Stimme bei den anstehenden Wahlen. Seit viereinhalb Jahren lebt Chuchulowski in Prenzlauer Berg, bereits seit

Jahren in Berlin. Sie schätzt den Flair im Kiez, die Mischung aus Lebendigkeit und Zusammenhalt, aber auch die Ruhe, die man in Prenzlauer Berg finden kann. Dass sie im Kiez auch noch politisch aktiv sein kann, findet sie inspirierend. Letztendlich war auch das einer der Gründe, warum sie überhaupt nach Berlin und schließlich nach Prenzlauer Berg gezogen ist.    

 

Skeptisch, was das Wahlergebnis angeht

Change“. Das war im Wahlkampf 2008 Barack Obamas Leitwort, mit dem er die Wähler gewinnen konnte. Einen solchen Change“, eine Veränderung, erhofft sich auch Chuchulowski durch ihr Mitwirken im Wahlkampf. Sie will ihren Teil dazu beitragen, dass sich die Dinge in ihrem Heimatland wieder ändern, und zwar zum Positiven.

Was einen Wahlsieg der Demokraten bei der Wahl am 3. November angeht, ist die gebürtige US-Amerikanerin eher skeptisch, eine Prognose möchte sie nicht abgeben. Chuchulowski erinnert sich an die Präsidentschaftswahlen vor vier Jahren, an die Vorwürfe der Wahlmanipulation und die inzwischen erwiesene Einflussnahme Russlands auf die Wahlergebnisse.

Dass sie kritisch bleibt, schützt Constance Chucholowski vor Enttäuschungen, wie sie selbst sagt. Ihren Arbeitseifer jedenfalls hat die Prenzlauer Bergerin noch nicht verloren – sie ist motiviert, ihr Bestes zu geben, um möglichst viele Wählerstimmen für die Demokraten zu sammeln. Neben den wöchentlichen Infoveranstaltungen treffen sich die Mitglieder der Democrats Abroad alleine, manchmal in der Bar Two Fellas in Pankow, manchmal im Cookies und Cream in Prenzlauer Berg. 

Der Kontrahent der Democrats Abroad ist Republican Overseas. Beide Initiativen sind nicht direkt der Organisation Vote from Abroad untergeordnet. Vote from Abroad wurde zwar von den Democrats Abroad ins Leben gerufen, jedoch dient sie zugleich Demokraten wie auch Republikanern ausschließlich zur Wählerregistrierung. Die Wahlen werden zentralistisch aus den Vereinigten Staaten geleitet und verwaltet. Ein Grund, warum die Organisation auf Deutschlands Straßen Wahlkampf macht, ist die geringe Wahlbeteiligung in den USA. In den Vereinigten Staaten liegt die nämlich bei gerade mal knapp über 50 %, teilweise auch darunter. 

 

„Ich sehe eine große Mobilisierung in Berlin“

Weltweit sind die Democrats Abroad in 40 Ländern aktiv, erklärt Powen Shiah, Pressesprecher der Organisation. „Innerhalb von Deutschland wird Democrats Abroad dann in Landesgruppen unterteilt. Weil Berlin so dicht besiedelt ist, haben wir als Landesvorstand (Berlin-Brandenburg) entschieden, das wir dem Ganzen noch einen lokaleren Bezug geben wollen. Deswegen haben wir Leute gesucht wie Constance, die jetzt für die Kieze zuständig sind. Wir haben neben Prenzlauer Berg in Wedding eine aktive Gruppe, in Charlottenburg-Wilmersdorf, Kreuzberg und Friedrichshain“. 

Auch Shiah möchte keine Prognose abgeben, wie die Wahlen Anfang November ausgehen könnten. „Wir tun einfach, was wir können, um Wähler in Berlin zu registrieren und auch bei der Rücksendung von Wahlbögen zu helfen“, sagt er. Wegen der Corona-Pandemie könnte das Ganze in diesem Jahr deutlich länger dauern, vermutet der Pressesprecher. Und doch ist Shiah zuversichtlich:  „Neben allen Schwierigkeiten sehe ich eine große Mobilisierung in Berlin und auch in den USA. Ich weiß nicht, ob ich zu optimistisch bin, aber diese Wahlen sind keine, bei denen sich Leute zurücklehnen werden“. 

Dass sich US-amerikanische Bürger mit Wohnsitz im Ausland politisch engagieren und wählen gehen, hält Shiah für unglaublich wichtig. Es sei eine Verantwortung, ein Recht, von dem jeder Einzelne auch Gebrauch machen sollte. Und mithilfe von Democrats Abroad will er sie genau dazu motivieren.  

 

Jede Stimme zählt

Aber wie groß ist der Einfluss der Berliner US-Bürger am Ende tatsächlich? „Eine Frage, die sich bei jeder Wahl stellt“, sagt Shiah. Egal ob in Deutschland, in den USA oder irgendwo in Europa. „Natürlich ist jede Stimme ’nur‘ eine einzelne Stimme. Es ist aber eine Grundsatzfrage und ohne Engagement und ohne Teilnahme ist es keine Demokratie mehr. Es gibt ca. 6,5 Millionen US-Wahlberechtigte, die im Ausland leben, somit sind diejenigen, die in Berlin leben, nur ein Bruchteil davon“. 

Tatsächlich ist die Wahlbeteiligung der ausgewanderten US-Amerikaner noch mal deutlich niedriger als ohnehin schon. Bei den letzten Wahlen sei sie unter zehn Prozent gefallen, erinnert sich Shiah. Das gelte nicht nur für die Präsidentschaftswahlen, sondern auch auf lokaler Ebene: 2017 musste bei der Wahl des Abgeordnetenhauses von Virginia sogar eine Münze geworfen werden, nachdem zwei Kandidaten bei der Auszählung gleichauf lagen. „In diesem Fall hätte eine Stimme aus Kanada oder auch aus Berlin dann doch einen großen Unterschied gemacht“, so Shiah.

Text: Eldan Fakic

Titelbild: Shiah Powen. 

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1 Kommentar

DM 23. Oktober 2020 at 10:24

Super Text und das Ganze sollte weiter in Angriff genommen werden! 👍🏼

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