Ab nächstem Jahr sollen nicht mehr private Firmen, sondern der Bezirk selbst die Schulen putzen. Die Finanzierung ist noch nicht geklärt.
Berlins Schulen sind dreckig – und das ist längst keine Neuigkeit mehr. Seit Jahren mehren sich die Berichte über schmutzige Fußböden, fehlende Seife und unbenutzbare Schulklos. In Pankow, Berlins kinderreichstem Bezirk, ist die Lage vielerorts noch dramatischer. Erst kürzlich machte ein Gymnasium in Prenzlauer Berg Schlagzeilen, weil es seinen Schülern zeitweise “stinke-frei” gab. Gleichzeitig mehren sich die Forderungen, der Bezirk solle mehr Geld in die Schulreinigung stecken, damit auch tagsüber geputzt werden kann. Die Initiative “Schule in Not” geht sogar noch weiter: Die Schulreinigung solle rekommunalisiert werden, sprich: Pankow soll seine Schulen wieder selbst putzen, um dem jahrelangen Unterbietungswettbewerb ein Ende zu setzen, der zwischen den privaten Reinigungsfirmen entbrannt ist und auf den Rücken der Putzkräfte ausgetragen wird. Die Entprivatisierung der Schulreinigung stand im Pankower Rathaus dennoch lange Zeit nicht zur Debatte. Bis jetzt.
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Bis 2025 sollen alle Putzkräfte beim Bezirk angestellt sein
Als Susanne Kühne von der Initiative “Schule in Not” am Donnerstag im Finanzausschuss vorsprechen durfte, sollte sie den Sitzungssaal später mit einem breiten Lächeln verlassen. Noch einmal wiederholte sie, was längst allen Lehrern, Eltern und Bezirksverordneten klar ist: Die Reinigung in den Pankower Schulen ist ungenügend. Die Reinigungskräfte haben teilweise nur zwei Minuten Zeit, um einen Klassenraum zu putzen. Kinder trinken in der Schule absichtlich wenig, weil sie den Klobesuch vermeiden wollen. Eltern schwingen selbst den Besen.
„Wir fordern, dass sich die Bezirke und das Abgeordnetenhaus für Sofortmaßnahmen und für die Rekommunalisierung der Schulreinigung einsetzen”, heißt es in dem Einwohnerantrag, den die Initiative an den Bezirk gestellt hat. Der Schulausschuss hat dem Einwohnerantrag bereits einstimmig zugestimmt – bis 2025/26 sollen alle Schulreinigungskräfte wieder beim Bezirk angestellt sein. Am Mittwoch ging der Antrag nun vor die Bezirksverordnetenversammlung – und wurde auch hier angenommen. Pankow gehört damit nun zusammen mit Friedrichshain-Kreuzberg zu den Vorreitern bei der Rekommunalisierung.
Außerdem sollen die Schulen schnellstmöglich um eine Tagesreinigung ergänzt werden. Reichen die bezirklichen Mittel nicht, soll der Senat um Unterstützung gebeten werden.
Acht Mio. Euro Mehrkosten
Dass sich der Bezirk lange gegen eine Rekommunalisierung gesträubt hat, ist vor allem finanzieller Natur. Denn um künftig auf Eigenreinigung umstellen zu können, müsste Pankow etwa 350 Reinigungkräfte zuzüglich Führungspersonal einstellen, wie Schulstadtrat Torsten Kühne in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage im Februar ausgerechnet hat. Mit Bezahlung nach Entgeltgruppe 2 würden sich allein die Personalkosten auf mehr als 13 Mio. Euro belaufen. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 hat Pankow knapp 5,7 Mio. Euro für die Schulreinigung ausgegeben – ganze acht Mio. Euro weniger.
Hoffnung hatte zuletzt gegeben, dass das Abgeordnetenhaus Anfang Dezember eine „Putz-Aufstockung“ beschlossen und den Bezirken 16 Mio. Euro für die nächsten zwei Jahre versprochen hat, die in die Schulreinigung fließen sollen. Jene 16 Mio. Euro müssen sich die Bezirke allerdings teilen – für 2020 würde das pro Bezirk also gerade mal etwas mehr als eine halbe Mio. Euro Zuschuss vom Senat bedeuten.
„Die zusätzlich bereitgestellten Mittel dienen erst einmal ausschließlich zur Beauftragung zusätzlicher Reinigungsleistungen“, sagt Torsten Kühne auf Nachfrage. Um die Reinigung zu rekommunalisieren, müssten im nächsten Haushalt neue Stellen geschaffen werden, so Kühne weiter. „Dazu müssen Senat und Abgeordnetenhaus zustimmen“.
Wo das Geld für die Rekommunalisierung also herkommen soll, das scheint noch immer nicht ganz geklärt. Im Antrag heißt es: „Die erforderlichen finanziellen Mittel sind im Doppelhaushalt 2022/23 und den folgenden Jahren einzustellen“. Ob das am Ende reichen wird? Torsten Kühne hat darauf keine konkrete Antwort: „Ob die Mittel am Ende des Tages reichen, kann ich noch nicht sagen. Eventuell muss man mit der Landesebene noch einmal das Gespräch suchen“, sagte der Schulstadtrat im Ausschuss. Ob und welche Auswirkungen die nunmehr wieder sehr begrenzten Finanzmittel nach der Corona-Krise haben werden, könne man derzeit noch nicht abschätzen.
Zumindest etwas hat sich schon getan in Sachen Schulreinigung: In der Pankower Gesamtschule am Falkplatz wird bereits tagsüber geputzt. Die Verträge mit den Reinigungsfirmen seien flexibel und ließen sich leicht anpassen, so Kühne.
„Die Reinigung reicht vorne und hinten nicht“
Dass es höchste Zeit für eine Umstrukturierung ist, merken nicht nur die Eltern. „Die Reinigung reicht vorne und hinten nicht”, sagt der Schulleiter der Bornholmer Grundschule, Jochen Fuchs, den wir Ende Februar getroffen haben. Seit Jahren ist die Schulreinigung ein Thema an der Grundschule in Prenzlauer Berg (Foto oben). 600 Kinder werden hier inzwischen unterrichtet – weit mehr, als für das 100 Jahre alte Schulgebäude eigentlich vorgesehen sind. Für die Reinigung zuständig ist seit zehn Jahren eine einzige Person, die von einer externen Firma gestellt wird. “Er tut sein Bestes und ist sehr zuverlässig”, sagt Catrin Kremer, stellvertretende Schulleiterin.
Doch bei der Masse an Kindern, die sich die wenigen Toiletten teilen, sei die Reinigung einfach nicht mehr zu bewältigen. „Früh morgens sind die Toiletten noch in Ordnung. Mittags dann nicht mehr”. Schon mehrmals sei man mit dem Bezirk deswegen im Gespräch gewesen und konnte so zumindest eine kleine Änderung bewirken: Nach langem Hin und Her gibt es seit einem Jahr an der Grundschule eine Zwischenreinigung. Einmal am Tag kommt ein Mitarbeiter und putzt zwei Stunden zusätzlich. „Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein”, sagt Schulleiter Fuchs. Zwei Stunden seien ganz einfach viel zu wenig, um gründlich zu reinigen.
„Der einzige Ausweg ist die Rekommunalisierung”
Zwar hat die Schule wie jede Berliner Schule jederzeit die Möglichkeit, eine Grundreinigung beim Bezirk zu beantragen. Beispielweise, wenn gebaut wird und sich überall auf dem Gelände der Baustaub verteilt. Jedoch sei das viel zu umständlich, sagt Fuchs und berichtet von aufwändigen Anträgen, die bei der Immobilienverwaltung im Bezirk gestellt werden müssen. Selbst Beschwerden über eine unzureichende Reinigung würden jedes Mal in „ewigen Verfahren” enden. Außerdem müsse dafür täglich dokumentiert werden, wie sauber die Schule ist. „Das ist ein Verwaltungsaufwand, der erst mal geleistet werden muss”.
Die Schulleitung ist sich einig: Nach 40 Jahren, in denen die Schulreinigung an die Privatwirtschaft ausgelagert war, soll sie jetzt zurück in die öffentliche Hand fallen. Wären die Reinigungskräfte beim Bezirk angestellt, hätte man wieder mehr Einfluss auf die Reinigung, so Schulleiter Fuchs. So begründet auch der Pankower Finanzausschuss seine Forderung, von Fremd- auf Eigenreinigung umzustellen:
Das Personal leidet unter schlechten Arbeitsbedingungen bei niedrigen Löhnen, wobei die Beschäftigungsverhältnisse intransparent und schlecht kontrollierbar und viele Beschäftigungsverhältnisse Minijobs oder befristete Teilzeitjobs sind. Die schlechte Reinigungsqualität resultiert somit aus den Ausschreibungsrichtlinien des Landes Berlin. Der einzige Ausweg aus dieser Situation ist die Rekommunalisierung der Schulreinigung und die damit verbundene Anstellung von Fachpersonal direkt im Bezirksamt,
heißt es im Beschlussvorschlag, der am Mittwoch vor die Bezirksverordnetenversammlung geht.
Oft kriegt der billigste Anbieter den Auftrag
Ab dem Schuljahr 2021/22 soll die Reinigung an Pankows Schulen also schrittweise rekommunalisiert werden. Das dürfte nicht bei allen für Freudentänze sorgen. Holger Schmidt* zum Beispiel, den wir ebenfalls Ende Februar getroffen haben und der seinen richtigen Namen lieber nicht in einem Artikel lesen will, ist gegen die Rückkehr zur Eigenreinigung. Und es verwundert nicht: Der Familienvater leitet eine der größten Reinigungsfirmen Deutschlands. Alleine in Pankow putzt Schmidts Firma sieben Schulen, und das seit vielen Jahren.
„Warum kontrollieren der Bezirk und die Schulen nicht einfach, ob die Arbeit richtig gemacht wird?”, sagt Schmidt. Die Rekommunalisierung hält der Unternehmenschef für die falsche Lösung. Und doch kann er nicht abstreiten, dass in Sachen Schulreinigung in der deutschen Hauptstadt einiges falsch läuft: „Es kommt vor, dass eine Firma dem Bezirk sagt, sie bräuchten 25 Stunden für die Reinigung der ganzen Schule, ihre Mitarbeiter dann aber nur für 17 Stunden einsetzt”. Natürlich würden die Mitarbeiter dann unter Zeitdruck geraten. „Das ist grotesk, wenn eine Putzkraft nur zwei Minuten pro Klassenraum Zeit hat”. Nach Jahrzehnten der Privatisierung sei längst der Wettbewerbsdruck ausgebrochen. “Es gibt unglaublich viele Anbieter”, so Schmidt. Immer wieder sei er in der Vergangenheit auf bezirkliche Ausschreibungen gestoßen, in denen alleine der Preis gezählt habe. „Und so kriegt natürlich oft der billigste Anbieter den Auftrag”.
All das soll jetzt also ein Ende haben, wenn Pankow nach 40 Jahren der Privatisierung bald wieder selbst zum Putzlappen greift. Zwar wird es wohl noch eine Weile dauern, bis das System an allen Schulen durchgesetzt sein wird. Und dennoch: Die Aussicht auf fairere Beschäftigungsverhältnisse und saubere Schulklos ist schon mal da. Und wird neben Susanne Kühne vermutlich noch viele andere Pankower*innen zum Lächeln bringen.
*Name von der Redaktion geändert
Foto oben: Mona Linke