Hauser

Ein bisschen Bullerbü

von Julia Schmitz 27. Februar 2020

Einmal Prenzlauer Berg, immer Prenzlauer Berg: Wir sprachen mit Schriftstellerin Franziska Hauser über ihren neuen Roman und warum sie Berlin selten verlässt.


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Famose Frauen aus Prenzlauer Berg“


Schon häufig habe ich mich darüber gewundert, dass in journalistischen Texten über Frauen oft auf ihre Kleidung oder Frisur eingegangen wird, während das bei Männern selten passiert. Dann treffe ich Franziska Hauser an einem verregneten Nachmittag in einem Café am Teutoburger Platz und kann nicht anders: Bemerke als erstes ihre dunkelbraunen Korkenzieherlocken, die ihr Gesicht einrahmen, und ihr geblümtes Oberteil, das so herrlich zu der Fünfzigerjahre-Tapete hinter ihr passt.

Hauser

Franziska Hauser als Bauchladen-Verkäuferin im Chamäleon-Theater, ca. 1998 / Foto: privat

Doch zum Glück gibt es bedeutend mehr zu sagen über diese Frau, die Schriftstellerin, Journalistin, Sprachlehrerin und Mutter zweier (fast) erwachsener Kinder ist; die Bühnenbild an der Kunsthochschule Weißensee und Fotografie bei Arno Fischer an der Ostkreuzschule studiert und als Referentin für Puppenspiel an der Schauspielschule Ernst Busch gearbeitet hat. Zwischendurch verkaufte sie im Chamäleon-Theater in Mitte mit einem Bauchladen Scherzartikel. Achja: Drei Romane hat sie bisher ebenfalls geschrieben, tüftelt bereits an ihrem vierten.

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„Es gab eine Zeit in meinem Leben, in der ich immer nur Ja gesagt und alles mitgenommen habe, was kam“, erzählt sie lachend. Außerdem sei das Leben viel zu kurz und interessant, um nur einen Beruf auszuüben. So war sie bereits über dreißig, als sie sich an ihren ersten Text setzte. Ihre Legasthenie hatte sie zuvor davon abgehalten: „Ich dachte lange, dass ich das nicht darf, weil ich die Worte nicht richtig schreiben kann“. Zum Glück gibt es aber Rechtschreibprogramme und Lektor*innen – und so erscheint Ende Februar ihr dritter Roman Die Glasschwestern.

 

Den Figuren ausgeliefert

Er handelt von den Zwillingen Dunja und Saphie, deren Männer am gleichen Tag das Zeitliche segnen: Winne fällt bei einer Restaurierungsarbeit vom Balkon, Gilbhart mit einem Herzinfarkt vom Heimtrainer. Auf einmal stehen Dunja, die bereits zwei erwachsene Kinder hat und Saphie, die ein kleines Hotel in ihrem Heimatdorf leitet, vor neuen Herausforderungen: Wie organisiert man ein Leben ohne Partner an der Seite, wie geht man mit einem großen Verlust um – und gibt es vielleicht Wünsche, die man jahrelang unterdrückt hat? Dunja zieht kurzerhand zu ihrer Schwester und übernimmt immer mehr Verantwortung für den Hotelbetrieb, während Saphie – die sich sonst wenig im Leben gönnte – lernt, auch mal die Zügel aus der Hand zu geben.

HauserHinter dem Roman stand eine Fragestellung: Kann man sich und seine Art zu leben verändern, selbst wenn man schon im fortgeschrittenen Erwachsenenalter steckt? Auch ging es Franziska Hauser darum, verschiedene Formen der Trauer zu zeigen: „Ich wollte den Tod nicht so darstellen, wie man es kennt: Dass man davon in einen Abgrund gerissen wird, aus dem man sich wieder rauskämpfen muss. Sondern dass es auch Leben ist“, betont sie.

Anders als in ihrem vorherigen Roman Die Gewitterschwimmerin, der auf der Geschichte ihrer Mutter beruht, sind die Hauptfiguren im neuen Buch frei erfunden, obwohl verschiedene Menschen in ihrem Umfeld in die Charakterisierung hineingeflossen sind. Letztendlich sei man den Romanfiguren aber als Autorin sowieso ausgeliefert, erzählt Hauser, sie verhielten sich oft anders, als man es eigentlich geplant hatte.

Saphie will zum Beispiel partout nicht verreisen – und ähnelt damit Franziska Hauser selbst. „Vielleicht hab ich das Prinzip verreisen nicht verstanden, denn ich fahre immer nur weg, wenn ich woanders etwas zu tun hab“, sagt sie und ergänzt: „Ich habe so früh mit dem Kinderkriegen angefangen, dass ich nicht groß weggehen konnte; aber überhaupt bin ich auch eine, die gerne bleibt. Außerdem passiert um mich herum so viel, dass ich gar nicht wegziehen muss: Uns Berlinern wird ja alles hergebracht.“

 

Ein bisschen wie Bullerbü

Aufgewachsen ist die 45-Jährige in der Grabbeallee in Pankow, zog später nach Prenzlauer Berg, wo sie auch heute noch wohnt. Natürlich haben sich die Kieze in den letzten Jahren stark verändert, weiß sie; was man aber nur schleichend merke, „wie ein Frosch im heißen Wasser, der nicht mitbekommt, dass er gekocht wird“. Von der ewigen Diskussion über Schwaben beziehungsweise Zugezogene hält sie aber wenig: „Schwaben machen viele Dinge, zu denen wir Berliner keinen Bock haben: Sie kümmern sich zum Beispiel um die Spielplätze oder darum, dass die Kinder im Hort Bio-Essen bekommen“, sagt sie mit einem Schmunzeln. Problematisch seien eher „die reichen Leute, die sich in irgendwelchen Gated Communities abschotten und mit den Ureinwohnern nichts zu tun haben wollen“.

Ihr gefalle vor allem das vielfältige Angebot im Stadtteil, von dem sie vielleicht auch ein wenig verwöhnt sei: „Prenzlauer Berg ist schon ein bisschen wie Bullerbü! Aber ich fühle mich hier total zuhause und gehöre zu dieser Blase dazu“.

 

Der neue Roman Die Glasschwestern von Franziska Hauser erscheint am 28. Februar im Eichborn Verlag, hat 430 Seiten und kostet 22 Euro. Am Donnerstag, 26. März 2020 findet eine Lesung in der Bibliothek am Wasserturm statt, der Eintritt ist frei.

Mehr über Literatur aus, in und über Prenzlauer Berg findet ihr hier.

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