Mitten auf der Schönhauser Allee steht ein ganzer Altbau leer – seit Jahren. Der Bezirk weiß Bescheid, greift aber nicht durch.
Der Hauseingang der Schönhauser Allee 132 ist zentimeterhoch geflutet mit einer glibberigen Flüssigkeit, die nach Tapetenkleister aussieht. Die Eingangstür steht offen, daneben lehnt eine Europalette. Die Wände sind vollgekritzelt und -gesprüht, drinnen stehen Mülltonnen und allerlei Schrott, ein Plastik-Tablett aus einer Bäckerei liegt herum. Dahinter eine Wand aus Pressspahn mit einer Metalltür – hier geht es nicht weiter. Am zweiten Eingang des Hauses zwischen Musikinstrumentenladen, Physiotherapie-Praxis und Erotik-Kino stehen noch ein paar Namen, der DHL-Bote hat einen Abholschein über das Klingelschild geklebt, das ist Wochen her. Auf unser Klingeln meldet sich niemand.
28 Wohnungen, 0 Bewohner
Fünf Geschosse, 28 Wohnungen, Altbau, Balkone – die Schönhauser Allee 132 mitten in Prenzlauer Berg ist ein Geisterhaus. Das gesamte Gebäude steht leer, auch der Dönerladen hat längst alle Fenster verrammelt. Ein Schaufenster weiter das Schild des Süßigkeitenladens „Zuckerberg“: „Wir sind umgezogen, 130 Meter, Schönhauser Allee 128“.
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Nachgefragt im neuen Geschäft: Der freundliche Mann hinterm Tresen zuckt resigniert mit den Schultern. Dort wohne schon lange niemand mehr, wahrscheinlich seit Jahren. Immer wieder stünden die Eingänge zum Treppenhaus und sogar die Wohnungen offen. Davon zeugen auch die Kritzeleien, die auf allen Stockwerken neben den Balkonen an der Hauswand prangen.
Rund um die Balkone haben sich Sprayer verewigt (Foto: Sarah Schaefer)
Man selbst habe vor Monaten die Kündigung bekommen, daher der Umzug, erzählt der Süßigkeitenhändler und gibt noch einen letzten Hinweis: Das Geisterhaus gehöre wohl denselben Eigentümern wie die Schönhauser Allee 69, deren Mieter seit einiger Zeit gegen ihre Verdrängung kämpfen.
Firmensitz im Steuerparadies
Und tatsächlich: Die Suchmaschine spuckt eine „Schönhauser Apartments 132 GmbH“ aus, früherer Name „Prestige Residence Schönhauser Allee Berlin GmbH“. Als ehemaliger Geschäftsführer ist Rom Zalel angeführt, der Geschäftsführer der Eigentümerfirma in der Schönhauser Allee 69. Schon seit Dezember 2018 führt laut Firmenprofil eine Person namens Shai Felder die Geschäfte. Der Firmensitz ist im brandenburgischen Zossen, einer Steueroase für Immobilienunternehmen, wie die B.Z. einst aufdeckte.
Das Bezirksamt weiß Bescheid über den illegalen Leerstand in der Schönhauser Allee 132: Bei einer aktuellen Kontrolle habe man festgestellt, dass die Gebäudeteile nicht beleuchtet und keine Briefkästen vorhanden waren, berichtet Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) auf Anfrage. Und weiter: Die 28 Eigentumswohnungen gehörten alle demselben Besitzer, 2019 habe das Geisterhaus zuletzt den Eigentümer gewechselt. Außerdem gebe es zwei Baugenehmigungen aus dem Jahr 2016 „für den Dachgeschossausbau, die Umwandlung von Gewerbe zu Wohnraum im Quergebäude, die Errichtung von Aufzugsanlagen und eines Sicherheitstreppenhauses“. Im Februar 2019 sei der Baubeginn angezeigt worden.
Amtsverfahren läuft
Ein Eigentümer, der eine Immobilie absichtlich verfallen lässt – wäre es nicht angebracht, das Geisterhaus zu beschlagnahmen? Rechtliche Möglichkeiten dafür bieten das Zweckentfremdungsverbot sowie die Erhaltungsordnung im Baugesetzbuch. Ende Januar hat Pankow dieses Vorgehen in Weißensee zum ersten Mal erfolgreich angewendet. Bis es soweit war, vergingen allerdings mehr als vier Jahre.
So ist auch in der Schönhauser Allee 132 nicht mit einem schnellen Durchgreifen der Behörden zu rechnen: Man habe ein „zweckentfremdungsrechtliches Amtsverfahren“ beim Wohnungsamt eingeleitet und den Eigentümer zur Stellungnahme aufgefordert. Dabei habe man auch angekündigt, notfalls einen Treuhänder einzusetzen, so Kuhn. Aber: „Ein Bußgeldverfahren ist noch nicht eingeleitet, bleibt aber ausdrücklich (…) vorbehalten. Eine entsprechende Bearbeitung erfolgt zu einem späteren Zeitpunkt.“
