Stadtrat Daniel Krüger (für AfD) findet den Wunsch nach weniger Autoverkehr provinziell. Unsere Autorin sagt: Das Gegenteil ist der Fall.
„Manche sagen es wär’ einfach, ich sage es ist heikel / Du bist New York City und ich bin Wanne-Eickel“, heißt es in einem Song der Hamburger Band Kettcar. Ob der Pankower Ordnungsstadtrat Daniel Krüger (für AfD) ihn kennt, ist nicht bekannt. Jedenfalls wählte er kürzlich einen ganz ähnlichen Vergleich, um Kritik an den Pankower*innen zu üben. Der Tagesspiegel hatte zum Jahreswechsel gefragt, was sich die Pankower Stadträte und die Stadträtin für das neue Jahr wünschen. Krüger, zuständig für Umwelt und öffentliche Ordnung, schrieb einen „besonders langen Zettel“. Darauf stand unter anderem:
„Bei mancher Bürgerinitiative oder -anfrage wünschte man sich mehr New York und weniger Neheim-Hüsten, alle wollen nach Berlin, alle wollen Weltstadt, aber der Durchgangsverkehr vor der Tür muss morgen weg. (…)“
Kampf gegen „Auto-Kultur“
Dass es die Stadt Neheim-Hüsten seit Mitte der 1970er Jahre gar nicht mehr gibt, sondern nur noch Neheim und Hüsten als Stadtteile des hochsauerländischen Arnsberg – geschenkt. Denn der ulkige Bindestrichname soll hier natürlich als Inbegriff der Provinz dienen. Und provinziell sind aus Krügers Sicht eben jene Menschen, die sich für weniger Verkehr auf Pankows Straßen einsetzen.
Schon interessant: Ein Stadtrat, der bis ins kleinste Detail regeln wollte, wann, wo und unter welchen Umständen in Pankow Straßenmusik gemacht werden darf, wünscht sich plötzlich weltstädtische Gelassenheit. Für ihn bedeutet „mehr New York“ offenbar, die Blechlawinen auf den Straßen klaglos hinzunehmen. Wer sich mit Stau, Lärm, schlechter Luft und Verkehrstoten nicht abfinden will – der denkt provinziell? Es sei hier nur am Rande erwähnt, dass der New York City Council kürzlich beschloss, für 1,7 Milliarden Dollar neue Radwege zu bauen. Die Begründung: Man wolle die „Auto-Kultur brechen“.
Autofahren ist provinziell
Krügers Vorwurf ist nicht neu. „Dann geht doch zurück in euer schwäbisches Dorf“ ist ein Satz, der gerade in Prenzlauer Berg immer wieder fällt, wenn Menschen sich für die Verkehrswende stark machen. Als gäbe es in schwäbischen Dörfern keinen Durchgangsverkehr. Und als bestünde der urbane Lebensstil darin, mit seiner Karre Berlins Straßen zu verstopfen.
Provinziell ist nicht der Wunsch nach weniger Verkehr. Autofahren ist provinziell. Wer zum Beispiel in einem kleinen Ort im Hochsauerland, in Schwaben oder in Brandenburg wohnt, der kann sich oft noch nicht mal einen Liter Milch kaufen, ohne dafür ins Auto steigen zu müssen. Ganz zu schweigen vom Weg zur Arbeit, zum Arzt, ins Kino. Das Auto ist hier nicht bequem, es ist notwendig. Es gibt Orte, da ist der Schulbus der einzige Nahverkehr.
Wir in Berlin hingegen haben nicht nur Busse, die im Minutentakt fahren, sondern auch die Tram, S-, U- und Regionalbahnen. Wir können vieles zu Fuß machen. Oder wir nehmen das Rad (da haben wir aber immer ein wenig Angst, totgefahren zu werden). Wir haben auch E-Scooter, wer so etwas mag, und die Möglichkeit, uns Autos mit anderen zu teilen, damit wir kein eigenes besitzen müssen.
Eine Stadt, wie sie sein könnte
Schon klar, es gibt auch in der Stadt Menschen, die auf ein Auto angewiesen sind – sei es aus gesundheitlichen Gründen, weil sie Waren anliefern oder sich um Menschen kümmern, die nicht mobil sind. Das rechtfertigt aber nicht, den Straßenverkehr einzig den Bedürfnissen der Autofahrer*innen unterzuordnen.
Wer sich für weniger Autos auf den Straßen einsetzt und mehr Platz für Fußgänger*innen und Radfahrer*innen, der sieht die Stadt, wie sie sein könnte. Es gibt viele Ideen, wie man in Zukunft den Autoverkehr reduzieren und die Stadt lebenswerter machen kann. Nicht alle davon werden auch umsetzbar sein. Doch es geht darum, zu experimentieren, unkonventionelle Wege zu gehen, mit gewohnten Mustern zu brechen. Was macht eine Weltstadt aus, wenn nicht dieser Wille zur Veränderung?
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