Husemannstraße 12

Milieu ohne Schutz

von Kristina Auer 28. November 2019

In der Husemannstraße 12 haben ein Seniorenzentrum, eine Kita und viele Mieter Angst vor Verdrängung. Der Fall zeigt, wie begrenzt der Handlungsspielraum des Bezirks ist.


Es gibt mal wieder ein Haus in Prenzlauer Berg, dessen Mieter von Verdrängung bedroht sind. So weit, so – leider – alltäglich. Aber die Husemannstraße 12 ist auch etwas Besonderes: Es zeigt, dass der Bezirk manchmal nicht nur wenig tun kann, um bezahlbare Mietwohnungen zu erhalten – schlimmer, er kann noch nicht mal seine eigenen Einrichtungen vor Verdrängung schützen.

 

Versteigerung statt Vorkaufsrecht

Bei einer Teilungsvesteigerung im Juni hat sich die Firma ALW/BOW das Haus gesichert. Zwei der drei Erben hätten schon vorab das Unternehmen verkauft, mit dem dritten habe es Unstimmigkeiten gegeben, daher die Versteigerung – das erzählt man sich. Fest steht: Obwohl das Haus im Milieuschutzgebiet Kollwitzplatz steht, konnte der Bezirk wegen dieses Verfahrens sein Vorkaufsrecht nicht nutzen und auch keine Abwendungsvereinbarung mit dem Käufer abschließen. Stadtentwicklungsstadrat Vollrad Kuhn berichtet dazu: „Der Bezirksbürgermeister hat die beiden größten Wohnungsgesellschaften im Bezirk Pankow angeschrieben und um Prüfung der Teilnahme an der Zwangsversteigerung mit dem Ziel des Erwerbs der Immobilie gebeten. Offensichtlich war der Erwerb nicht möglich.“

Der nächste Streich folgte Anfang November: Das Haus wurde in Einzeleigentum aufgeteilt. Der Verwaltungsschritt ermöglicht, dass Wohnungen und Geschäfte in dem Haus einzeln statt als Ganzes verkauft werden dürfen. Ein Schritt, der in Milieuschutzgebieten eigentlich verboten ist – wäre da nicht Trick 17, offiziell bekannt als „Tatbestand § 172 Abs. 1 Satz 4 Nr. 6“ im Baugesetzbuch: Wenn der Eigentümer sich verpflichtet, für sieben Jahre nicht oder nur an Mieter zu verkaufen, muss die Aufteilung genehmigt werden.

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Seniorenzentrum bekommt Mieterhöhung um 140 Prozent

Die Mieter, Kita-Eltern und Senioren haben sich inzwischen organisiert und vernetzt, weil die Sorge vor Verdrängung groß ist: Der Geschäftsführer der Eigentümerfirma Andreas Bahe hat sich seit Berichten von Spiegel und Süddeutscher Zeitung einen Ruf als eher mitleidsloser Entmieter gemacht. Auf ein Schreiben der Mieterschaft habe Bahe geantwortet, dass er die Wohnungen auch in sieben Jahren nicht verkaufen wolle, berichtet Kita-Mutter Anna Fuchs: „Bisher hat er uns nichts getan, und wir wollen auch keinen Krieg anfangen“. Die Vorgeschichte und die Aufteilung in Einzeleigentum bieten trotzdem Grund zur Sorge. Noch liegt die Gefahr in der Zukunft: Wenn die Wohnungen in sieben Jahren verkauft würden, dürften die Mieter danach immer noch mehrere Jahre in ihren Wohnungen bleiben, bevor die neuen Besitzer Eigenbedarf anmelden könnten.

Husemannstraße 12

Zu Ende Juni wurde der Mietvertrag für die Begegnungsstätte gekündigt (Foto: Kristina Auer)

 

Die bezirkliche Seniorenbegegnungsstätte steht schon jetzt vor Problemen. Der Mietvertrag wurde zu Ende Juni gekündigt, ein neuer Vertrag zu einer um 140 Prozent höheren Miete angeboten. Allerdings: Die Mieterhöhung wäre nur eine Anpassung an ortsübliche Gewerbemieten – auf 17 Euro pro Quadratmeter. Sozialstadträtin Rona Tietje (SPD) will das trotzdem nicht akzeptieren: „Erstens ist es im Haushalt nicht veranschlagt und zweitens machen wir uns damit erpressbar.“ Es gebe derzeit noch Gespräche mit dem Eigentümer. Falls es keine Lösung gibt, will Tietje nach einem neuen Standort bei landeseigenen Wohnungsunternehmen suchen. „Im schlimmsten Fall müssten Veranstaltungen in andere Begegnungsstätten verlegt werden.“ In Prenzlauer Berg gibt es in der Paul-Robeson-, der Grellstraße und Am Friedrichshain noch drei weitere Seniorenzentren.

Die Mieterinnen und Mieter versuchen, sich vorerst nicht die Stimmung verderben zu lassen und wollen sich weiter mit der Nachbarschaft vernetzen. Am 15. Dezember veranstalten sie dazu einen Kinderflohmarkt und backen „Waffeln für’s Milljöh„.

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