Ein Erfolg, eine veröffentlichte Abwendung und weiterhin viele Mieter*innen in Angst – so steht es im Kiez um den Milieuschutz.
Etwas über ein Jahr ist es her, dass der Kampf um das bezirkliche Vorkaufsrecht in Prenzlauer Berg nach einem ersten, missglückten Versuch an Fahrt aufgenommen hat. Der Bezirk verzeichnet erste Erfolge, Grund zum Aufatmen gibt es für Mieter*innen deshalb aber nicht. Drei Fälle zeigen, wie es um den Milieuschutz im Stadtteil bestellt ist:
Gleimstraße 56
Der große Erfolg: Als erstes Haus ist das Gebäude am Falkplatz mit den 30 Wohnungen statt an einen privaten Käufer in kommunalen Besitz übergegangen. Die landeseigene Wohnungsbaugesellschaft Gesobau hat das Haus erworben – für rund 7,9 Millionen Euro. Ganz ohne Beteiligung der Mieter*innen ließ sich der Monsterpreis nicht stemmen: Sie verpflichteten sich zu Mieterhöhungen. Davon ausgenommen wurden lediglich jene Mieter*innen, die über ein geringes Einkommen verfügen oder die bereits einen hohen Mietpreis zahlten.
Einen Widerspruch des privaten Käufers lehnte der Bezirk im Januar ab. Auf eine Klage wurde im Anschluss offenbar verzichtet, sodass der Bezirk den erfolgreichen Vorkauf im August zu den Akten legen konnte. Für die Mieter*innen der Gleimstraße 56 gibt es nun endgültig Grund zum feiern: Am 29. September wird der erste erfolgreiche Vorkauf in Prenzlauer Berg am Falkplatz mit einem „ausführlichen Umtrunk“ begangen.
Paul-Robeson-Straße 17
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Nicht so erfolgreich wie in der Gleimstraße 56 waren die Mieter in der Paul-Robeson-Straße 17. Obwohl sie sich ähnlich wie ihre Nachbarn organisierten und öffentlichkeitswirksam für den Vorkauf des Hauses durch den Bezirk kämpften, scheiterte der Vorkauf, wie kurz vor Jahresende 2018 bekannt wurde.
Zu den Gründen äußerte sich Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) in einer Mitteilung:
Das Vorkaufsrecht zugunsten einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft konnte wegen des erheblichen Zuschussbedarfs seitens des Landes trotz erheblicher Unterstützung von politischer Seite und weitreichenden Zusagen seitens der Mieterschaft nicht erreicht werden.
Stattdessen schloss der Bezirk eine Abwendungsvereinbarung mit dem Käufer. Der Vertrag soll verhindern, dass der Eigentümer Schritte unternimmt, die dazu führen würden, dass die bisherigen Mieterinnen und Mieter verdrängt würden. Das Spannende: Nach einem komplizierten Verfahren wurde das gesamte Dokument – zum ersten Mal in der Geschichte der Abwendungsvereinbarungen – Ende August veröffentlicht. Das ist deshalb wichtig, weil die Käufer in der Regel auf der Vertraulichkeit des Vertrags beharren, es ohne Veröffentlichung allerdings fast unmöglich ist, nachzuverfolgen, ob sich der neue Eigentümer auch an die Vereinbarung hält.
In der Abwendung verpflichtet sich der neue Eigentümer unter anderem dazu,
- die Wohnungen nicht in Einzeleigentum aufzuteilen, um sie als Eigentumswohnungen weiter zu verkaufen
- die Nutzungsart von Wohn- und Gewerbeeinheiten in dem Haus nicht zu ändern
- an den Seitenflügeln keine Balkone anzubauen
- keine Fahrstühle anzubringen
Der Verzicht auf die Umwandlung in Eigentumswohnungen wurde für immerhin 30 Jahre festgelegt, die Zusage, keine Balkone anzubringen gilt dagegen nur für zehn Jahre. Bei den Fahrstühlen gibt es Ausnahmen, sofern der Einbau mit dem Ausbau des Dachgeschosses zu tun hat, nur für diesen genutzt und nicht auf die Mieter umgelegt werden kann.
Stargarder Straße 65/66
Der nächste Fall für Vorkaufsrecht, Abwendungsvereinbarung und Milieuschutz in Prenzlauer Berg kündigt sich an: Die Mieter*innen der Stargarder Straße 65/66 haben mitbekommen, dass in ihrem Eckhaus Besichtigungen stattfinden und vermuten deshalb, dass der fast völlig unsanierte Altbau verkauft werden soll.
Ein erster Kaufversuch soll offenbar kurz vor Abschluss abgebrochen worden sein, berichten die Bewohner*innen. Falls es einen neuen Anlauf geben sollte, wollen sie versuchen, mithilfe des Bezirks das Vorkaufsrecht durchzusetzen. Ihr Wunsch-Käufer: eine Wohnungsgenossenschaft.
Die Mieter*innen haben Kontakt zu Stadtentwicklungsstadtrat Kuhn aufgenommen und sammeln nun Informationen über das Gebäude, damit der Bezirk im Falle des Falles den Vorkauf schneller prüfen kann. „Ich freue mich, dass sich die Mieter dort schon organisieren“, sagte Kuhn den Prenzlauer Berg Nachrichten kürzlich.