Müll

Interkulturelles „clean up“ im Mauerpark

von Julia Schmitz 27. August 2019

Rücksichtsloser Tourismus war gestern: Am Montag kamen rund Hundert Berlin-Besucher*innen und Anwohner*innen aus Berlin in den Mauerpark, um gemeinsam Müll aufzusammeln. Als Dank gab es eine Führung entlang der Gedenkstätte Berliner Mauer.


Dies ist ein Text aus unserer Reihe
„Umweltschutz & Nachhaltigkeit“


 

Als die Bezirksämter von Pankow und Mitte ihre Kooperation mit dem Stadtführer Sandemans New Berlin bekanntgaben, löste das zunächst ein irritiertes Schmunzeln aus: Touristen und Anwohner*innen sollen den Mauerpark von Müll reinigen, als Gegenleistung werden sie mit einer kostenlosen Führung entlang der Gedenkstätte Berliner Mauer sowie mit einem Picknick belohnt. Ist die BSR an ihren Grenzen angelangt, so dass jetzt schon die Touristen zu Müllbeutel und Zange in einer der am stärksten genutzten Grünflächen der Stadt greifen müssen?

Keineswegs, meint Rona Tietje (SPD), Bezirksstadträtin für Jugend, Wirtschaft und Soziales in Pankow. „Es ist natürlich eine schöne Sache, dass der Mauerpark jetzt noch ein bisschen sauberer wird. Aber es geht uns bei der Aktion nicht darum, die Arbeit, die von der BSR und dem Straßen- und Grünflächenamt geleistet wird, zu ersetzen. Es wäre größenwahnsinnig, wenn man das Müllproblem in den Berliner Parks dadurch lösen wollte.“ Vielmehr sei die Veranstaltung Teil des Tourismuskonzeptes von Pankow, das einen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeit legt.

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Müll

Ausgestattet mit BSR-Westen, Müllbeuteln und Greifzangen zogen die Teilnehmer*innen durch den Mauerpark / Foto: Julia Schmitz

 

Über die große Resonanz ist sie dann doch überrascht: Rund Hundert Teilnehmer*innen haben sich für die erste Veranstaltung an diesem ziemlich heißen Augusttag angemeldet; aufgeteilt in drei Gruppen folgen sie bei Touren auf deutsch, englisch oder spanisch dem Verlauf der ehemaligen Grenze. Eine Möglichkeit, die nicht nur Touristen in Anspruch nehmen, auch zahlreiche Berliner sind an diesem Nachmittag dabei: Reinhard Kaiser, Rentner, wohnt seit zwanzig Jahren in Prenzlauer Berg, hat aber noch nie an einer Führung durch seine Umgebung teilgenommen. Ihn reizt jedoch vor allem das Aufräumen:

 

Ich fand das einfach eine tolle Idee und war neugierig zu sehen, wie das bei Touristen ankommt. Wahrscheinlich würde ich sogar freiwillig zum Müll sammeln kommen, wenn mich die BSR darum bitten würde! Ich kenne das aus anderen Städten wie Hamburg, die führen jedes Jahr die Aktion „Hamburg räumt auf“ durch, da machen sehr viele Menschen mit. Solche Veranstaltungen schärfen ja auch das Bewusstsein dafür, dass die Stadt sauber schöner ist als im dreckigen Zustand und das man seinen Müll nicht einfach liegen lässt.

 

Auch Elizabeth, Schülerin aus Neukölln, plädiert für mehr Umweltbewusstsein.

 

Ich finde das Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein total wichtig und glaube, dass gerade in Gesellschaft und Politik ein Umdenken entsteht was Müll angeht: Wir wissen, dass wir zu viel produzieren und er auf den Straßen und in den Meeren landet. Man muss noch mehr Aufmerksamkeit dafür schaffen, dass die Leute ihren Müll ordnungsgemäß entsorgen und dass man sich zum Beispiel auch als Anwohner für „clean ups“ zusammentun kann. Mich stört es, dass wir nicht mehr im Einklang mit der Natur leben und denken, komplett unabhängig davon zu sein. Aber das Ökosystem hängt mit allem zusammen und wenn wir nicht vernünftig damit umgehen, sieht es in den nächsten Jahren echt nicht gut aus für uns.

 

Gleichzeitig ist sie überrascht, wie viel Neues sie – trotz Geschichtsunterricht in der Schule – über das Thema Berliner Mauer und DDR erfahren hat. Ihr war nicht klar gewesen, wie viel Meter „Todesstreifen“ die Menschen im Osten von dem eher harmlos und klein wirkenden Betonblock trennten. Ein erfolgreicher Nachmittag im doppelten Sinne für sie.

 

Müll

Mancher Berliner nahm zum ersten Mal an einer Führung entlang der Mauer teil / Foto: Julia Schmitz

 

Der geschichtliche Hintergrund Berlins ist ein Aspekt, der auch Anna Paula und Tamila angelockt hat. Sie sind aus Brasilien zu Besuch in Berlin und hatten die Gedenkstätte bereits vor ein paar Tagen angeschaut. Doch richtig verstanden haben sie das ganze Thema DDR erst durch die Führung, von deren ungewöhnlichen Konzept sie sofort überzeugt waren:

 

Als wir davon hörten waren wir gleich begeistert und dachten, was für eine ausgefallene Erfahrung das sein wird! Wir können Leute aus Berlin kennenlernen, etwas über die Geschichte erfahren und der Stadt außerdem etwas zurückgeben. Uns gefällt, dass es die Leute zum Nachdenken über die Umwelt anregt – in Brasilien haben wir sowas nicht.

 

Eine Stunde Führung, eine Stunde Müll sammeln und am Ende ein gemeinschaftliches Picknick: Für viele Teilnehmer*innen also die perfekte Möglichkeit, Berlin aus einer anderen Perspektive kennenzulernen und sich interkulturell zu vernetzen.

Das Bezirksamt Pankow und Sandeman New Berlin Tours – die ähnliche Veranstaltungen auch in Edinburgh, Barcelona und Amsterdam organisieren – haben bereits die nächsten beiden Termine geplant: Am 9. und 23. September geht es den Grünflächen im Ernst-Thälmann-Park an den Kragen. Wer mitmachen will, kann sich hier anmelden.

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