Wohnen Prenzlauer Berg

„Vorkauf verschwendet Steuergelder“

von Kristina Auer 31. Januar 2019

„Es kann nicht angehen, dass eine Floristin oder ein Krankenpfleger nicht mehr in der Innenstadt wohnen können“ – Worte eines Prenzlauer Berger Wohnungsunternehmers. Gespräch über das Wohnen mit Bertram Reser.


Ortstermin zum Interview mit Bertram Reser in der Bötzowstraße. Wir sitzen am Fenster im Café Kahrmann’s Own und wollen über das ewige Thema von Prenzlauer Berg sprechen: das Wohnen.

Bertram Reser ist Hesse, 45 Jahre alt, und seit 2005 Mieter im Bötzowviertel in Prenzlauer Berg. Reser ist auch Geschäftsführer der Immobilienfirma Black Milan Invest GmbH.

Herr Reser, für Laien: Was macht Ihr Unternehmen?

Wir sind ein sogenanntes Family Office. Das bedeutet, dass Familien mit großem Vermögen Ihr Geld in Immobilien anlegen wollen. Das Unternehmen kauft Häuser und saniert sie. Durch Neubau, Dachausbau und Renovierung führen wir in Berlin etwa 100 Wohnungen im Jahr dem Markt zu.

Und dann verkaufen Sie die einzelnen Wohnungen weiter?

Nein, das machen wir nicht. Wir teilen Wohnungen nicht in Einzeleigentum auf. Wenn überhaupt, verkaufen wir ganze Häuser weiter. Die meisten werden aber im Bestand gehalten und einfach weiterhin vermietet.

Warum eigentlich nicht? Könnten Sie nicht viel mehr Geld verdienen, wenn man die Wohnungen einzeln aufteilt?

Doch, aber das ist nicht unser geschäftlicher Kern. Die sogenannten Aufteiler sind ein anderer Geschäftszweig. Bei uns geht es darum, Geld langfristig in Immobilien anzulegen. Da kommt es vielen nicht auf den maximalen Gewinn an. Sie interessiert, dass ihre Rente – zum Beispiel durch Mieteinnahmen – gesichert ist.

Deshalb können wir häufig auch nur kaufen, wenn der Verkäufer nicht an einen Aufteiler verkaufen will. Denn eine Firma wie unsere kann zum Beispiel für ein Haus wie das hier (zeigt aus dem Fenster auf das Gebäude gegenüber) vielleicht 2000 Euro pro Quadratmeter bezahlen. Ein Aufteiler, der die Wohnungen weiter verkauft, kann vielleicht 3000 oder 4000 Euro bezahlen. Beim Verkäufer muss also auch nicht immer der größtmögliche Preis im Vordergrund stehen.

PBN Treffen Wohnen

Sowas gibt es?

Allerdings. Ich schätze, dass drei Viertel der Wohnungen in Berlin in privater Hand sind. Da gibt es solche und solche. In Milieuschutzgebieten ist es inzwischen verboten, Häuser in Einzeleigentum aufzuteilen. Deswegen sind die Aufteiler nicht mehr in der Mehrzahl.

Okay, also dann kaufen Sie ein Haus für 2000 statt für 4000 Euro pro Quadratmeter – die Mieten müssen Sie doch dann trotzdem erhöhen, oder? Können Sie es da nicht verstehen, dass der Bezirk wenn möglich das Vorkaufsrecht zieht?

Nein. Die Mieten erhöhen müssen alle, auch die landeseigenen Wohnungsunternehmen. Alle gehen bis zu den erlaubten zehn Prozent über dem Mietspiegel. Sie müssen bedenken, dass oft noch sehr viel Geld in die Häuser gesteckt werden muss. Manche sind gar nicht mehr bewohnbar oder die Wohnungen haben kein eigenes Badezimmer. Da geht es nicht um Luxussanierung, sondern darum, den heutigen Standard mit Toilette, Dusche und Zentralheizung herzustellen. Ich glaube, ein eigenes Bad in der Wohnung wollen auch die meisten Mieter.

Was ist den aus Ihrer Sicht schlecht am Vorkaufsrecht? Ist es nicht wichtig, dass es wieder mehr kommunale Wohnungen gibt?

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Doch, aber da wird übersehen: Das ganze Problem kommt ja daher, dass es zu wenige Wohnungen gibt. Der Staat sollte also vor allem dafür sorgen, dass mehr Wohnungen gebaut werden. Beim Vorkauf werden Steuergelder verschwendet, weil dadurch keine einzige neue Wohnung entsteht. Deswegen gibt es ja die Option der Abwendungsvereinbarungen. Damit kann der Staat ganz genau fest legen, welche Modernisierungen ein Eigentümer machen darf und welche nicht. Er kann zum Beispiel festlegen, dass in den nächsten 20 Jahren keine Balkone angebaut werden dürfen. Eine Abwendungsvereinbarung hat die gleiche Wirkung wie ein Vorkauf, mit dem Unterschied, dass der Staat sein Geld für andere Zwecke einsetzen kann – Stichwort Neubau.

Grundsätzlich kann der Bezirk ein Haus ja auch nur dann vorkaufen, wenn der ursprüngliche Käufer eine Abwendungsvereinbarung ablehnt. Aber das Problem ist doch, dass dort meistens nur die Regeln festgehalten werden, die in Milieuschutzgebieten sowieso gelten. Sind die Vereinbarungen dann nicht ziemlich wirkungslos?

Nein, das wird völlig untertrieben, eine Abwendungsvereinbarung ist ein ganz tiefgreifender Eingriff in das Eigentum. 20 Jahre sind wirklich ein langer Zeitraum. Und zweitens: Wenn es eine Abwendungsvereinbarung gibt, wird nach jeder Baumaßnahme mit einer Abnahme geprüft, was gemacht wurde. Hat sich der Eigentümer nicht an die Regeln gehalten, kann der Staat ihm das Haus wegnehmen! Das macht doch wahnsinnigen Druck. Wenn es keine Abwendung gibt, kann es passieren, dass Eigentümer bestimmte Sachen machen lassen, die überhaupt nicht genehmigt sind – und es niemandem auffällt, weil es nicht kontrolliert wird.

Was sollte die Politik in Sachen Wohnraum dann konkret anders machen?

Wenn ich morgen regierende Bürgermeister von Berlin wäre, dann würde ich Folgendes tun: Erstens würde ich flächendeckend bei jedem Hausverkauf Abwendungen vereinbaren.

Aber das Wichtigste ist: Ich würde jeden Quadratmeter Grund und Boden aufkaufen, den ich kriegen kann und dort neue Wohnungen bauen! Und es geht nicht nur um Flächen in den Randbezirken, ich bin auch für Nachverdichtung. So kann neuer, bezahlbarer Wohnraum in der Innenstadt entstehen. Nur über den Ankauf von Flächen kann der Staat wieder zu einem bedeutenden Marktteilnehmer werden. Das wäre natürlich teuer und würde auch ein Stück weit wehtun. Aber man muss bedenken: Was heute sehr, sehr teuer ist, relativiert sich in 50 Jahren wieder. Jedenfalls darf sich der Staat in einer Hauptstadt auf keinen Fall vom Wohnungsmarkt zurückziehen, sondern er muss sich darin sehr stark engagieren.

Und woran scheitert die Berliner Wohnungspolitik?

Ich glaube, dass in erster Linie viel zu wenig miteinander gesprochen wird. In anderen Städten ruft das Bauamt auch mal an und fragt nach, sowas passiert in Berlin nicht. Das kann natürlich auch am Personalmangel in den Ämtern liegen.

Ein anderes Problem ist, dass die Verfahren viel zu bürokratisch sind. Berlin braucht eigentlich 30 000 neue Wohnungen im Jahr, aber es werden nur etwa 10 000 Genehmigungen ausgesprochen, von denen auch nicht alles tatsächlich gebaut wird. In der Politik herrscht teilweise Dilettantismus. Wir rechnen damit, dass bis zum Jahr 2025 nochmal ungefähr 250 000 Menschen mehr nach Berlin kommen werden. Die Politiker verstehen die Zahlen einfach nicht, und das geht wirklich durch alle Parteien. Denen ist nicht klar, dass das Land so viele Wohnungen niemals alleine bauen kann. Eigentlich bräuchte es ein groß angelegtes Wohnungsbauprogramm. Wie das konkret aussehen müsste, führt jetzt aber zu weit.

Herr Reser, jetzt mal Hand aufs Herz: Ist es mit dem Zuzug, den Berlin erlebt, überhaupt faktisch möglich, dass sich Normalverdiener auch in zehn oder 20 Jahren noch eine Wohnung in der Stadtmitte leisten können – oder ist das nur ein Märchen aus Wahlkampfzeiten?

Ja, das ist möglich – auch wenn es ohne Frage eine irre schwere Aufgabe ist. Aber wenn Sie wie vorhin erwähnt Druck auf die privaten Eigentümer ausüben, soviel bauen wie nur möglich und den sozialen Wohnungsbau fördern, dann geht das. Man müsste auch mal über die energetische Sanierung reden. Was da gerade passiert ist vielleicht der Traum der Styropor-Lobby, aber in ganz vielen Fällen überhaupt nicht sinnvoll, beziehungsweise es gibt viel günstigere, effektivere und weniger hässliche Varianten.

Also alles in allem: es ist möglich. Es kann doch nicht angehen, dass die ganz normalen Leute, die Floristin oder der Krankenpfleger, in Zukunft nicht mehr in der Innenstadt wohnen können. Das sind alles Leute, die die Gesellschaft ja braucht. Deutschland ist eines der reichsten Länder der Welt. Wenn wir es nicht hinkriegen, dass diese Normalverdiener auch in der Stadt wohnen können, dann hat die Politik eine ihrer Hauptaufgaben verfehlt.

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