Hier wohnt (fast) niemand

von Anja Mia Neumann 27. November 2018

Die Raumerstraße 33 und die Prenzlauer Allee 174  verfallen seit Jahren – in den Häusern wohnt fast keiner mehr. Die Eigentümer juckt das nicht. Aber einigen Bezirkspolitikern reicht es jetzt.


Vor den Fenstern in der Raumerstraße 33 hängen weiße Vorhänge. Die Klingelschilder sind voller Namen. Doch das ist ein Täuschungsmanöver. Hier um die Ecke vom Helmholtzplatz wohnt fast niemand.

Nur vier Menschen sind in dem Haus gemeldet. 23 der insgesamt 27 Wohnungen stehen leer – wenn nicht sogar mehr. „Es besteht die Vermutung, dass auch die übrigen Wohnungen nicht in Gänze aktuell genutzt werden“, teilt Pankows Stadtrat für Stadtentwicklung Vollrad Kuhn (Grüne) mit.

 

Der Besitzer ist verschwunden

Auch der Hausbesitzer wohnt hier. Angeblich. Tatsächlich ist er verschwunden, für das Amt nicht auffindbar. „Der Eigentümer, der unter der Anschrift gemeldet ist, ist postalisch hier nicht erreichbar.“ Der Bezirkspolitiker Roland Schröder (SPD) vermutet, dass der Besitzer trotzdem hier wohnt. „Hin und wieder steht jemand auf einem Balkon und raucht eine Zigarette.“ Dann sei eine Wohnung erleuchtet, der Rest dunkel.

Einen Kilometer weiter nördlich bietet sich ein ähnlich leeres Bild im Haus der Prenzlauer Allee 174. Putz blättert von der Fassade, die Fenster sind baufällig: Das Haus ist ganz offensichtlich dem Verfall preisgegeben.

26 Wohnungen und vier Gewerbeeinheiten gibt es dem Stadtentwicklungsamt zufolge in diesem Haus. Vier Namen stehen auf den provisorischen Briefkästen an der Eingangstür, der Copyshop im Erdgeschoss hat dicht gemacht.

Die Haustür zur Prenzlauer Allee 174 wurde verrammelt. (Foto: Anja Mia Neumann)

 

Ein Gerüst bis in den ersten Stock scheint anzudeuten: Hier passiert etwas. Aber das stimmt nicht. Seit April 2016 gibt es einen genehmigten Bauantrag. Aufzüge, Balkone, neue Grundrisse und Bäder, eine Gaszentralheizung und ein ausgebautes Dachgeschoss sollen entstehen. Doch der Eigentümer – nach RBB-Recherchen eine Immobilienfirma aus Zypern – rührt sich nicht.

„Spekulativer Leerstand im Milieuschutzgebiet?“ Mit dieser Überschrift hatte Frederik Bordfeld (Linke) seine Kleine Anfrage zur Prenzlauer Allee 174 an das Bezirksamt Pankow versehen. Darin fragte der Bezirksverordnete vor über einem halben Jahr, ob die Wohnungen tatsächlich unbewohnt seien und ob eine Zweckentfremdung vorliege. Die Antwort: Ein Amtsverfahren soll das klären.

Die Klingelschilder in der Raumerstraße 33 sind fast alle beschriftet – dabei sind hier gerade mal 4 Menschen gemeldet. (Foto: Anja Mia Neumann)

 

In der Raumerstraße 33 zeigt sich der Bezirk mit seinem Verfahren bislang machtlos. Seit Juni 2016 ist das Amt um Grünen-Stadtrat Vollrad Kuhn aktiv  – wegen ungenehmigten Leerstands. Doch die Rechtsmittel laufen ins Leere. Der Anwalt des Hausbesitzers ist ebenso verschwunden wie der Eigentümer selbst. Eine Auskunftsverfügung konnte nicht zugestellt werden – und blieb folglich unbeantwortet. Auch das Druckmittel Geld zeigt laut Amt keine Wirkung: „Gegen den Eigentümer wurde ein Zwangsgeld festgesetzt. Eine Vollstreckung konnte bisher nicht erfolgen.“

Angesichts der Berliner Wohnungsnot haben einige Bezirksverordnete nun die Nase voll. Über 50 ungenutzte Wohnungen wären schon eine Hilfe. „Wer seine Häuser und Wohnungen leer stehen oder verfallen lässt, bereichert sich auf Kosten der Gemeinschaft“, sagt der Linke Bordfeld.

 

Ein Treuhänder soll her

Gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Schröder fordert er: Für die Häuser in der Raumerstraße 33 und in der Prenzlauer Allee 174 soll ein Treuhänder eingesetzt werden. Dieser – meist eine Wohnungsverwaltung – würde vom Bezirk die Verfügungsgewalt über das Haus bekommen und könnte es instand setzen. Nach dem „Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum“ ist das seit kurzem für die Bezirke möglich. „Der Bezirk muss sich kümmern und in das Haus rein und schauen, ob die Wohnungen in der Raumer Straße 33 bewohnbar sind“, sagt Schröder. Hier müsse sich nach vielen Jahren endlich etwas bewegen.

Und tatsächlich ist Pankows Stadtrat Kuhn von dem neuen Instrument nicht abgeneigt: „Beabsichtigt ist (…), dass von der Möglichkeit der Treuhänderschaft Gebrauch gemacht wird“, schreibt er zur Raumerstraße 33. Stellt sich noch die Frage, woher das Geld dafür kommt. Geht der Bezirk diesen neuen Weg über einen Treuhänder, könnten wieder Menschen hinter den Vorhängen leben. Der Eigentümer hat dieses Ziel offenbar nicht.

Der Antrag der Fraktionen von Linke und SPD zur Treuhänderschaft von Raumerstraße 33 und Prenzlauer Allee 174 wurde am Mittwoch, dem 28.11.2018, in der Tagung der Bezirksverordnetenversammlung beschlossen. Das Bezirksamt muss sich nun damit auseinandersetzen.

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