Wer eine bezahlbare Wohnung in Prenzlauer Berg bewohnt, lässt die so schnell nicht los – auch, wenn sie längst nicht mehr ideal ist. „Habt ihr Angst vor einem Umzug?“, wollten wir in unserer Umfrage wissen. Eure Antworten haben uns dann doch erstaunt.
Wir wussten ja, dass viele Menschen in Prenzlauer Berg einiges in Kauf nehmen, um ihre Wohnung im Kiez zu halten. Aber wie groß die Kompromisse sind, die sie einzugehen bereit sind, und wie heftig diese Kompromisse sie in ihrer Lebensgestaltung beschneiden – das hat uns dann doch überrascht.
Da gibt es Familien in Prenzlauer Berg, die zu fünft in einer 2,5-Zimmer-Wohnung leben. Oder die sich zu viert ein Schlafzimmer teilen. Da gibt es Menschen, die noch in ihrem alten WG-Zimmer leben, obwohl sie gern mit ihrem Partner zusammenziehen möchten. Und da geben nicht wenige Umfrage-Teilnehmer an, dass sie möglichst wenig Zeit zu Hause verbringen, weil ihre Wohnsituation so ungünstig für sie geworden ist.
Im Zusammenhang mit den für viele Menschen mittlerweile unbezahlbaren Mietpreisen in Prenzlauer Berg ist oft die Rede von Verdrängung. Was ist aber mit den Menschen, die noch da sind? Die einen alten Mietvertrag haben, der es ihnen erlaubt, zu einem bezahlbaren Mietpreis in ihrem Kiez zu leben? Und denen allein beim Gedanken daran, ihre Wohnung zu verlassen, ein kalter Schauer über den Rücken läuft? Wir wollten von euch wissen: Habt ihr Angst vor einem Umzug?
„Unsere später eingezogene Nachbarin zahlt etwa doppelt soviel wie wir – für die gleiche Wohnung.“
Fast 44 Prozent der Umfrage-Teilnehmer gaben an, dass sie in einer Wohnung leben, aus der sie eigentlich gern ausziehen würden. „Gerade passt es, aber langfristig nicht“ – diese Situation trifft auf etwa 33 Prozent der Menschen zu, die an unserer Umfrage teilgenommen haben. Glückliche 23 Prozent sind zufrieden mit ihrer Wohnung.
Natürlich sind diese Zahlen nicht repräsentativ und natürlich neigen Menschen, die von diesem Thema betroffen sind, eher dazu, sich an einer Umfrage wie dieser zu beteiligen. Dennoch ist es mindestens bemerkenswert, dass sehr viele Menschen – oft ganze Familien – in Prenzlauer Berg derzeit oder auf lange Sicht in einer Wohnung leben, die nicht für sie geeignet ist.
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„Was tust du, um deine Situation angenehmer zu machen?“ „Viel spazieren.“
Für über 60 Prozent der Teilnehmenden ist die Wohnung zu klein. Fast 40 Prozent gaben an, dass ihre Wohnung für sie nicht mehr passt, weil sich ihr Leben verändert hat oder verändern wird. Das bedeutet in den meisten Fällen: Nachwuchs ist unterwegs. Oder die Kinder werden älter und brauchen mehr Platz.
Nicht selten quetscht sich eine vier- oder fünfköpfige Familie auf den Wohnraum, der eigentlich für zwei Menschen gedacht ist. Kinder teilen sich auch noch im Teenageralter ein Zimmer, kleine Kinder leben im Schlafzimmer ihrer Eltern. Eine Familie hat das Schlafzimmer ihrem Kind überlassen und die Eltern „wohnen, arbeiten und schlafen in einem Raum“, wie uns berichtet wurde. Dass die Eltern ein eigenes Schlafzimmer haben und jedes Kind sein eigenes Zimmer hat – das ist für viele, die an dieser Umfrage teilnahmen, jenseits des Möglichen. Wiederum andere verzichten darauf, mit ihrem Partner zusammenzuziehen, weil sie als Paar keine geeignete Wohnung finden.
„1x Wohnküche, 1x Schlafzimmer, 1x Bad sind einfach zu wenig Zimmer für eine inzwischen vierköpfige Familie.“
Zu welch absurden Situationen der Prenzlauer Berger Wohnungsmarkt führen kann, zeigt die Tatsache, dass immerhin 10 Prozent der Teilnehmenden angeben, ihre Wohnung sei zu groß für sie – beispielsweise, weil sie sich von einem Partner getrennt haben oder ihre Kinder langsam flügge werden. Doch eine kleinere Wohnung wäre teurer, sagen sie.
Und dann gibt es noch Menschen, die schlicht mit der Wohnung oder ihrer Lage unzufrieden sind. Viele leiden unter Lärm, etwa von der Straße oder rücksichtslosen Nachbarn. Manche müssen sehr weit zur Arbeit pendeln. Manche würden gern zurück in ihren alten Kiez ziehen, andere möchten Prenzlauer Berg verlassen.
„Was nutzt einem die gemütlichste, praktische, mietgedeckelte Wohnung noch, wenn dort nichts und niemand mehr ist, wofür es sich noch lohnen würde, zu bleiben?“
Doch sie alle bleiben – weil sie überzeugt sind, dass sie sich keine andere Wohnung leisten können. Viele sind an ihren Kiez gebunden, weil hier ihre Freunde leben oder weil ihre Kinder hier in die Kita oder zur Schule gehen. Einige wären bereit, Prenzlauer Berg zu verlassen, aber sie rechnen sich auf dem Berliner Wohnungsmarkt generell keine Chancen aus. Nur sehr wenige Teilnehmende haben geantwortet, dass sie dabei sind, sich ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen.
Diese Angst vor der unbezahlbaren Miete, sie geht durch alle Einkommensschichten. Uns haben Menschen geschrieben, die Hartz IV beziehen, aber auch solche, die ein gutes Einkommen haben.
„Vier bis fünf Zimmer sind in Berlin auch für zwei Lehrer nicht mehr machbar.“
Viele der Teilnehmenden haben ihre ganz eigenen Strategien entwickelt, um mit ihrer Wohnsituation zurecht zu kommen. Vor allem jene, die zu wenig Platz in ihrer Wohnung haben, lassen sich einiges einfallen. Ein Umbau der Wohnung, sei es mit neuen Wänden oder Zwischenebenen, steht ganz oben auf der Liste. Viele versuchen, sich durch Ausmisten mehr Platz zu schaffen, einer lagert seine Möbel ein, manche mieten Büroräume an, weil es zu Hause zu eng zum Arbeiten ist. Bemerkenswert ist, dass viele sich auch in ihrer Freizeit ganz bewusst außerhalb ihrer Wohnung aufhalten, etwa in einem eigenen Garten, im Kiez oder bei Freunden.
Viele der Teilnehmenden klingen in ihren Antworten resigniert, andere bemühen sich, die Sache mit Gelassenheit zu sehen. „Ich übe mich in Demut und hoffe, dass mein Kind nicht erst mit 30 auszieht“, lautet eine Antwort.