Fenster Schaubude Berlin

Dinge, die die Welt erklären

von Kristina Auer 15. Mai 2018

Die Annäherung von Ost und West, existenziell schwierige Jahre, radikale Neuerungen im Figuren- und Objekttheater. Die Schaubude in der Greifswalder Straße wird 25 und hat einiges erlebt.


Den Anfang machte eine Drehorgelspielerin. In alter Prenzlauer Berger Tradition eröffnete sie am 15. Mai 1993 die Schaubude Berlin in der Greifswalder Straße 81-84. „Das ging für mich damals alles viel zu schnell“, erinnert sich Silke Haueiß, „weil ich die Stelle erst wenige Wochen vorher angetreten habe und dann gleich rasant die Eröffnung folgte.“ Von Beginn an betreut Haueiß die Öffentlichkeitsarbeit in der Schaubude. An der Stelle, an der von den frühen 70er Jahren bis 1991 ein staatliches Puppentheater der DDR stand, sollte die Schaubude die Theatertraditionen von Ost und West zusammen- und das Figurentheater in die Zukunft führen. „Da kollidierten zwei unterschiedliche Blicke auf Kunst“, so beschreibt es Tim Sandweg, der die Schaubude seit 2015 leitet. Im Osten hat das Figurentheater mit staatlichen Spielstätten und einem eigenen Studiengang an der Ernst-Busch-Hochschule eine lange Tradition. Im Westen dagegen galt es als Nischenkunstform.

Team Schaubude Berlin

Silke Haueiß betreut von Anfang an die Öffentlichkeitsarbeit, Tim Sandweg ist seit 2015 künstlerischer Leiter an der Schaubude Berlin (Foto: Kristina Auer)

Jetzt, nach einem Vierteljahrhundert lässt sich feststellen: Der Weg in die Zukunft ist gelungen. Die Schaubude als Spielort für das Figuren- und Objekttheater sowohl für Erwachsene als auch Kinder ist in seiner Form einzigartig im deutschsprachigen Raum. Die Erkenntnis enstpannt: Von Chaos und Unruhe ist an diesem Nachmittag kurz vor dem Start der Jubiläumskonzerte nichts zu spüren. Deswegen sitzen Haueiß und Sandweg auch gut gelaunt im Foyer, um sie herum wird eifrig aber ruhig gewerkelt. Über uns hängt ein meterlanges Banner, dicht an dicht beschrieben mit 548 Namen der KünsterInnen und Gruppen, die die Schaubude geprägt haben. Die Message ist klar: Danke sagen. Dass die Schaubude kein eigenes Ensemble hat, macht sie zu einem so vielseitigen Spielort: „Man kann jede Woche was Neues spielen“, sagt Sandweg.

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Nicht mit dem eigenen Körper Theater spielen, sondern mit Gegenständen

Was als Puppentheater begann, hat sich über die Jahre zum Figuren- und Objetkttheater entwickelt. Ist das nicht eine abgedrehte Form von Spartentheater für experimentierfreudige Theaterfreaks, mag sich die eher ungeschulte Theaterbesucherin abgeschreckt fragen. Im Gegenteil, die Schaubude sieht sich weit entfernt von einem elitären Theaterverständnis. Silke Haueiß erklärt das Theater der Dinge in wenigen Worten:

Es geht darum, sich die Dinge, die uns umgeben, genau anzuschauen und über diese Gegenstände die Welt um uns herum zu hinterfragen: Was hat das mit mir zu tun? Was sagt es über unsere Gesellschaft aus?

Der Ansatz: Nicht mit dem eigenen Körper Theater spielen, sondern mit den Dingen, die in unserer Welt vorkommen. Das eröffnet größere Möglichkeiten, erklärt Tim Sandweg:

Wir haben ein viel durchmischteres Publikum als andere Theater, sowohl vom Alter als auch von der Herkunft her. Im Objekttheater werden über Gegenstände Welten erschaffen, der Bezug ist emotionaler und kommt oft sogar ohne Sprache aus. Deswegen können wir auch ein nicht-deutschsprachiges Publikum ansprechen.

Verändert sich die Welt, dann verändern sich auch die Dinge in ihr, und analog dazu das Objekttheater. So hat die Digitalisierung in der Schaubude längst den Weg auf die Bühne gefunden, wie beispielsweise das Programm des jährlichen Festivals „Theater der Dinge“ immer wieder erkennen lässt. Für Haueiß ist die Schaubude deshalb ein Ort, an dem sich gesellschaftliche Entwicklungen oft früher widerspiegeln als anderswo: „Die Bevölkerungsstruktur, ob es gerade viele Kinder gibt, der Umgang mit Technik, die wirtschaftliche Situation, all das lässt sich bei uns ablesen.“

 

Schwere Jahre und ein Bettenlager als Damoklesschwert

Mit der wirtschaftlichen Situation hatte auch die Schaubude – wie wohl jedes Theater der Welt irgendwann einmal – zu kämpfen gehabt. Es seien „finanziell existentielle Jahre“ gewesen, als Berlin in den späten 90er Jahren arm aber noch nicht wirklich sexy war und überall die Zuschüsse gekürzt wurden. Lange Zeit habe auch über den Räumlichkeiten ein Damoklesschwert gehangen: „Ein Bettenlager wäre hier rentabler gewesen, das konnten wir glücklicherweise abwenden“, sagt Haueiß. Die Intimität der Spielstätte sei charakteristisch für die Schaubude: „Hier ist es normal, dass die Künstler nach einem Stück im Foyer anzutreffen sind und man sich mit ihnen unterhalten kann“.

Inzwischen sind für die Schaubude glücklichere Zeiten angebrochen, spätestens seit sie im letzen Jahr mit dem Theaterpreis des Bundes geehrt wurde. Es könne aber auch sein, dass die Sterne gerade für alle günstig stehen, meint Haueiß. Wie auch immer, die Schaubude feiert jetzt erstmal fünf Tage lang mit einem Jubliäumskonzert der Dinge Geburtstag: „Wir lassen die Dinge Klang erzeugen, ich finde, das passt sehr gut zum Anlass“, sagt Sandweg. Zu sehen sind zwei katalanische und eine französische Produktion: Im „Petit Cirque“ des Tüftlers Laurent Bigot bewegen sich Figuren in einer Mini-Arena über Saiten und Lautsprecher. Die „Cases“ – Häuser – von Xesca Salva sind eine spielerische Anordnung für nur zwei ZuschauerInnen gleichzeitig. Für die Produktion hat die Künstlerin mit Prostituierten, Obdachlosen und allein lebenden, älteren Frauen gesprochen. Die Installation „Ich entstamme nicht Joan Brossa“ der Gruppe Cabosanroque befasst sich stattdessen mit dem gleichnamigen katalanischen Avantgardisten. Dort erzeugen selbständig tippende Schreibmaschinen, Gläser und ein Papierberg eine Klanglandschaft. Einen Eindruck davon gibt es hier:


„Die Künstler anständig bezahlen können“

Hätte Tim Sandweg für die Zukunft der Schaubude einen Wunsch frei, dann wären es zwei Wünsche: „Erstens: Die Künstlerinnen und Künstler anständig bezahlen.“ Dafür bräuchte es eine auf langfristige Stabilität ausgerichtete finanzielle Planung von Seiten des Senats, findet Silke Haueiß. „Sonst muss man ständig bangen, wie es in ein paar Jahren weitergeht.“ Und zweitens? „Einen Saalumbau“, sagt Sandweg. „Mit den Veränderungen im Objekttheater steigen auch die Anforderungen an eine Spielstätte, besonders wenn es um Digitalisierung und Techonologien geht“. Die Notwendigkeit für den Umbau liegt auch für Haueiß auf der Hand: „Wir wollen gute Gastgeber sein – und bleiben.“

 

Von 16. bis 20. Mai feiert die Schaubude Berlin mit den Jubiläumskonzerten 25. Geburtstag. Außer für die Premiere am 16. Mai können für alle Vorstellungen noch Karten reserviert werden. Den Spielplan und alle weiteren Informationen findet Ihr hier.

 

Titelfoto: Badaboom Berlin

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