Die Eitelkeit der Blutergüsse

von Brigitte Preissler 17. Mai 2011

Gelbgrünes Licht und ein Pornostar mit Säge: Die Pariser Portätfotografin Marikel Lahana stellt ihre ungewöhnlichen Arbeiten derzeit in der Galerie „Exposure Twelve“ aus.



Nina Roberts ist eine französische Pornodarstellerin, und Marikel Lahana hat sie fotografiert. Allerdings nicht bei der Arbeit. Nein, Blowjobs oder nackte Brüste gibt es nicht zu sehen auf Lahanas Bildern. Als großformatige Poster und in Form einer Diashow werden sie derzeit in der Galerie „Exposure Twelve“ in der Senefelderstraße ausgestellt. Auf einem Bild trägt diese Nina Roberts ein Shirt mit martialischem Totenkopf-Print. Und eine Säge in der Hand. Man sieht die Tätowierungen auf ihren Armen, ihre spitz zulaufenden Augenbrauen erinnern an kleine Dolche. Diesem düster dreinblickenden Vamp möchte man lieber nicht allein nachts begegnen. Schon gar nicht auf der schummrigen, einsamen Straße, die im Hintergrund zu sehen ist. 

 

Marikel Lahana, geboren 1978 im französischen Städtchen Annonay, sitzt in der Galerie und erzählt die Geschichte zu ihrer Fotoserie „Nina“ (2010), zu der das beschriebene Schwarz-Weiß-Bild gehört. „Wegen ihres Berufs wird Nina häufig von Männern belästigt. Deshalb verlässt sie das Haus nur spät nachts oder sehr früh am Morgen. Besonders, wenn sie ihr Kind dabei hat. Zur Abschreckung nimmt sie oft die Säge mit, weil die von der Polizei nicht als Waffe bewertet wird, sondern als Werkzeug. Man darf sie deshalb in Frankreich ohne Waffenschein mit sich führen.“ 

 

Blaulila, gelbgrün, blutrot

 

Die fragile Französin hat eine Vorliebe für fahle Lichtverhältnisse, gern setzt sie ihre Modelle grünstichigem Licht oder auch grellen Neonbeleuchtungen aus. In ihrer Serie „La vanité des scchymoses“ (dt.:„Die Eitelkeit der Blutergüsse“) versucht sie sogar ganz bewusst, das Farbspektrum von Blutergüssen nachzuempfinden. Die körnigen Hintergründe schimmern blaulila, gelbgrün oder blutrot, zu sehen sind Menschen, die sich gerade von unterschiedlichen schmerzhaften Erfahrungen erholen. Einmal sieht man den dunklen Umriss eines alten Mannes von hinten – in einem diesigen Krankenzimmer, vielleicht ist es auch ein Altersheim („Philippe(s)“, 2009). In einer anderen Arbeit hebt das Licht die Knochen hervor, die sich auf dem nackten, dürren Oberkörper von „Nelson“ (2009) unter der Haut abzeichnen.

 

Marikel Lahana hat in Paris und Arles Fotografie studiert und fing zunächst als Pressefotografin an, unter anderem für Le Monde. Die Werke der Wahl-Pariserin – es sind vorwiegend Porträts – wurden in ihrem Heimatland mit vielen Preisen ausgezeichnet, 2009 unter anderem beim „mission jeunes artistes“ in Toulouse. Sie hat in Frankreich, aber auch in China oder Kanada ausgestellt. 

 

Zu perfekt ist langweilig

 

Und nun eben in der Senefelderstraße. In einem der beiden kleinen Ausstellungsräume gibt die von der Pariser Pianistin Trami Nguyen musikalisch begleitete Diashow „nobody knows“ einen Überblick über Lahanas bisheriges Werk. Insgesamt wirkt es zwar nicht gerade stimmungsaufhellend; Lahana stellt Verletztheit aus, und das ist nun mal nichts weniger als gefällig. Sie hat eben eine Schwäche für Menschen mit eher düsteren Geschichten: „Alle, die ich fotografiere, schleppen irgendein Trauma mit sich herum,“ sagt sie. „Schön werden sie erst durch einen vermeintlichen Makel. Wenn jemand zu perfekt ist, finde ich es langweilig.“ 

 

Ein bisschen schade ist, dass ihre Fotografien in der Schau nicht gerahmt, sondern schlicht als Papierausdrucke in Postergröße an die Wand gepinnt sind. Vermutlich ließen sie sich aufgerollt am einfachsten nach Berlin bringen. Im Ausstellungsraum wirkt das nun zwar ein bisschen improvisiert – nicht ganz perfekt eben. Aber vielleicht ist das ja Absicht. 

 

Marikel Lahana, „nobody knows.“ Bis 05. Juni 2011 in der Galerie „exposure twelve“, Senefelderstraße 35, geöffnet Fr-So 14-20 Uhr, Eintritt frei. 

 

Am 28. Mai um 19/20.30 Uhr wird es im nahe gelegenen Kulturzentrum „Danziger 50“ ein „Special Event“ zur Ausstellung geben: Die Pianistin Trami Nguyen wird dann live zu Marikel Lahanas Vidoshow „nobody knows“ spielen, Eintritt frei.  

 

Weitere Informationen unter www.exp12.com und unter www.danziger50.de

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