Güterbahnhof Greifswalder

Wer will was am Güterbahnhof

von Kristina Auer 21. März 2018

Wird der Güterbahnhof Greifswalder Straße jemals etwas anderes sein als ödes Brachland? Was Gewobag, Investor, Bezirkspolitik und Senatsverwaltung dazu sagen.


Das ist die Geschichte eines alten Güterbahnhofs, der seit vielen Jahren im Herzen von Prenzlauer Berg vergammelt. Investoren haben den Güterbahnhof im Jahr 2011 gekauft. Sie möchten das Grundstück durch den Bau von Wohnungen wirtschaftlich rentabel machen. Dagegen regt sich der Protest von Anwohnern, die für Grünflächen statt Verdichtung kämpfen und das Zusammenbrechen der sozialen Infrastruktur bei noch mehr Bewohnern fürchten.

Gleichzeitig platzt die Stadt um den Güterbahnhof herum aber aus allen Nähten und es gibt immer mehr Menschen, die dringend eine bezahlbare Wohnung brauchen. Deswegen gab es einst Pläne, in einem kombinierten Projekt zwischen Investoren- und landeseigenen Flächen Wohnungen zu bauen, von denen ein Teil geförderte Sozialwohnungen zum Quadratmeterpreis von 6,50 Euro werden sollten. Aber auch teurere Miet- und Eigentumswohnungen waren Teil des Projekts, ebenso ein Schulcampus mit Sportplatz und ein paar neue Grünflächen. Immerhin: Die Schulerweiterung soll kommen. Auf eine Variante für Wohnungsbau konnten sich die Entscheidungsträger aber nicht einigen – also passiert gar nichts. Der Versuch einer Übersicht über die verschiedenen Positionen:

 

Der Stadtrat

Der zuständige Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn von den Grünen ist wie seine Partei für eine Bebauung mit Wohnungen auf dem Güterbahnhofs-Gelände. Sein Vorgänger Jens-Holger Kirchner (ebenfalls Grüne) ist gemeinhin als größter Kämpfer für das Projekt unter den Politikern bekannt. Mit seiner Berufung zum Staatssekretär für Verkehr im Dezember 2016 hat sich der Fortschritt der Entwicklungen deutlich verlangsamt. Nachfolger Kuhn ist als etwas vorsichtigerer Stadtrat bekannt und schildert seine Sicht der Dinge wie folgt:

Wir haben nach wie vor das Problem, dass die Mehrheit in der BVV zwar das Gesamtvorhaben nicht unterstützt, jedoch eine Teilbebauung lediglich der landeseigenen Flächen für denkbar hält. Dies ist aus planungsrechtlicher Sicht des Bezirksamtes Pankow nicht befürwortet worden, so dass der weitere Planungsprozess zur Zeit ausgesetzt ist. Ich hoffe, das wir hier irgendwann doch weiterkommen, gerade weil der Standort nicht ewig so bleiben kann.

 

Die Entscheider – Die Linke:

Mit insgesamt 13 Bezirksverordneten bildet die Linke seit Herbst 2016 die größte Fraktion in Pankow und stellt außerdem den Bürgermeister Sören Benn. Schon sehr früh, nachdem der Kauf des Güterbahnhofsgeländes durch Christian Gérôme bekannt wurde, hat sich die Partei kritisch zu einem Wohnungsbauvorhaben positioniert, stellte immer wieder Anfragen zu den Vorgängen zwischen Bezirk und Investor.

Im Wahlkampf 2016 wählte Benn sich den Thälmannpark für ein Treffen mit uns aus. Der Ort sei prototypisch für die Entwicklungen im Bezirk, so seine Begründung. „Ich bin nah bei der Anwohneinitiative, die sagt: Wir sollen nicht erstmal über Zahlen reden und dann gucken, wie wir sie da reinquetschen. Sondern wir sollen gucken: Was macht städtebaupolitisch Sinn.“ Es gebe nicht nur Wohnungsnot in Pankow, sondern auch Grünflächendefizit und Schulnot, so Benn weiter. An der Macht angelangt, möchte man sich bei der Linken plötzlich gar nicht mehr gerne zu einer irgendwie gearteten Entwicklung am Güterbahnhof äußern. Vom Fraktionsvorsitzenden Zarbock kommt lediglich der Hinweis, es gebe im Bezirk doch viele andere Wohnungsbauvorhaben.

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Wir werfen also nochmal schnell einen Blick ins Wahlprogramm von 2016, auch darin kommt der Thälmannpark vor, die Aussagen sind aber eher schwammig: Wohnungsneubau müsse die Wohn- und Lebensqualität aller PankowerInnen verbessern ist das zu lesen. Eine „adäquate Bebauungsdichte“ sei unverzichtbar, damit sich Neubau harmonisch in bestehende Wohnviertel einfügt. Dann noch dieser Satz: „Wir wollen das Stadtgebiet Thälmannpark – Fröbelstraße – Anton-Saefkow-Park als »Grüne Mitte« des Ortsteils Prenzlauer Berg entwickeln.“

Aktuell von der Linken nur: Schweigen

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Die Gewobag

Die Gewobag soll nach dem Willen der BVV die landeseigenen Flächen zwischen Güterbahnhof und Lilli-Henoch-Straße – dort, wo aktuell Parkplätze stehen – mit Wohnungen bebauen. Nach ihrer Sicht auf die Vorgänge befragt, äußert sich die Gewobag nur zurückhaltend. Aufgabe der Gewobag sei es, den politischen Willen der Regierenden auszuführen, erläutert man uns. Und: Die Gewobag sei bestrebt, bis 2026 berlinweit 10.000 neue Wohnungen zu bauen. Zum Thälmannpark nur so viel:

Wir stehen gemeinsam mit dem Senat, dem Bezirk und dem privaten Investor im Austausch, können jedoch zum jetzigen Zeitpunkt keine konkreten Aussagen treffen.

 

Die Senatsverwaltung

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hält sich im Moment raus aus möglichen Planungen am Güterbahnhof. Eine Bebauung ohne Bebauungsplan sei jedenfalls nicht möglich, weder auf landeseigenen noch auf privaten Flächen, heißt es von dort:

Nach dem derzeitigen Planungsrecht ist eine Wohnbebauung unzulässig. Die Entscheidung, ob das Wohnungsbauvorhaben durch die Aufstellung eines Bebauungsplans ermöglicht werden soll, obliegt jedoch dem Bezirk Pankow. Aktuell ist auf den privaten Flächen nur eine gewerbliche Nutzung zulässig.

Die Senatsverwaltung könnte das Bauvorhaben aber auch an sich ziehen, nämlich dann, wenn es ein dringendes Gesamtinteresse Berlins gegeben sieht. Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) und die Stadträte verlören dann ihre Entscheidungsgewalt. Laut Gesetz zur Ausführung des Baugesetzbuchs (AGBauGB) kann das schon bei Projekten ab 200 Wohnungen angewendet werden – im Fall der Flächen nördlich des Thälmannparks ginge es um deutlich mehr Wohnungen. Bisher sieht die Senatsverwaltung ein Eingreifen dennoch nicht als notwendig an.

 

Der Investor

Ginge es nach Christian Gérôme, wären die 600 Wohnungen zwischen S-Bahn-Trasse und Lilli-Henoch-Straße schon fertig. Eigentlich sei alles vorbereitet, nur eins fehle: das Baurecht, so sieht es der Investor. „Wir könnten sofort anfangen“. Es enttäusche ihn, dass die Politik nicht in der Lage sei, produktiv zu handeln, sagt Gérôme. Damit werde der Gesellschaft enormer Schaden zugefügt. Als Gründe dafür sieht er politisches Versagen und Einzelinteressen.

Ich will dort etwas Schönes hinbauen. Die Vision ist die eines familienfreundlichen Wohnparks. Gemeinsam mit der Gewobag könnten bis zu 300 Sozialwohnungen entstehen. Eine getrennte Planung macht keinen Sinn, weil es Grundstücksüberlappungen gibt. Außerdem würde ich ein Stück meines Grundstücks für den Schulcampus abtreten. Auch durchgehende Grünflächen habe ich akzeptiert. Es gibt genügend Freiflächen in Berlin, die Wohnungsnot könnte schnell besiegt werden, aber die Politik verhindert das.

Gérôme betont: Ein Verkauf des Grundstücks kommt für ihn nicht in Frage. Er übe sich in Geduld: „Ich habe drei Kinder. Ich kann warten.“

 

Die SPD

Die Pankower SPD hat keinen ganz eindeutigen Standpunkt zu den Bauplänen am Güterbahnhof, zumal die Partei kein großer Fan der Hochhauspläne auf dem Gelände zu sein scheint. Ursprünglich befürwortete die SPD die Ausschreibung eines städtebaulichen Wettbewerbs für das Areal, zeigte sich zuletzt aber skeptischer. Der Fraktionsvorsitzende Roland Schröder „wundert“ sich, dass uns das Grundstück überhaupt interessiert, es könne ja dort wenn überhaupt „nur ein ganz kleiner Teil zur Bereitstellung von Wohnraum“ geleistet werden. Seine Sicht der Dinge:

Ein Wohnungsneubau auf dem Gelände kann lediglich im geringen Umfang und nur dann erfolgen, wenn dieser den denkmalgeschützten Ernst-Thälmann-Park nicht beeinträchtigt und wenn sich dieser mit einem durchgängigen Grünzug und der Erweiterung des Schulcampus verträglich gestalten lässt. Ohnehin müsste der Flächennutzungsplan geändert sowie ein Bebauungsplan aufgestellt werden. Angesichts der vielen anderen bedeutenderen Wohnungsbauprojekte mit anhängigen Bebauungsplanverfahren im Bezirk Pankow sehe ich für einen derartigen Planungsaufwand an dieser Stelle keine Priorität.

 

Die Opposition – CDU

Ganz anders sieht das Johannes Kraft von der CDU. Der Stillstand am Güterbahnhof  sei“wirklich bedauerlich“, es habe schon intensiven Austausch zwischen Bezirk, Grundstückseigentümer und Senatsverwaltung gegeben, das scheine nun alles umsonst gewesen zu sein. Kraft sieht die Verantwortung bei den regierenden Parteien. Die schöben Dinge lieber auf die lange Bank, anstatt sich festzulegen und befördere den Wohnungsneubau nicht richtig.

Der Güterbahnhof an der Greifswalder Straße ist die am besten geeignetste Fläche für zügigen Wohnungsbau, die ich im Bezirk kenne. Vieles spricht für das Bauen: Die gemeinsame Entwicklung aus landeseigenen und privaten Flächen in Kombination;  die Chance, eine vernünftige Mischung der neuen Bevölkerung hinzubekommen; die gleichzeitige Erweiterung der Grundschule; die hervorragende verkehrliche Anbindung. Es ist wirklich traurig, dass nichts passiert.

 

In der Themenwoche Güterbahnhof Greifswalder Straße widmen wir uns dem umstrittensten Bauprojekt von Prenzlauer Berg! Das hier ist Teil 3.

Teil 1: Chronologie des Stillstands – was die letzten Jahre alles NICHT passiert ist.

Teil 2: Was Ihr tun würdet – die Entscheider können sich nicht einigen, also haben wir Euch gefragt, was am Güterbahnhof passieren soll.

Teil 4: Blockieren und schweigen – warum ich meine nächste Wohnung irgendwo am Stadtrand suchen kann.

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