Güterbahnhof Greifswalder Straße

Güterbahnhof: Was Ihr tun würdet

von Kristina Auer 20. März 2018

Was soll werden aus dem alten Güterbahnhof Greifswalder Straße? Politik, Anwohner und Investor können sich seit sieben Jahren nicht einigen. Wir wollten wissen, was Ihr darüber denkt.


Dauerbrenner, Kiezgespräch und Streitthema Nummer Eins – das ist der Güterbahnhof an der Greifswalder Straße. Seit sieben Jahren geht es in der Planung hin und her zwischen Gegnern und Befürworterinnen von Wohnungsbau auf dem unansehnlichen Brachland zwischen S-Bahn-Gleis und Thälmannpark. Eine Einigung der Parteien liegt in weiter Ferne. Wir wollten wissen, was Ihr, die Prenzlauer Berger, eigentlich davon haltet. Wenn es nach Euch geht, soll auf dem Güterbahnhof gebaut werden oder nicht, und wenn ja, dann was? Anfang Februar haben wir dafür eine Umfrage erstellt. Natürlich ist dies nur ein kleines Meinungsbild und keine repräsentative Umfrage. Eure Antworten haben uns trotzdem überrascht:

 

 

So viel Feedback wie noch nie

 

230 Prenzlauer Bergerinnen und Prenzlauer Berger haben bei der Umfrage mitgemacht. Noch nie haben sich so viele Menschen an einer unserer Umfragen, die wir in unregelmäßigen Abständen erstellen, beteiligt. Merke: Das Thema beschäftigt Euch.

Zu Beginn haben wir ganz lapidar gefragt: Seid Ihr grundsätzlich dafür oder dagegen, dass das Gelände nördlich der Lilli-Henoch-Straße mit Wohnungen bebaut wird. Eure Antworten hätten wir so nicht erwartet:

Güterbahnhof Greifswalder Baubpläne

Quelle: Typeform

Rund zwei Drittel aller UmfragenteilnehmerInnen hätten gerne Wohnungsbau am nördlichen Ende des Thälmannparks, ein Drittel ist gegen den Wohnungsbau. Wir haben Euch auch gefragt, wieviele Wohnungen Eurer Meinung nach dort passend wären: So viele wie möglich, 600 wie im bezirklichen Wohnbaukonzept veranschlagt, 120 wie die rot-rot-grüne Zählgemeinschaft zuletzt vorschlug oder gar keine? Eure Antworten verteilen sich wie folgt:

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Güterbahnhof Greifswalder wieviele Wohnungen

Quelle: Typeform

Fast die Hälfte aller Antwortenden sind der Meinung, am Güterbahnhof sollte so viel wie möglich gebaut werden. Gleich dahinter folgt aber mit über 23 die Forderung, überhaupt keine Wohnungen zu bauen. Ein Fünftel spricht sich für die im Wohnbaukonzept veranschlagten 600 Wohnungen aus. Nur gut zehn Prozent möchten die wenigen Wohnungen, die die Pankower Linken am Güterbahnhof vorschlagen.

 

Gründe dafür

 

Die Wohnungsnot wird als häufigste Begründung für Wohnungsbau am Thälmannpark von Euch angeführt. Auch die zentrale Lage, die gute Verkehrsanbindung und die versprochenen günstigen Mietpreise bei einem Teil der Wohnungen werden als Argumente für eine Bebauung genannt. Mietpreise könnten nur durch mehr neue Wohnungen gebremst werden, so die Ansicht vieler Leserinnen und Leser. „Wir benötigen mehr bezahlbaren Wohnraum, auch und gerade in Prenzlauer Berg“, schreibt eine Leserin.

Auch der aktuelle Zustand des verwilderten Geländes ist für viele Anlass zur Befürwortung. Als „trostlos“, „verlottert“ und „Schandfleck“ beschreiben einige das Areal. „Jeden Morgen ärgere ich mich über die verfallenen Gebäude“, schreibt ein Leser. Manch einer möchte auch lieber den Güterbahnhof bebauen „als in jede verbliebene Lücke in den Gründerzeitvierteln oder in Gebieten wie dem Friedhof in der Pappelallee“.

Aber: Auch unter den BefürworterInnen gibt es Skepsis gegenüber Grundstückseigentümer und Entscheidungstragenden. Es solle zwar gebaut werden, aber keine Eigentumswohnungen, findet eine. Ein anderer misstraut dem Investor Christian Gérôme und will nur die Gewobag auf den landeseigenen Flächen bauen lassen. Immerhin 20 von Euch, die den Wohnungsbau am Güterbahnhof grundsätzlich befürworten, fürchten trotzdem, dass am Ende nur teure Wohnungen entstehen.

 

Gründe dagegen

 

Die Gegner von Wohnungsbau am alten Güterbahnhof bringen eine Vielzahl teils völlig unterschiedlicher Argumente vor. Das gemeinhin häufigste Motiv gegen eine Bebauung ist die Unterversorgung mit Grünflächen. Nachgesehen werden kann sie auf dieser großartigen Karte. Nach dem Willen des Senats sollen jeder Berlinerin mindestens sechs Quadratmetern Grünfläche in Wohnungsnähe zur Verfügung stehen, was allerdings fast nirgends hinhaut. Während die Anwohner am Thälmannpark noch recht gut versorgt sind, blinken die Nachbargebiete in grellem Notstands-Lila auf.

Die Wohnungsnot werde als Totschlagargument für jedwede Baupläne missbraucht, findet ein Leser. Viele Bebauungsgegnerinnen haben außerdem Bedenken, dass die Strukturen nicht noch mehr Bewohner aushalten werden. So schreibt eine Leserin:

Es wurde bereits zu viel verdichtet. Man kann nicht nur Wohnungen bauen, ohne an eine intakte Infrastruktur zu denken. Es fehlen jetzt schon Kitas, Schulen, Geschäfte, Arztpraxen. Noch mehr Wohnungen würde bedeuten, dass die Lebensqualität sich für alle weiter verschlechtert.

Andere wünschen sich einfach den Erhalt von Freiräumen und finden, Prenzlauer Berg sei sowieso schon dicht besiedelt genug. Ein Leser findet, das Brachland werde als Hundeauslauf gebraucht, damit der schöne Thälmannpark vor den Exkrementen der lieben Tierchen verschont bleibt. Was bisher allerdings auch nicht funktioniert.

Ein interessanter Vorschlag kommt von mehreren Lesern: Das Areal solle doch zum Party-Standort für alle aus Prenzlauer Berg verdrängten Clubs wie Icon, Knaack, Magnet und Klub der Republik werden – quasi ein Pendant zum Friedrichshainer RAW-Gelände. Unsere Jugend brauche Orte zum Ausgehen, und am Güterbahnhof Greifswalder Straße könne das ohne lärmbelästigte Nachbarn ermöglicht werden. Die Anwohnerinnen im Thälmannpark wären von dieser Idee trotzdem nur mäßig begeistert, mutmaßen wir jetzt mal.

 

In der Themenwoche Güterbahnhof Greifswalder Straße widmen wir uns dem umstrittensten Bauprojekt von Prenzlauer Berg! Das hier ist Teil 2.

Teil 1: Chronologie des Stillstands – was die letzten Jahre alles NICHT passiert ist

Teil 3: Wer will hier eigentlich was ? – Versuch einer Übersicht über unterschiedliche Positionen.

Teil 4: Blockieren und schweigen – warum ich mir meine nächste Wohnung irgendwo am Stadtrand suchen muss.

 

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