In der Grellstraße soll ein ganzer Block saniert werden. Die Deutsche Wohnen verspricht: Alle Mieter können bleiben. Die aber trauen dem Unternehmen nicht.
„Den Glauben lassen wir jetzt mal in der Kirche“, sagt Ulf Heitmann und wirkt etwas ratlos. Bezirksstadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) hat den Juristen und Geschäftsführer der Genossenschaft Bremer Höhe am Montagabend in den BVV-Saal gebeten, um zwischen den Mietern der Grellstraße 8-12 und der Deutschen Wohnen zu vermitteln. Die ist Eigentümerin besagter Gebäude aus den 30er Jahren und will ab nächstem Jahr umfangreich sanieren.
Kein Vertrauen in gute Absichten
Der Block liegt in einem Milieuschutzgebiet und gemeint ist der Glaube daran, dass durch die Sanierung tatsächlich niemand verdrängt wird, wie die Deutsche Wohnen beteuert. Und so einfach ist das mit dem in der Kirche lassen für die Bewohner nicht. Denn konkrete schriftliche Vereinbarungen über die künftigen Miethöhen gibt es noch nicht, dafür ist es noch zu früh in der Planung. Aber die Skepsis unter den Mietern an den guten Absichten des Unternehmens sitzt tief. Die ungezählten Vergleichsfälle aus dem Stadtteil und immer wieder negative Schlagzeilen über die Deutsche Wohnen, zuletzt beispielsweise beim Tagesspiegel, tragen ihren Teil bei.
Um das Vertrauen zu stärken, luden Bezirk und Deutsche Wohnen also jetzt zur Infoveranstaltung. Höchste Zeit, finden die Mieter, die sich bereits zu einem Mieterstammtisch zusammengeschlossen haben. Einer der Initiatoren ist Roger Bach, der in der Hausnummer 12 groß geworden ist. Seine 84-jährige Mutter Helga lebt dort sogar schon seit dem Erstbezug im Jahr 1937.
„Sehr unglücklich“, findet Bach die bisherige Kommunikation mit der Deutschen Wohnen. Zuerst seien im Frühjahr Mieterhöhungen angekündigt worden, erzählt er. „Als viele Mieter Widerspruch einlegten, wurde die Mieterhöhung zurückgezogen. Kurze Zeit später folgte dann die Information, dass modernisiert werden soll“, sagt Bach. Schleierhaft ging es weiter: Im August schloss der Bezirk mit dem Unternehmen eine Vereinbarung zum sozialverträglichen Ablauf der Arbeiten, jedoch wurde der Inhalt zunächst geheim gehalten. Auch über die Baumfällarbeiten auf dem Grundstück, die letzte Woche begannen, seien die Mieter erst sehr spät und ungenau informiert worden. Inzwischen ist klar, dass die Fällung von 16 Bäumen auf dem Grundstück vom Bezirk genehmigt ist, sie dient der Instandsetzung unterirdischer Leitungen.
Rund 110 neue Wohnungen geplant
Soviel ist bisher bekannt: Alle bereits existierenden Wohnungen sollen neue Fenster, Anschluss an eine Zentralheizung und neue Bäder bekommen. Außerdem will die Deutsche Wohnen die Gebäude mit zwei Stockwerken aufstocken und die Fassaden dämmen. Sechs Geschosse und 49 neue Wohnungen soll es am Ende in den Häusern geben. Dazu kommen zwei Neubauten, die als Lückenschluss geplant sind, mit weiteren 62 Wohnungen. Während der Bauzeit in der eigenen Wohnung will die Deutsche Wohnen den Mietern Ersatzwohnungen anbieten. Die Bauarbeiten sollen pro Wohnung nicht länger als vier Wochen dauern und in einer Art Hau-Ruck-Verfahren in Abschnitten von je drei Monaten pro Gebäude durchgeführt werden. Ende 2020 soll alles fertig sein.
Die geplanten Arbeiten seien ungefähr jeweils zur Hälfte Instandsetzungen und Modernisierungen, sagt DW-Sprecher Marko Rosteck. „Faktisch leben die Bewohner zum Beispiel hinsichtlich Sanitäranlagen, Leitungen und Rohre aber auch hinsichtlich der Wärmeversorgung bestenfalls noch in den 50er bis 60er Jahren„, sagt Rosteck. „Die Bäder, Leitungen und Rohre müssten schon gemacht werden“, findet auch Mieterin Johanna Wolle. „Und die Fassade auch, aber ohne die Wärmedämmung!“ Die sei zwecklos, weil die Kosten in keinem Verhältnis zu den dadurch erreichten Energieeinsparungen stünden. Auch das ein altbekanntes Problem.
Miete soll nicht mehr als 30 Prozent kosten
„Alle Mieter sollen in ihren Wohnungen bleiben können, wenn sie das möchten“, beteuert DW-Sprecherin Manuela Damianakis. Luxussanierungen seien nicht im Interesse des Unternehmens, ebenso wenig wie die Verdrängung der Bewohner. Die Vereinbarung der Deutschen Wohnen mit dem Bezirksamt sieht deshalb vor, dass die Modernisierungsarbeiten nur auf die Mieter umgelegt werden dürfen, wenn die Gesamtmiete nach der Modernisierung nicht höher als 30 Prozent des Einkommens beträgt. Andernfalls soll eine Härtefallregelung greifen und die Modernisierungsumlage gekappt werden. Das Problem: In den rund 45 Quadratmeter großen Ein- bis Zweizimmerwohnungen in dem Komplex wohnen sehr viele Geringverdiener, Arbeitslose und Rentner. Manche zahlen schon jetzt über ein Drittel ihres Einkommens. Wenn die Härtefallregelung also für fast alle Bewohner greifen würde, wie soll die Sanierung für die Deutsche Wohnen dann rentabel sein, fragen sich die Mieter. Sie bezweifeln, dass die Versprechungen eingehalten werden.
Auch die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) scheint sich nicht so ganz sicher zu sein, dass in der Grellstraße letzten Endes alles gut geht. Sie forderte deswegen eine Umstrukturierungssatzung, um den Verbleib der Mieter zu sichern. Aus dieser ist die Vereinbarung zwischen Bezirk und Deutscher Wohnen entstanden. Die bezirkliche Mieterberatung soll den Prozess begleiten und überwachen sowie die Mieter beraten. Die Deutsche Wohnen hat nun wiederholt öffentlich versprochen, dass kein Mieter nach der Modernisierung mehr bezahlen wird als jetzt oder höchstens 30 Prozent seines Einkommens. Das Unternehmen wird sich an diesen Aussagen messen lassen müssen.
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