Eineinhalb Jahre haben die jungen Eltern Max und Valentina einen Papierkrieg um staatliche Unterstützung ausgefochten. Und am Ende kapituliert.
Für Papierkriegsveteranen gibt es keine Orden. Ihre Auszeichnungen heißen Aktenzeichen, Ablehnungsbescheid oder Widerspruchsrecht, und wenn man ausreichend davon gesammelt hat, dann bekommt man zumindest Elterngeld. Wenn man denn Glück hat.
Max Landero Alvarado ist 19 Jahre alt und vor ein paar Monaten von Lichtenberg nach Prenzlauer Berg gezogen. An einer bilingualen Schule in Charlottenburg macht er im nächsten Jahr sein Abitur. Sein Vater ist Chilene, seine Freundin heißt Valentina, und mit ihr wohnt er da, wo der Bezirk schon fast Mitte heißt, in einer Neubauwohnung. Vor sechs Monaten wurde ihre Tochter Olivia geboren. Knapp eineinhalb Jahre haben Max und Valentina ihretwegen den Papierkrieg mit den Ämtern dieser Stadt geführt. Nun haben sie kapituliert.
„Wir bekommen 300 Euro Elterngeld, Kindergeld, ich jobbe in einem Café und ab und zu stecken uns unsere Eltern mal etwas zu.“ Seine Freundin und ihre Tochter hätten Anrecht auf Hartz IV und damit auch auf die Bezahlung ihrer Wohnung, er selbst auf Schülerbafög, und eine Erstausstattung fürs Baby hätte es auch noch geben können, sagt Max. „Das bekommen wir alles nicht.“ Irgendwann hätte die Kraft einfach nicht mehr gereicht für all die Formulare, das Sitzen auf Fluren und das Aufdecken aller Kontobewegungen sämtlicher Familienmitglieder. Da hätten sie die weiteren Bemühungen einfach eingestellt. „Ich will wirklich nicht klagen, denn wir haben das Glück, dass wir auch so leben und auf die staatliche Unterstützung weitestgehend verzichten können. Aber richtig finde das dennoch nicht.“
Mutterschutz, Abi, Studium – der Plan steht
Als Max und Valentina vor eineinhalb Jahren erfuhren, dass sie Eltern werden, mussten sie ihr Leben erstmal neu sortieren, denn so war das eigentlich alles nicht geplant. Die beiden spielten alle Optionen durch und entschlossen sich für das Baby. Valentina hat noch die 12. Klasse beendet und ist dann in den Mutterschutz gegangen. Im nächsten Jahr will sie ihr Fachabi nachmachen. Dann ist auch Max fertig mit der Schule, danach will er studieren, vielleicht Jura. Genau wisse er das aber noch nicht, denn eins habe er in der letzten Zeit gelernt: „Man darf nicht zu weit im Voraus denken.“
Am schlimmsten sei die Behandlung auf den Ämtern gewesen, meint Max. Seine Freundin habe schwanger und später stillend auf den Fluren und in den Büros gesessen und alles, was man ihr mitgegeben habe, sei der Vorwurf gewesen: Selbst schuld. Keine gute Erfahrung für zwei junge Eltern, die sich noch bis vor kurzem in einem Sozialstaat wähnten.
Sanktionsfreie, bedingungslose Unterstützung als Ideal
„Ich bin kein Schmarotzer“, sagt Max. „Doch ich bin noch in der Ausbildung und finde, die Gemeinschaft sollte ein Interesse daran haben, dass ich diese gut abschließe.“ Nur so könne er später schließlich selbst ausreichend in den großen Topf einzahlen. „Eine sanktionsfreie, bedingungslose Unterstützung, das wäre für mich das Ideal.“
Die kleine Familie hat sich nun auch so arrangiert, ohne die Möglichkeiten der staatlichen Unterstützung völlig auszureizen. „Das Materielle ist schließlich nur sekundär bis tertiär“, findet Max. Gesundheit, und dass er und Valentina sich gut verständen, das sei viel wichtiger. „Aber meine Tochter soll natürlich auch nicht benachteiligt werden.“
Noch ist Olivia zu klein, um große Bedürfnisse zu haben. Bleibt zu hoffen, dass sie die materielle Bescheidenheit ihrer Eltern geerbt hat, denn bis die beiden voll im Berufsleben stehen, wird es noch etwas dauern. Und weitere Orden im Papierkrieg verdienen wollen die sich eigentlich lieber nicht: „Wir haben aufgegeben, aus Fragen der Lebensqualität“, meint Max. „Man fühlt sich jetzt freier.“