Bezirkspolitik gegen Bauinvestor: In der Straßburger Straße wird um Bauland gekämpft – mit hohem Symbolwert. Wird in Prenzlauer Berg zu dicht gebaut?
Rainer Bahr fühlt sich falsch verstanden. 16 Bauprojekte habe seine Firma „Econcept“ bisher in Prenzlauer Berg auf den Weg gebracht, es habe nie solche Probleme gegeben wie jetzt. Als „Heuschrecke“ werde er von Bezirkspolitikern bezeichnet. Bahr hat das Eckensemble „KolleBelle“ an der Kollwitzstraße gebaut, inzwischen gehört im auch das Grundstück nebenan, das zur Straßburger Straße hin geöffnet ist.
Dort stehen drei Nachkriegsbauten, sie wurden ursprünglich einmal für Beschäftigte der Humboldt-Universität gebaut, einige Mieter leben seit 50 Jahren hier. Zwischen den Zeilenhäusern gibt es Grünflächen, Bahr will darunter Tiefgaragen bauen. Außerdem – und das ist der Punkt, der am meisten Anstoß erregt – soll der Block zur Straßburger Straße hin mit einer Blockrandbebauung geschlossen werden. Dafür müssten 20 der 110 bestehenden Wohnungen abgerissen werden.
„Anfang Mai hatte ich eine Bauvoranfrage gestellt. Sie war mit dem Bezirksamt abgestimmt“, sagt Bahr. Doch inzwischen, nach anonymen Mieterprotesten, einer Intervention von Bundestagsvizepräsident und Nachbar Wolfgang Thierse sowie einem Stimmungswechsel in der BVV, macht sich Bahr keine Illusionen mehr. „Das wird drei oder fünf Jahre dauern.“ Der Investor kündigte im Gespräch an, er wolle zur Not bis vor das Bundesverwaltungsgericht ziehen. „Auf diesem Grundstück wird gebaut werden. Und wenn dort jemand baut, dann bin ich das“, sagt Bahr. Grundlage für eine mögliche Klage könne der vom Senat beschlossene Rahmenplan für das frühere Sanierungsgebiet Kollwitzplatz Mitte der 90er Jahre sein. Darin wird für das Gelände „Flächensicherung bzw. Neubau“ empfohlen.
Das Bezirksamt argumentiert mit „offenen Freiräumen“
Auf dieser Grundlage hatte Bahr seine Pläne eingereicht. Am heutigen Mittwoch will das Bezirksamt der Bezirksverordnetenversammlung nun darlegen, wie genau das verhindert werden kann. Im Moment gilt für das Areal eine einjährige Veränderungssperre, diese könnte noch einmal um maximal zwei Jahre verlängert werden. Langfristig favorisiert das Bezirksamt den Erlass einer so genannten Erhaltungsverordnung.
In der Vorlage für die BVV heißt es, dass die von der gründerzeitlichen Strenge abweichende Struktur der Zeilenbauweise mit ihren „großzügigen, zur Straßburger Straße offenen Freiräumen“ von der Öffentlichkeit zunehmend „als eine besondere Qualität“ wahrgenommen würde – und zwar gerade im Zuge der „auch nach Aufhebung des Sanierungsgebiets anhaltenden Nachverdichtung im Gebiet“. Das Bezirksamt deutet damit indirekt ein Argumentationsmuster an, mit dem begründet werden könnte, warum erst so spät reagiert wird. Erwähnt wird auch, dass bei „KolleBelle“ zwar zur Straße hin die historische Bauflucht aufgenommen, eine „historische Bebauungsform mit Seitenflügeln“ aber gerade nicht aufgegriffen worden sei.
„Ich habe nicht damit gerechnet, dass es einen solchen Hass gegen mich geben wird“, klagt Bahr. Sein Ziel sei es nicht, die Altmieter aus ihren Wohnungen zu verdrängen. Im Gegenteil, er wolle „durch eine Quersubventionierung“ den Bestand der 60er-Jahre-Bauten sichern. 10000 Euro biete er jüngeren Mietern dafür, dass sie ausziehen. In diese Wohnungen könnten dann Altmieter aus den 20 zum Abriss vorgesehenen Wohnungen ziehen. „Ich habe so viele Wohnungen frei, dass alle betroffenen Altmieter dort einziehen können“, sagt Bahr.
Bahr: Die Linke diskriminiert mich
Zu den entschiedenen Gegnern der Bahr-Planung zählt der Fraktionschef der Grünen in der BVV, Peter Brenn. „Es gibt keine Rechtfertigung für eine Nachverdichtung. Den von Herrn Bahr behaupteten Wohnungsmangel im Berliner Zentrum gibt es nicht.“ Außerdem erfüllten die Grünflächen zwischen den Gebäuden eine wichtige Funktion für das Stadtklima. Es könne auch nicht das Ziel der Stadtplanung sein, die frühere gründerzeitliche Bebauung komplett wiederherzustellen.
Brenn sagt, er und seine Fraktion wollten zurzeit keine Gespräche mit Rainer Bahr führen, da dieser bereits Widerspruch gegen die erlassene Veränderungssperre eingelegt habe. In einem sind sich der Grünen-Politiker und der Investor allerdings einig: In ihrer Kritik an Baustadtrat Michail Nelken (Linke). „Nelken verprellt mit seiner Strategie alle“, sagt Brenn. Bahr meint, er werde durch die Linke „diskriminiert“.