Dunkelgrau, Metall, Beton – wir haben die architektonischen Neuzugänge in Prenzlauer Berg unter die Lupe genommen und einen Experten befragt.
Ob der allseits rege diskutierte Neubau in der Pasteurstraße, der Marthashof in der Schwedter Straße, oder der Puhlmann-Hof in der Kastanienallee – wie es aussieht sind panelartige Schiebemodule vor Prenzlauer Berger Häusern gerade mächtig gefragt. Seit der Debatte um die dunkle Metallfassade der Pasteurstraße 19-25 achte ich im Straßenbild mehr auf die Häuserfassaden. Oft erscheinen Gebäude der letzten Jahre dabei recht ähnlich: glatte Fassaden, schmale Fenster, viele Rechte Winkel, wenig Schnickschnack. Der vermeintlich einzige Unterschied: Manche sind dunkel und manche hell.
Weil die Kiezdebatte meistens auf dem persönlichen Empfinden basiert, wollte ich wissen, was eigentlich ein Experte über den Neubau in Prenzlauer Berg sagen würde. Was wird eigentlich gebaut und warum, und sieht wirklich alles gleich aus? Tobias Engelschall ist Architekt und hat in seinem Buch „Zustände“ die achitektonischen Transformationen in Berlin dokumentiert.
Herr Engelschall, in Prenzlauer Berg gibt es inzwischen mehrere Gebäude, die mit Schiebe-Elementen verkleidet sind. Einige sind aus dunklem Metall, beispielsweise an den Gebäuden in der Pasteur- und Schwedter Straße. Woher kommt diese Bauweise und wie bewerten Sie sie?
Das ist gerade eine Mode. Beide Gebäude haben ein berühmtes Vorbild: das Lamellenhaus der Baseler Architekten Herzog und de Meuron in Paris. Das ist wie überall sonst auch, einer fängt etwas an und alle machen es nach. So entwickelt sich ein Standard. Auch, weil die Bauindustrie beginnt, diese Dinge dann billiger zu produzieren.
Die Optik des Originals ist an die Pariser Gullydeckel angelehnt und hat damit einen Ortsbezug, der fehlt den Prenzlauer Berger Häusern. Praktisch gesehen ist die Idee hinter den Lamellen eine größere Privatheit für die Bewohner. Man kann sich darüber streiten, ob diese Häuser schön oder hässlich sind, aber aus meiner Sicht ist diese Bauweise völlig okay. Immerhin bleiben die Häuser so in der Bauflucht und treten nicht aus dem Straßenzug heraus. Das sind nicht die wahren Feinde.
Links die Pasteurstraße 19-25, rechts der Marthashof in der Schwedter Straße
Und wer sind dann die wahren Feinde?
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Das sind diejenigen, denen es immer nur um die maximale Ausnutzung des vorhanden Raumes geht, was natürlich eine Geldfrage ist. Beim Marthashof können Sie sehen, dass das nicht der Fall ist, dort wurde ja ein großer Innenhof angelegt. Auch, dass man Loggien baut, die innerhalb der Häuserfront bleiben anstatt Balkone, die weit hervorragen, zeigt eine geschicktere Verteilung der Baumasse. Auch das sehen Sie bei den Lammellenhäusern sehr gut.
Schlechte Gebäude knallen die gesamte Bauflucht zu, es werden möglichst viele Stockwerke gebaut und die Balkone und Erker hängen wie Krebsgeschwüre nach vorne. Wenn Sie ein niedrig ausgebildetes Erdgeschoss und schon in der ersten Etage so etwas haben, entsteht das Gefühl, man könnte sich dort den Kopf stoßen. Das Gleiche gilt für übermäßige Erker. Das macht schnell den Eindruck, dass das Haus quasi auf die Straße fällt. Die Stockwerke sind ja bei den neuen Häusern viel niedriger als bei den Altbauten. Außerdem werden oft diese unglaublich hässlichen, riesigen Einfahrten zu Tiefgaragen gebaut, die die Erdgeschosszone völlig verhunzen.
Zum Beispiel wie bei diesem Gebäude in der Prenzlauer Allee 44?
Ganz genau! Das ist wirklich die allerunterste Schublade. Das war eines der tollsten Grundstücke der ganzen Stadt, ein richtig großes, freies T. Sie glauben ja gar nicht, wieviele tolle Studentenentwürfe es für dieses Grundstück gab! Und jetzt ist es zugemüllt mit diesem fiesen Bau. Hier können Sie die riesige Tiefgarageneinfahrt und die Balkone sehen. Um das Ganze etwas aufzulockern, gibt es ein paar versetzte Fenster, das sieht einfach nur billig aus. Hier wurde wie bei einer gewöhnlichen Baulücke alles zugeschmiert, das Potential der großartigen Brandwände der Nachbargebäude wurde nicht genutzt. Es ist ein Jammer. Dabei hätte die Stadt als ursprünglicher Grundstücksbesitzer hier Einfluss nehmen können.
Wie würden Sie den Wohnungsneubau in Prenzlauer Berg ganz generell beschreiben?
Das ist natürlich ganz unterschiedlich, es gibt eben gute und schlechte Architekten. Generell kann man sagen, dass es wieder einen Willen gibt, Stadt zu bauen. Was im Prinzip auch richtig ist. Die Frage ist, welche Art von Stadt man haben möchte. Gerade sieht es so aus, als wolle man das Berlin der Gründerzeit wiederherstellen, aber leider nicht mit Häusern gründerzeitlicher Qualität. Dabei gäbe es eigentlich gute Gründe, das nicht zu tun. Denn das war eine enge, dunkle Stadt, in kaum einer Wohnung im Hinterhof kam mal ein Lichtstrahl vorbei. Man muss auch dazu sagen, nicht jedes alte Gebäude ist schön. Die Lücken, die der Krieg ins Stadtbild von Prenzlauer Berg geschlagen hat, machten später ja gerade den Charme aus. Kurz gesagt, es ist eine Frage der gewünschten Dichte.
Woran liegt es, dass vieles falsch gemacht wird?
Einerseits liegt es an den Bauherren, die natürlich den maximalen Platz ausnutzen wollen. Sie mischen sich in die architektonische Planung mit ein. Andererseits gibt es einfach zu wenige Regeln für den Neubau von Wohnhäusern. In den 20er und 30er Jahren war es beispielsweise baugesetzlich gar nicht erlaubt, nach vorne zu bauen. Die Fassaden mussten glatt sein. Seit den 90er Jahren wurde eine höhere Dichte erlaubt.
So hat der Staat keine Kontrolle. Das heißt, er hätte sie nur, wenn ihm das Grundstück gehören würde und er selbst Bauherr wäre. Dafür fehlt dann wiederum das Geld. Auf dieser Grundlage ist es schwierig, eine Baukultur zu schaffen.
Wie sollte Neubauarchitektur in Prenzlauer Berg Ihrer Ansicht nach eigentlich sein?
Es bräuchte eine kluge Uminterpretation des städtischen Wohnens. Großzügigkeit ist ein wichtiges Stichwort. Es sollte Platz gelassen werden für urbane Gärten und Höfe. Da wäre der Marthashof ein positives Beispiel. Auch was die Höhe angeht, dürfte nicht so dicht gebaut werden. Nicht jedes Haus muss siebenstöckig sein. Man könnte mit versetzten Geschossen arbeiten. Man sollte Tiefgaragen generell verbieten, oder sie als architektonisches Druckmittel verwenden. Nach dem Motto: „Wenn Du keine schöne Einfahrt baust, darfst Du keine Stellplätze bauen. Also nimm Dir einen Architekten, der das kann.“ Wenn unbedingt verdichtet werden soll, sollte man auch Architekten damit betrauen, die sich auf diesem Gebiet auskennen. Nur so entstehen auch neue Gebäude, die es mit den alten Häusern aufnehmen können.